15.05.2007

Rettet Darfur

Hintergrundinformationen zum Völkermord in Darfur

400.000 Tote und mindestens zwei Millionen Vertriebene

Der Völkermord in Darfur zählt zu den schlimmsten humanitären Tragödien und Verbrechen gegen die Menschlichkeit des 21.Jahrhunderts Zum dritten Mal führt das sudanesische Militärregime unter General Omar Hassan Al Bashir Krieg gegen die eigene schwarzafrikanische Bevölkerung. Nach dem Genozid im Südsudan (1955 bis 2003 mit fast 2,5 Millionen Toten) und in den Nuba-Bergen (1987 bis 2003 mit etwa 500.000 Toten) führt Khartum nun seit 2003 mit Hilfe der arabischen Janjawid - Milizen einen Vernichtungskrieg gegen die muslimischen Schwarzafrikaner im westsudanesischen Darfur, die mehrheitlich dem Volk der Fur angehören. Dieser Völkermord hat bereits bis zu 400.000 Menschenleben gefordert, mehr als zwei Millionen Menschen wurden vertrieben. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete diese Tragödie als die gegenwärtig größte humanitäre Krise weltweit.

Was die Welt nicht wahrhaben will: Auch das Jahr 2007 begann mit gezielten Übergriffen von Janjawid-Milizen gegen die Zivilbevölkerung in Darfur. Immer mehr Menschen fliehen deshalb auch wieder über die Grenze in den Tschad, wo in den von dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR betreuten 12 Lagern mehr als 200.000 Menschen leben. Und täglich werden es mehr. Die Spannungen zwischen dem Sudan und dem Tschad nehmen zu. Schon warnen Beobachter vor einem Flächenbrand, der die Krise über den Sudan hinaus tragen könnte.

 

Die Gewalt eskaliert in der Region

Aus allen Teilen der westsudanesischen Provinz, die etwa so groß ist wie Frankreich, werden immer neue Übergriffe der Janjawid-Milizen auf Bewohner von Dörfern, Städten und Flüchtlingslagern gemeldet. Sie hinterlassen verbrannte Erde. Wer den Verdacht erregt, die Sudan Liberation Army (SLA) zu unterstützen oder den Janjawid-Einheiten einfach nur im Wege ist, kann zum Ziel ihrer Angriffe werden.

UN-Angaben zufolge wurden im Januar und Februar 2007 erneut zahlreiche Dörfer in Darfur von Antonov-Bombern der sudanesischen Luftwaffe angegriffen. Mehrmals wurden Dörfer nur wenige Stunden vor einem dort geplanten Treffen des Oberkommandeurs der Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) mit Widerstandsgruppen bombardiert. Die AU warf daraufhin der sudanesischen Regierung vor, Friedensgespräche gezielt zu verhindern und die Glaubwürdigkeit der AU-Friedenstruppen zu untergraben. Vor allem die sudanesische Regierung sei mit ihrer fortgesetzten Unterstützung der Janjawid-Milizen verantwortlich für die Eskalation der Gewalt in Darfur, erklärte die AU im Dezember 2006.

Systematisch werden Dörfer überfallen, Brunnen vergiftet, Häuser geplündert und niedergebrannt, Dorfbewohner erschossen oder vergewaltigt. Janjawid verbreiten mit ihren Überfällen Angst und Schrecken. Manche Dörfer wurden bereits zweimal oder dreimal überfallen. Die meisten Bewohner sind inzwischen aus den ländlichen Regionen in die Städte oder in Flüchtlingslager geflohen, doch auch dort ist ihr Schutz nicht gesichert.

 

Flüchtlingslager werden überfallen

Auch die 1,8 Millionen Flüchtlingen, die in Lagern und Städten in Darfur Zuflucht gesucht haben, leben in ständiger Angst. Sie sind Übergriffen von Milizionären schutzlos ausgeliefert. Immer wieder werden Frauen, die die Lager zum Brennholzsammeln verlassen, angegriffen und vergewaltigt. Als die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" im Frühjahr 2005 in einem Report die katastrophale Zunahme von Vergewaltigungen in der Nähe von Flüchtlingscamps dokumentierte, strengten die sudanesischen Behörden Strafverfahren gegen die Helfer an und drohten ihnen mit Ausweisung. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, warnt vor einer weiteren Zunahme von Gewalt und Straflosigkeit innerhalb der Lager. Denn mancherorts wurden Milizionäre, die die Menschen vertrieben hatten, später von den sudanesischen Behörden offiziell als ihre Bewacher im Lager angestellt. Und selbst im Tschad sind die mehr als 200.000 Darfur-Flüchtlinge nicht sicher, weil der Sudan seinen Krieg in den letzten Monaten auf den Osten des Nachbarlandes ausgeweitet hat.

