22.04.2005

Recht auf Wasser - Recht auf Leben

Die UN-Arbeitsgruppe für indigene Völker (WGIP) hat sich in die Globalisierungsdiskussion eingemischt. "Ja" sagt die UN-Arbeitsgruppe zu einer humanen Globalisierung und lehnt jede Form der Globalisierung ab, die indigene Völker ausschließt, vergisst oder an den Rand drängt, wie dies bisher der Fall gewesen ist. Bezeichnend sind besonders Verträge zwischen Regierungen und Konzernen, die ohne Mitsprache der Bewohner der betreffenden Territorien entstanden sind.

"Als Ureinwohner fühlen wir uns derzeit allein gelassen und schutzlos", kritisierte die Arbeitsgruppe. Die Regierungen haben vielfach nicht den Willen, die Indigenen in die Entscheidungen einzubinden. In ihrer Deklaration von Kimberly 2003 fordern die indigenen Völker, dass sie jedes Projekt, das ihre Tätigkeit oder ihr Land betrifft, annehmen oder ablehnen zu können.

Ein Wunsch, denn die Realität sieht anders aus: Regierungen entscheiden über ihre Köpfe hinweg.

Beispiel Wasser. "Wir erkennen das Wasser als Träger des Lebens", erklärten die 40 indigenen Vertreter beim World Water Forum (3. März 2003) im japanischen Kyoto. Tatsächlich wird aber das Wasser verschmutzt, der sich ankündigende Klimawandel wirkt sich bereits fatal aus: Stürme, Fluten, Trockenheit und Hitze. Am meisten leiden die indigenen Völker darunter, weil sie in den exponiertesten und sensibelsten Ökosystemen leben. "Wir sehen, dass unser Wasser zunehmend von einer schamlosen Wirtschaft, von ausländischer und kolonialer Dominanz vermarktet wird", stellten die Ureinwohner in Kyoto fest. "Mittels Handelsabkommen und kommerziellen Praktiken werden wir von unserem eigenen Ökosystem abgekoppelt."

Doch sie wollen das künftig nicht mehr wehrlos hinnehmen. "Wir haben das Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie. Die Selbstbestimmung schließt die Nutzung, Regulierung und Bewahrung der Wasserquellen ein. Die Mitglieder der Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation (WTO) haben die rechtliche und moralische Verpflichtung, unsere fundamentalen Menschenrechte zu respektieren, und sie müssen daher unsere Interessen und Rechte am Wasser anerkennen." In die Pflicht genommen werden besonders die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, alle regionalen Banken und Investmentinstitute. Sie sollen künftig keine Kredite mehr für solche Projekte vergeben. Außerdem verlangen sie von den Staaten, die bereits getroffenen internationalen Vereinbarungen zum Schutz der indigenen Völker einzuhalten. Die indigenen Völker fordern ihre Staaten auf, sie zu respektieren und zu schützen. Ohne die Anerkennung der Rechte der Ureinwohnervölker bleibt die Globalisierung reiner Kolonialismus.

Die ILO-Konvention 169 legt als einziges Instrument des internationalen Rechts einen Katalog von Grundrechten für die Angehörigen der weltweit etwa 5.000 Ureinwohnervölker fest. Abgesichert werden in der Übereinkunft unter anderem das Recht auf kulturelle Identität, gemeinschaftliche Strukturen und Traditionen, auf Land und Ressourcen, Beschäftigung und angemessene Arbeitsbedingungen, Ausbildung und Zugang zu den Kommunikationsmitteln, auf Beteiligung an diese Völker betreffenden Entscheidungen sowie die Gleichberechtigung vor Verwaltung und Justiz. Bisher haben 17 Staaten die ILO-Konvention 169 unterzeichnet.

Der uneingeschränkte Freihandel provozierte 1994 im mexikanischen Bundesstaat Chiapas die zapatistische Revolte. Eine Rebellion gegen die nordamerikanische Freihandelszone Nafta, die von indigenen, bäuerlichen und Gewerkschaftsorganisationen nicht nur in Mexiko als ein Angriff auf die wenigen Besitzstände empfunden wird. Der medial optimal in Szene gesetzte Zapatisten-Aufstand machte eines deutlich – indigene Völker wollen mitbestimmen, besonders über ihre Zukunft. Sie fordern Teilhabe, Emanzipation und Mitbestimmung ein. 1999, bei der globalisierungskritischen Kundgebung gegen die WTO in Seattle, meldeten sich auch indigene Organisationen zu Wort. Sie warfen der Welthandelsorganisation WTO vor, mit ihren schrankenlosen Liberalisierungsplänen die kulturelle und biologische Vielfalt zu gefährden. Liberalisierung des Handels und auf den Export orientierte Entwicklung, die vorherrschenden Prinzipien und Verfahrensweise, die von der WTO gefördert werden, wirken sich verheerend auf das Leben indigener Völker aus.

