20.02.2008

Religiöser Boom in China

KP hat Kampf um die Herzen verloren

aus: bedrohte völker_pogrom 246, 1/2008

Die Kathedrale von Peking erlebt jeden Sonntag einen Ansturm von Gläubigen, von dem Kirchen in Europa nur träumen können. Dicht gedrängt stehen die Christen in der großen Kirche. Überall ist es das gleiche Bild in der Volksrepublik: Katholische und protestantische Gotteshäuser, buddhistische Tempel und muslimische Moscheen erleben einen Boom wie nie zuvor. Die Zahl der Gläubigen im Reich der Mitte steigt immer mehr, sehr zur Sorge des staatlichen Amtes für religiöse Fragen, das sich bemüht, das neue Interesse der chinesischen Staatsbürger an Religion zu lenken und zu kanalisieren. Denn die Kommunistische Partei, die Jahrzehnte lang den Atheismus beschwor und noch während der Kulturrevolution Ende der 60- er Jahre Kirchen und buddhistische Tempel als Tierställe missbrauchen ließ, fürchtet angesichts von mehr als 100.000 religiösen Stätten in China, ihr Machtmonopol und die Kontrolle über die Bevölkerung zu verlieren.

Ganz unbegründet scheint diese Sorge nicht zu sein, selbst wenn keine der Religionsgemeinschaften öffentlich die Herrschaft der Kommunistischen Partei in Frage stellt. Doch den Kampf um die Herzen der Menschen hat die Partei schon lange verloren, da sie weder ethische Werte noch Lebenskonzepte oder Antworten auf Fragen der heutigen Zeit bietet. So strömen viele Menschen, die Orientierung suchen, in die Kirchen, Tempel und Moscheen. Die Partei hält ihre Mitglieder bis heute zum Atheismus an.

Schätzungen chinesischer Wissenschaftler gehen aufgrund jüngster Meinungsumfragen davon aus, dass sich rund 350 Millionen Chinesen heute als religiös bezeichnen. Rund 110 Millionen Menschen sollen demzufolge Protestanten und 20Millionen Katholiken sein, 20 Millionen sind Muslime und 200 Millionen bezeichnen sich als Buddhisten oder Taoisten. Das ist ein Viertel der Bevölkerung und für einen Staat, in dem Religion nicht offiziell gefördert oder seit Jahrzehnten ein Bestandteil des öffentlichen Lebens ist, eine beachtliche Zahl. Offiziell bemüht sich Chinas Regierung noch, die Zahlen herunterzuspielen, wenn sie von nur 100 Millionen Gläubigen spricht. Doch auch dies ändert nichts daran, dass der Glauben im Alltag in China eine immer größere Rolle spielt.

Dabei steht es nicht gut um die Religionsfreiheit in der Volksrepublik. Sie wird zwar in der Verfassung grundsätzlich garantiert. Doch dieser Schutz gilt gemäß den "Regelungen für religiöse Angelegenheiten", die zahlreiche Einschränkungen des Grundrechts enthalten, nur für offiziell registrierte Glaubensgemeinschaften. So sind die "Katholische Patriotische Vereinigung" und der protestantische "Chinesische Christen Rat" anerkannt, doch die meisten Christen haben sich den nicht offiziell registrierten protestantischen "Hauskirchen" oder der Katholischen Kirche angeschlossen. Der Vatikan bemüht sich um eine Verbesserung seiner Beziehungen zur chinesischen Führung und Papst Benedikt sagte deshalb sogar im Dezember 2007 einen Empfang des Dalai Lama ab, doch regelmäßig kommt es wegen der eigenmächtigen Ernennung von Bischöfen durch Chinas Behörden zu Streit zwischen Peking und dem Vatikan. Ungeachtet der zur Schau getragenen Bemühungen um eine Entspannung des Verhältnisses zu den christlichen Kirchen hält die Repression gegen Bischöfe, Priester und Gläubige weiter an.