 

Vergewaltigte Frauen schweigen nicht länger zur Gewalt

Tausende Frauen wurden seit Februar 2003 in Darfur vergewaltigt. Denn Vergewaltigung wird in Darfur als Kriegswaffe eingesetzt. Die Ärztin Halima Basheer behandelte vergewaltigte Schülerinnen im Alter von 8 bis 13 Jahren, nachdem Milizen und sudanesische Soldaten eine Grundschule überfallen hatten. "Die Mädchen standen unter Schock, bluteten, schrieen und weinten. Es war entsetzlich", erklärte die Ärztin. "Weil ich anderen erzählte, was passiert war, wurde ich verhaftet. Wir zeigen dir, was Vergewaltigung ist", erklärten die Polizisten. "Sie schlugen mich hart. In der Nacht kamen drei Männer und vergewaltigten mich…Sie fesselten meine Hände: einer setzte sich auf sie. Die beiden anderen vergewaltigten mich, bis ich keine Kraft mehr hatte mich zu wehren".

 

Leugnen und aussitzen – Khartums Darfur-Strategie hat sich bewährt

Von einem Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur möchten Khartums Machthaber nichts wissen. Dies seien "Hirngespinste" westlicher Agitatoren, die nur danach trachteten, den friedliebenden Sudan zu diskreditieren, erklärt Sudans Staatsführung. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen würden bei der Beschreibung der Lage maßlos übertreiben, um mehr Spenden einzutreiben. Journalisten würden "hetzen", um auf sich aufmerksam zu machen und die Auflage ihrer Zeitungen in die Höhe zu treiben, erklären Sudans Machthaber. Unglaubwürdig seien auch Menschenrechtsorganisationen, weil sie "Rebellen" unterstützten. Mit der Stationierung von UN-Friedenstruppen in Darfur wolle sich die USA nur den Zugriff auf das dort entdeckte Erdöl sichern.

In Darfur sei inzwischen weitestgehend Frieden eingekehrt, lässt Khartum erklären. Höchstens 9.000 Menschen seien bei Kämpfen zu Tode gekommen, erklärte Staatspräsident Omar Hassan el Bashir. Seine Regierung trage für diese alten Stammesauseinandersetzungen keine Verantwortung.

 

Geschichte des Konflikts

Seit Jahrzehnten fühlen sich die schwarzafrikanischen Völker im Westen des Sudan von der arabisch-muslimisch dominierten Zentralregierung in Khartum ignoriert und vernachlässigt. So schwelten massive Spannungen schon lange bevor im Februar 2003 Widerstandsbewegungen in Darfur zu den Waffen griffen und Militärposten überfielen. Darfur ist eine von vielen am äußeren Rande des Sudan gelegenen Regionen, die während Jahrzehnten von der kleinen in Khartum regierenden arabisch-muslimischen Führungsschicht entrechtet und missachtet wurde. Auseinandersetzungen um Land, Wasser und Weiderechte hat es in der unwirtlichen Region zwar immer gegeben und insbesondere nach der Dürrekatastrophe im Sahel in den 80er-Jahren wurden die Ressourcen immer knapper. Doch diese Konflikte mündeten niemals in gezielte Vertreibungen und die Zerstörung hunderter Dörfer ein. Fast 1.200 Siedlungen wurden seit Februar 2003 gezielt zerstört, mehr als 400 Dörfer wurden zum Teil schwer beschädigt.

Dieser Vernichtungsfeldzug war nur möglich, weil die sudanesische Regierung nach dem Scheitern der Arabisierung im Süden des Landes gezielt arabische oder arabisierte Gruppen im Westen des Sudan bewaffnete, um die afrikanische Bevölkerung zu vertreiben.

