16.11.2009

Rat indischer Christen ruft dazu auf, Straflosigkeit für Pogrome endlich zu beenden

Indien : Christen in Asiens größter Demokratie warten vergeblich auf Gerechtigkeit

(Foto: James Albert)


Fünfzehn Monate nach Beginn pogromartiger Ausschreitungen gegen christliche Ureinwohner im Bundesstaat Orissa in Indien warten die Opfer gewalttätiger Übergriffe extremistischer Hindu noch immer auf eine angemessene Bestrafung der Gewalttäter. In einem Fax-Schreiben an den indischen Premierminister Manmohan Singh kritisierte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen am Montag: "Indiens Ruf als Demokratie steht auf dem Spiel, wenn politisch motivierte Morde, Brandstiftungen, Plünderungen und die massenhafte Vertreibung von christlichen Adivasi-Ureinwohnern ungesühnt und fast alle Verantwortlichen für die Gewalt straffrei bleiben." Vertreter des Rates der indischen Christen, vertriebene Ureinwohner, Bürgerrechtsorganisationen und Rechtsanwälte riefen Ende vergangener Woche gemeinsam dazu auf, die Straflosigkeit zu beenden.

 

Bislang seien nur 24 Personen wegen Gewalttaten bei den wochenlangen Ausschreitungen im Kandhamal-Bezirk im August und September 2008 verurteilt worden, 95 Angeklagte seien mangels Beweisen freigesprochen worden, berichtete der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Obwohl die Opfer der Gewalt mehr als 2.500 Strafanzeigen bei der Polizei erstatteten, in denen 11.000 Verdächtige genannt wurden, seien nur 827 Ermittlungsverfahren eingeleitet und weniger als 700 Personen verhaftet worden. Einer der Freigesprochenen ist der Landtagsabgeordnete der radikal hinduistischen Partei BJP, Manoj Pradhan. Der Parlamentarier gilt als einer der Drahtzieher der Ausschreitungen. Inzwischen wurde er bereits in fünf Fällen vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen, da es keine eindeutigen Beweise für seine Beteiligung an den Taten gebe. Weitere zehn Verfahren sind gegen ihn anhängig.

 

Dringend müssten die Verfahren an Gerichte außerhalb der Krisenregion verwiesen werden, da in Kandhamal ein fairer Prozess nicht möglich sei, fordern Rechtsanwälte der Christen. So seien die Richter meist befangen, viele Zeugen würden nicht befragt, auch würden Zeugen systematisch bedroht und eingeschüchtert.

 

Nach der Ermordung des radikalen Hindu-Führers Swami Laxmanananda Saraswati am 23. August 2008 durch maoistische Rebellen hatten Hindu-Extremisten Christen für das Verbrechen verantwortlich gemacht und den Kandhamal-Bezirk mit einer Welle der Gewalt überzogen. Gut organisierte Hindu-Banden hatten unmittelbar nach dem Mord gezielt 315 Dörfer christlicher Adivasi-Ureinwohner angegriffen und 120 Menschen ermordet, unter ihnen zehn Pastoren und Nonnen. 50.000 Christen mussten fliehen, 252 Kirchen und 13 christliche Schulen wurden zerstört, 4.640 Häuser geplündert und niedergebrannt.

 

Ulrich Delius ist auch erreichbar unter asien@gfbv.de