12.12.2008

Rede von Jacqueline Mukandanga-Blam

Rede von Jacqueline Mukandanga-Blam

Jacqueline Mukandanga-Blam

Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich spreche vor Ihnen im Namen der Opfer und Überlebenden des Völkermords an den Tutsi in Ruanda.

Ich bin heute die letzte Überlebende meiner Familie, und dies nur, weil ich einen deutschen Mann habe.

Ich brauche Ihnen nicht viel über diesen Völkermord zu erzählen.

Die wesentlichen Fakten sind bekannt oder leicht zugänglich:

Schon seit 1959 gab es Elemente eines Völkermords in Ruanda:

Massaker und ethnische Säuberungen in ganzen Regionen,

Flüchtlinge in allen Nachbarländern seit 30 Jahren,

Straffreiheit der Verantwortlichen im Land und international.

Es gab viele Hinweise und Details über die Planung eines Völkermords, insbesondere auch die Berichte des Generals Dallaire, dem Leiter der UN-Truppen in Ruanda.

Die erschreckend schnelle und perfekte Durchführung des Völkermords als "Endlösung" in nur 3 Monaten ist allgemein bekannt. (Das Wort "Endlösung" ist ein Zitat von Colonel Bagosora, einem der Hauptorganisatoren).

Wir Überlebende wissen, dass die Völkermörder nach nur 2 Wochen ihre meiste "Arbeit" erledigt hatten - Arbeit in Anführungszeichen -, mit ca. 90 % der Todesopfer schon in diesen ersten 2 Wochen.

  • Die Auswirkungen sind enorm: Über 1 Million Opfer in Ruanda.

    Die Flucht der Völkermord-Armee und -Miliz hat im Kongo Kriege ausgelöst; dort sind auch bereits über 5 Millionen Tote zu beklagen.

  • Der Völkermord wurde von Verantwortlichen in Ruanda geplant und organisiert. Diese hatten mit Partnern international zusammengearbeitet – und tun dies wohl noch heute: Vor allem in Frankreich, auch in Belgien, Deutschland und anderswo...
  • Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte einen Botschafter der ruandischen Völkermordregierung von April bis Juli 1994 mitwirken lassen.
  • Ich will nun zu der Rolle der Vereinten Nationen sprechen:

    Die Statuten und Erklärungen der Vereinten Nationen, so auch die UN-Konvention gegen Völkermord, verfolgen richtige und wichtige Ziele.

    Die Vereinten Nationen und ihre Einrichtungen müssen also Menschenrechtsverletzungen erkennen und verhindern.

    Das Verhalten der Vereinten Nationen in Ruanda zeigte jedoch Ignoranz und Inkompetenz:

  • Die deutlichen Warnungen - unter anderem vom Leiter der UN-Truppen - wurden ignoriert,
  • mit der Völkermordregierung wurde weiter kooperiert und verhandelt,
  • die "Rebellenseite" - in Anführungszeichen - wurde bei der Bekämpfung des Völkermords nicht unterstützt.
  • Die Vereinten Nationen haben sogar mit Ihrem Verhalten den Völkermord überhaupt erst möglich gemacht, statt ihn zu verhindern:

    In Ruanda wurde die Einhaltung der Menschenrechte nicht erzwungen.

    Eine Re-Integration der Flüchtlinge seit 1960 wurde über 30 Jahre lang nicht ernsthaft versucht.

    Die Friedensverhandlungen von Arusha und das Abkommen 1993 wurden von Vertretern und Truppen der Vereinten Nationen öffentlichkeitswirksam begleitet - mit der Folge, dass sich die bedrohte Bevölkerungsgruppe der Tutsi und die Opposition in Ruanda fälschlich in Sicherheit glaubte. Beim Start der Völkermordmaschinerie ließen sich die Vereinten Nationen täuschen und reduzierten ihre Truppen, statt einzuschreiten. Alle Ausländer wurden evakuiert, wodurch die internationale Gemeinschaft keine Beobachter und Augenzeugen mehr vor Ort hatte. Die Tutsi als Opfer des geplanten Völkermords fühlten sich verlassen und waren tatsächlich in der Falle.

    Der Völkermord in Ruanda hätte von den Vereinten Nationen verhindert werden können – und müssen!

    Sind Ähnlichkeiten heute mit Darfur und Ostkongo rein zufällig?

    Und was haben die Vereinten Nationen nach dem schnellsten Völkermord der neueren Geschichte unternommen?

    Der Völkermord wurde als solcher anerkannt und mit der Einrichtung des Tribunals in Arusha eine rechtliche Grundlage zur Verurteilung der Verantwortlichen geschaffen. Jedoch wird dieses Tribunal seine Arbeit einstellen. Es gibt von Seiten der Vereinten Nationen bis heute keine Unterstützung oder gar Entschädigung für Überlebende. Respektable europäische Länder, die sich rühmen, die Menschenrechte erkämpft zu haben, beherbergen und schützen Tatverdächtige. Die Gesetzgebung vieler Länder ist heute - 60 Jahre nach dieser UN-Konvention - unzureichend und nicht in der Lage, die universelle Rechtsprechung für Völkermord-Verbrechen zu gewährleisten. Die Verfolgung und Verurteilung der Schuldigen ist nicht auf Dauer sichergestellt.

     

    Das bedeutet Straffreiheit für die meisten Verantwortlichen!

    Deswegen sind weitere Völkermorde nicht vermeidbar!

    Wir Opfer des Völkermords an den Tutsi fordern Gerechtigheit

    - und Entschädigung für die Überlebenden!

    Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, mir diese Darstellung aus dem Blickwinkel der Opfer ermöglicht zu haben.