Der Genozid hat keine religiösen Ursachen, da in Darfur Muslime gegen Muslime kämpfen. Doch er hat auch ethnische Ursachen, da nicht nur das seit 1989 regierende Regime el Bashir, sondern auch vorangegangene sudanesische Regierungen leugnen, dass das Land ein Vielvölkerstaat ist und sowohl Teil der arabischen als auch der afrikanischen Welt ist. Seitdem der arabisch-muslimischen Führungsschicht bei der Staatsgründung im Jahr 1956 von den britischen Kolonialherren die Herrschaft übertragen wurde, weigern sie sich beharrlich, die Macht mit anderen Bevölkerungsgruppen zu teilen. So ist der ausgeprägte Rassismus dieser arabisch-muslimischen Führungsschicht gegenüber der schwarzafrikanischen Bevölkerung mit eine der Ursachen des Genozids in Darfur sowie des Völkermords im Südsudan und in den Nuba-Bergen. Im Südsudan starben aufgrund des Genozids seit 1955 mindestens 3,5 Millionen Schwarzafrikaner. Erst im Januar 2005 konnte der Völkermord durch ein Friedensabkommen beendet werden. Mehrere hunderttausend Angehörige der afrikanischen Nuba-Völker fielen in den 90er Jahren Völkermordverbrechen der sudanesischen Führung zum Opfer. Ihre Heimat, die Nuba Berge, ist im ansonsten arabisch-muslimisch geprägten Nordsudan gelegen. Doch lebten in den Nuba Bergen bis zu ihrer Vertreibung oder Vernichtung vor allem afrikanische Muslime und Christen.

Doch der Völkermord in Darfur beeinflusst auch den Machtkampf innerhalb der muslimischen Gesellschaft des Nordsudan. Denn der bedeutendste Widersacher des heutigen Staatspräsidenten el Bashir, sein langjähriger Chefideologe und Befürworter eines muslimischen Gottessstaates, Hassan el Turabi, hat viele Anhänger in Darfur.

Erschwert wird der Konflikt in Darfur noch durch den Fund von Erdöl und die Vergabe von Förderlizenzen. Chinas Erdölindustrie ist massiv an der Ölförderung im Süden des Sudan beteiligt. China ist schon heute der wichtigste Abnehmer sudanesischen Erdöls und setzt sich daher auch vehement für die Interesse des Sudan in den Vereinten Nationen ein. Denn China braucht Energie aus Afrika, um seine aufstrebende Wirtschaft zu versorgen. Schon bald dürfte der Sudan noch wichtiger für die Energieversorgung Chinas werden. Denn der ostasiatische Staat hat sich jüngst Öllizenzen im Nachbarland Tschad gesichert und plant den Bau einer Erdölpipeline vom Tschad durch Darfur in die sudanesische Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer.

 

Vereinte Nationen sind hilflos

In den ersten Jahren des Genozids in Darfur wurde UN-Generalsekretär Kofi Annan oft kritisiert, er sei zu nachgiebig gegenüber Sudans ruchlosen Machthabern. Doch im Jahr 2006 hielt Annan immer häufiger dem Weltsicherheitsrat vor, nicht genug zu tun, um das Morden in Darfur zu beenden. Wenige Tage vor seinem Ausscheiden aus seinem Amt räumte der UN-Generalsekretär am 9. Dezember 2006 ein, die Vereinten Nationen hätten dabei versagt, Menschenrechte in Darfur wirksam zu schützen: "Sechzig Jahre nach der Befreiung der Nazi-Todeslager und 30 Jahre nach dem Abschlachten in Kambodscha, klingt das Versprechen, dass dies niemals mehr passieren dürfe, unglaubwürdig."

Annans Nachfolger Ban-Ki moon kritisiert scharf jede Verzögerung bei der Stationierung von UN-Friedenstruppen in Darfur. Doch ein UN-Generalsekretär kann den Weltsicherheitsrat nicht zwingen aktiv zu werden. Und in diesem Gremium haben die "Bremser" das Sagen, ob sie nun China oder Russland heißen.

Monatelang war der Weltsicherheitsrat in der Darfur-Frage blockiert, da die Vetomächte China und Russland sowie arabische Mitgliedstaaten die Entsendung von UN-Friedenstruppen nach Darfur ablehnten. So äußerte der Weltsicherheitsrat zwar immer wieder seine Besorgnis über die Lage im Westen des Sudan, ohne jedoch konkrete Beschlüsse zu treffen. Erst im August 2006 stimmten schließlich alle Vetomächte einem sehr abgemilderten Resolutionsentwurf zu, der vage die Entsendung von UN-Friedenstruppen befürwortet. Da die sudanesische Regierung jedoch keinerlei Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigte, verzögerte sich eine Entsendung von Friedenstruppen bis zum Jahr 2007. Mit einem geschickten Katz- und Maus-Spiel gewann die sudanesische Regierung weiter Zeit und setzte durch, dass keine Friedenstruppen unter UN-Kommando nach Darfur entsandt werden. Nach langem Drängen der internationalen Staatengemeinschaft stimmte die sudanesische Regierung schließlich im Januar 2007 der Stationierung einer gemeinsamen Friedenstruppe der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen unter AU-kommando zu. In drei Phasen soll die Friedenstruppen entsandt werden. Doch es ist sehr fraglich, ob die dritte Phase, die Stationierung von mehreren tausend UN-Blauhelmsoldaten vorsieht, jemals realisiert wird. Denn der sudanesische Staatspräsident hat seine im Januar 2007 gegebene Zustimmung inzwischen bereits mehrmals relativiert und erklärt, dass keine UN-Soldaten in den Westen des Sudan kommen dürften.