Das Recht auf Selbstbestimmung, die Souveränität als Nationen sowie Verträge und andere Vereinbarungen, die zwischen indigenen Völkern und Nationen und anderen Nationalstaaten ausgehandelt wurden, werden von den meisten WTO-Vereinbarungen unterlaufen. Die Auswirkungen dieser Vereinbarungen auf die indigenen Gemeinschaften, ob durch Umweltzerstörung oder Militarisierung und Gewalt, von denen Entwicklungsprojekte häufig begleitet werden, sind schwerwiegend.

Die WTO-Vereinbarung zu Landwirtschaft (Agreement on Agriculture/AOA) fördert den Exportwettbewerb und die Liberalisierung der Importe. Dadurch werden bäuerliche Kleinbetriebe durch die kommerzielle Plantagenwirtschaft verdrängt. Unzählige Menschen indigener Gemeinschaften wurden dadurch bereits entwurzelt und sind in nahe gelegene Städte abgewandert, wo sie nun die Schicht der Wohnungs- und Erwerbslosen bilden. Die WTO-Vereinbarung zu Produkten des Waldes setzt sich ein für den freien Handel mit aus dem Wald gewonnenen Erzeugnissen. Die Folge: Entwaldung vieler Ökosysteme. Die Bergbaugesetze vieler Länder werden verändert, um ausländischen Bergbaugesellschaften freien Zutritt zu verschaffen. Solche Unternehmungen verschmutzen den Boden, das Wasser und die Luft. Der Raub und die Patentierung der biogenetischen Ressourcen sind durch die WTO-Vereinbarung "Handelsbezogene Aspekte intellektueller Besitzrechte" (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights/TRIPs) – möglich geworden. Einige Ritual-Pflanzen sind in den USA, in Japan und in Europa bereits patentiert worden. Die TRIPs-Vereinbarung bedroht das intellektuelle Erbe der indigenen Völker.

Die Grundsatzvereinbarung zu Dienstleistungen (General Agreement of Services/GATS) schließlich setzt sich für eine Liberalisierung von Investitionen und Dienstleistungen ein. Sie verstärkt die Beherrschung und das Monopol ausländischer Wirtschaftsunternehmen in strategisch wichtigen Bereichen der Wirtschaft. Weltbank und Weltwährungsfonds legen die Voraussetzungen für die Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung in Ländern fest, die sich in der Schuldenfalle gefangen haben. Diese Bedingungen sind von der WTO zusätzlich verstärkt worden.

Überleben oder nicht Überleben

45.000 Staudämme wurden in den letzten 50 Jahren weltweit errichtet. Mindestens 30 Millionen Ureinwohner wurden für ihren Bau vertrieben. Zwangsumsiedlungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen sind beim Bau von Großstaudämmen alltäglich. Meist wurden die Folgen der Großprojekte für die Urbevölkerung bei der Planung nicht berücksichtigt. Die Betroffenen wurden enteignet, Entschädigungszahlungen verweigert. Doch selbst wenn Schadensersatz geleistet wird, kann dies den Verlust der traditionellen Lebensweise und die Vernichtung bedeutender Kulturgüter der Urbevölkerung nicht ersetzen. Für viele Ureinwohner und Angehörige ethnischer Minderheiten bedeutet die Überflutung ihres Landes nicht nur den Verlust ihrer Häuser, sondern auch die Zerstörung ihrer traditionellen Lebensweise, ihrer Kultur und Identität. Im November 2000 veröffentlichte die auf Initiative von Weltbank und Umweltschutzorganisationen entstandene Weltstaudamm-Kommission (World Comission on Dams) einen bahnbrechenden Bericht, in dem die ökologischen und sozialen Folgen des Baus von Großstaudämmen umfassend dokumentiert und zahlreiche tief greifende Reformen bei der Planung und Umsetzung von Bewässerungs- und Energieprojekten angemahnt werden. So müsse der konkrete Energiebedarf zunächst von unabhängigen Experten ermittelt werden. Zu häufig würden Staudämme überdimensioniert geplant, da es an realistischen Bedarfsanalysen fehle. Auch müsse zunächst in Absprache mit der betroffenen Bevölkerung geklärt werden, ob es nicht im konkreten Fall Alternativen zum Bau eines Großstaudammes gebe, die Umwelt und Menschen weniger beeinträchtigten. Der Bau sollte erst beschlossen werden, wenn alle Betroffenen ihre Zustimmung erteilt hätten.

Weitere Informationen:

Indigenous Environmental Network USA/Canada -- www.ienearth.org

Seventh Generation Fund/USA -- www.7genfund.org

International Indian Treaty Council --- www.treatycouncil.org

Indigenous Peoples Council on Biocolonialism -- www.ipcb.org

Abya Yala Fund -- ayf.nativeweb.org/contents.htm

TEBTEBBA -- www.tebtebba.org