Während der Weltsicherheitsrat in der Frage eines möglichen UN-Friedenstruppen-Einsatzes tief gespalten war, hat er zumindest den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ermächtigt, gegen die Verantwortlichen des Mordens, Brandschatzens und der Vertreibungen zu ermitteln. Die Straflosigkeit im Westen des Sudan zu beenden war ein erklärtes Ziel deutscher Außenpolitik in den Jahren 2004/2005. Sehr engagiert hat sich Deutschland während seiner zeitlich begrenzten Mitgliedschaft im Weltsicherheitsrat darum bemüht, dass der Weltsicherheitsrat dem neu gegründeten Internationalen Strafgerichtshof ein Mandat zur Strafverfolgung der Verantwortlichen der Gräueltaten in Darfur erteilt. Da die sudanesische Regierung die Kompetenz der Richter in Den Haag bestreitet, gab es erneut massiven Widerstand von Seiten Chinas und Russlands gegen eine Einschaltung des Internationalen Gerichtshofes. Aber auch in der US-Regierung galt es große Widerstände zu überwinden, da sie grundsätzlich die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofes und jede ausländische Gerichtsbarkeit über US-Staatsangehörige ablehnt. Doch nachdem ein Expertenteam der Vereinten Nationen in einer Studie erklärte, im Westen des Sudan würden Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, erteilte der Weltsicherheitsrat schließlich dem Internationalen Strafgerichtshof ein Mandat zur Verfolgung der Verantwortlichen für die Verbrechen in Darfur, da im Sudan keine ausreichenden Schritte zur Bestrafung der Täter eingeleitet worden seien. Inzwischen hat der Internationale Strafgerichtshof im Februar 2007 gegen den ehemaligen sudanesischen Innenminister Haroun und gegen einen Janjawid-Führer Vorermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet.

Wie schwer sich der Weltsicherheitsrat damit tut, wirksame Maßnahmen zur schnellen Eindämmung des Völkermords im Westen des Sudan zu ergreifen, zeigt die Debatte im die Verhängung von Sanktionen. Da Khartum die Einnahmen aus dem Erdöl-Export unter anderem auch für neue Rüstungskäufe in China, Russland und Weißrussland genutzt hat und insbesondere der Kauf von neuen Kampfhubschraubern auch das Morden und die Vertreibungsverbrechen in Darfur verlängert, wurde der Ruf nach einem umfassenden Öl-Embargo laut. Doch davon will der Weltsicherheitsrat nichts wissen.

Stattdessen sprach sich das höchste UN-Gremium für die Einfrierung von Bankkonten und für Reisebeschränkungen von Persönlichkeiten aus, die für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich gemacht werden. Nach langer Diskussion beschloss der Weltsicherheitsrat im März 2005 die Einsetzung eines Sanktionskomitees, das klären sollte, welche Reise-, Waffen und anderen Sanktionen gegen wen im Sudan zu verhängen seien. Geleitet wurde das Komitee von dem EU-Mitglied Griechenland. Lange hörte man nichts mehr von dem vierköpfigen Komitee. Denn wieder einmal wirkte die arabische Solidarität und das Emirat Quatar blockierte erfolgreich die Arbeit des Komitees. Schließlich empfahl der Ausschuss am 9. Dezember 2005 gegen 17 Sudanesen Sanktionen zu verhängen. Während Großbritannien sich engagiert für Sanktionen gegen diesen größeren Personenkreis einsetzte, hielten die USA dies nicht für ratsam und reduzierten die Liste auf nur noch acht Namen. Nach wochenlangem Tauziehen hinter den Kulissen und massiven Veto-Drohungen von China, Russland und Quatar verabschiedete der Weltsicherheitsrat am 25.April 2006 schließlich eine Liste nur noch vier Personen, gegen die Sanktionen verhängt werden sollen. Nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht mutet dies wie ein schlechter Scherz an: Denn paritätisch wurden Sanktionen verhängt gegen zwei Führer von Darfur-Widerstandsorganisationen, einen Anführer der Janjawid-Milizen sowie gegen den ehemaligen Chef der sudanesischen Luftwaffe. Nur so war es mit Sudans Freunden im Weltsicherheitsrat überhaupt möglich, Sanktionen gegen führende sudanesische Persönlichkeiten zu verhängen. Diese seltsame Schuldverteilung war ein Armutszeugnis des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen, weil es die eigenen Studien von UN-Völkerrechtsexperten nicht berücksichtigte, die eindeutig der sudanesischen Regierung die Hauptverantwortung für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegeben hatte.

Auch haben die Vereinten Nationen immer wieder betont, dass Sanktionen nur wirksam sind, wenn sie schnell und mit breiter internationaler Unterstützung verhängt werden. Das monatelange Schachern im Weltsicherheitsrat und untergeordneten Gremien um die Sudan-Aktionen war hingegen ein deutliches Zeichen an Khartum, dass dies nur Schein-Sanktionen sind, denen keine große Bedeutung beikommt und das auch nicht die Verhängung weiterer Sanktionen zu Darfur zu erwarten ist.

 

Überforderte Afrikanische Union

Die AU-Mission war vom Sudan und vielen afrikanischen sowie arabischen Staaten gegenüber dem Einsatz von UN-Blauhelmsoldaten bevorzugt worden. Insbesondere in der arabischen Welt begrüßten zahlreiche Staaten den AU-Einsatz, die während des Genozides im Südsudan (1956-1972, 1983-2005) den Vernichtungsfeldzug der sudanesischen Armee und verbündeter Milizen mitfinanziert und somit unmittelbar unterstützt hatten.

Auch die Europäische Union (EU) setzte große Hoffnungen in die AU-Beobachter und unterstützte die Mission bis zuletzt finanziell und politisch. Sah man in dem Einsatz doch eine willkommene Gelegenheit, regionale Konfliktlösungsansätze in Afrika zu fördern und afrikanischen Staaten mehr Verantwortung bei der Konfliktbearbeitung in Afrika zuzuweisen. So wünschenswert dies auch grundsätzlich sein mag, so fatal war die Fehleinschätzung der AU-Mission durch die EU. Denn eine realistische Analyse des Verhältnisses zwischen dem Sudan und der AU sowie der nicht eingelösten Versprechungen Khartums im Darfur- und Südsudan-Konflikt hätte auch schon im Frühjahr 2004 deutlich machen müssen, dass die AU-Mission ein untaugliches Mittel war, um die schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Westen des Sudan zu beenden. Erst zwei Jahre später räumte die internationale Gemeinschaft kleinlaut ein, dass es der AU-Mission nicht gelungen sei, den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen und die Sicherheitslage im Westen des Sudan zu verbessern. Im Gegenteil, zwei Jahre nach dem Eintreffen der ersten AU-Beobachter ist heute die Sicherheitslage in Darfur schlimmer denn je zuvor, herrschen Willkür und Rechtlosigkeit und unterstützen sudanesischer Geheimdienst und Armee mehr denn je zuvor Janjawid-Milizen, die die Zivilbevölkerung terrorisieren. Die Zivilbevölkerung in Darfur zahlte für die gescheiterten Planspiele der internationalen Gemeinschaft bei der Suche nach einer Friedenslösung in Darfur einen hohen Preis, denn bis zu 400.000 Menschen kamen in der Krisenregion zu Tode, da die AU-Mission der Zivilbevölkerung nicht wirksam Schutz bieten konnte.

Die sudanesischen Behörden behinderten die Arbeit der heute 7.000 AU-Soldaten von Anfang an: Wochenlang wurde ihren Hubschraubern Flugbenzin verweigert, Au-Beobachter wurden immer w2ieder am Verlassen ihrer Camps gehindert, Soldaten mussten bis zu acht Wochen auf ihre Visa warten, gepanzerte Transportfahrzeuge durften mehr als ein Jahr lang nicht eingeführt werden. Die sudanesischen Behörden spielten Katz und Maus mit dem AU-Team, das systematisch an einer effektiven Arbeit gehindert wurde. Da alle Behinderungen wie erwartet folgenlos blieben und auch die AU-Berichte über Verletzungen des Waffenstillstands keine politischen Konsequenzen nach sich zogen, wurden die AU-Beobachter von den Janjawid-Milizen und der sudanesischen Armee auch nicht als ernst zu nehmendes Hindernis bei der Fortführung des Völkermordes empfunden.

Der mangelnde Respekt des offiziellen Sudan gegenüber den AU-Beobachtern konnte nicht überraschen, hatten afrikanische Staaten doch mehr als 30 Jahre lang Genozidverbrechen und schwerste Menschenrechtsverletzungen im Südsudan ignoriert und international nichts unternommen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Noch im April 2004 hatten afrikanische Staaten in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen das Scheitern einer Sudan-kritischen Resolution, in der die Verbrechen in Darfur verurteilt wurden, als Erfolg der gemeinsamen Vertretung afrikanischer Interessen gefeiert. Warum sollten sich nun gerade afrikanische Staaten zum Fürsprecher der aus Darfur vertriebenen Zivilbevölkerung machen und den Genozid wirksam beenden?

Während 38 Jahren Völkermord der sudanesischen Armee im Südsudan (1956-1972, 1983-2005) hat die Regierung in Khartum immer nur maßgebliche Zugeständnisse gemacht, wenn die internationale Gemeinschaft mit dem Einsatz von UN-Friedenstruppen oder US-Soldaten drohte. So auch im Jahr 1988, als zehntausende Südsudanesen einer Hungerblockade der sudanesischen Armee zum Opfer fielen und schließlich in Europa und den USA der Ruf nach einem Einsatz internationaler Truppen laut wurde. Die Präsenz europäischer oder amerikanischer Soldaten in den sudanesischen Konfliktgebieten hat die Regierung in Khartum immer am meisten befürchtet.

 

Prominente setzen sich für Darfur ein

"Den Völkermord in Darfur zu stoppen ist keine politische Frage", erklärt der Schauspieler George Clooney. "Es geht nicht darum, ob man rechts oder links steht, ob man konservativ ist oder liberal: Es geht einzig und allein um Menschlichkeit…". Die Schauspielerin Angelina Jolie macht immer wieder mit Reisen in die Region auf das Leiden der Zivilbevölkerung aufmerksam: "Ich habe viele Kinder getroffen. Sie trugen löcherige Lumpen und hatten keinerlei Zugang zu Schulen oder medizinischer Versorgung. Auf die Frage, was ihnen am meisten fehlte, antworten sie, Sicherheit. Es steht allerdings fest, dass es hier keinen Ort gibt, der wirklich sicher ist."

 

Darfur braucht Frieden

Dringend braucht die geschundene Zivilbevölkerung im Westen des Sudan Frieden. Doch Frieden wird es nur geben, wenn die internationale Staatengemeinschaft ihren Druck auf die sudanesische Regierung erhöht. Bislang ist die sudanesische Regierung nicht zu einem dauerhaften Frieden bereit, sondern tut alles, um die Gewalt in Darfur eskalieren zu lassen.

Nur mit der Verhängung von Sanktionen kann die internationale Staatengemeinschaft nun gezielt den Druck auf die sudanesische Staatsführung erhöhen, um den Völkermord in Darfur schnell und wirksam zu stoppen. Reiserestriktionen und die Einfrierung von Bankkonten der Verantwortlichen dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit wären ein erster Schritt, um den Genozid zu beenden.

Dringend muss die internationale Staatengemeinschaft auch auf eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen drängen. Denn alle Beteiligten, dass es ohne ein Neuverhandlung des Darfur-Friedensabkommens keinen dauerhaften Frieden gaben wird. Diese Verhandlungen müssen unter Beteiligung aller Konfliktparteien und ohne Zeitdruck geführt werden, damit nicht erneut überhastet ein Abkommen unterzeichnet wird, das von den meisten Betroffenen nicht akzeptiert wird. Entscheidend wird dabei auch sein, dass alle im Westen des Sudan lebenden Bevölkerungsgruppen wieder Vertrauen zueinander finden und eine Basis zum Miteinanderleben entwickeln. Denn fatal sind die Folgen des Genozids und der von Khartum betriebenen Politik des "Teilens und Herrschens" unter den Bevölkerungsgruppen Darfurs: Traumatisiert von Jahren des Genozids trachten die einen nach Vergeltung, während die anderen Unterstützung bei den Machthabern in Khartum suchen, die sie in ihrem Machtkampf instrumentalisieren. Darfur braucht Frieden, vor allem zwischen den verfeindeten Volksgruppen, die auch nach dem Ende des Genozids miteinander zusammen leben müssen.