14.06.2005

Rassismus und Diskriminierung in Indonesien

Seit der Machtergreifung des "New Order"-Regimes vor 35 Jahren sehen sich viele Minderheiten in Indonesien Rassismus und Diskriminierung von Seiten des Staates ausgesetzt. Grundlage dessen ist eine vielschichtige Gesetzgebung. Manche dieser Gesetze zielen unmittelbar auf die ethnischen Chinesen ab. Mindestens 62 derartige Gesetze sind in der derzeit gültigen Gesetzgebung Indonesiens bekannt. Diese Bestimmungen regeln verschiedene Bereiche des Alltagslebens wie zum Beispiel Religion, Wirtschaft, Sitten und Gebräuche, Kultur und schränken die Rechte der jeweils betroffenen Minderheit in diesen Bereichen ein. Wir begrüßen, dass Präsident Gus Dur eine dieser Bestimmungen durch ein Dekret des Präsidenten aufgehoben hat; dies ist jedoch keineswegs ausreichend.

Aufgrund dieser Gesetzgebung ist rassistisch begründete Gewalt zu einem allgemeinen Phänomen in Indonesien geworden. 1998 wurden weibliche Angehörige der chinesischen Minderheit Opfer von Vergewaltigungen, die übrigen Angehörigen dieser Minderheit waren gewaltsamen Übergriffen, Brandschatzungen und Mord ausgesetzt. Zu diesen gewaltsamen Übergriffen kam es in Siedlungszentren wie Medan, Makassar, Jakarta und Solo. Rassenunruhen gab es ebenfalls 1997 zwischen Dayak, Malaien und Maduren in Kalimantan. Erst kürzlich kam es zu massenhaften Morden unter Zivilisten auf den Molukken, die verschiedenen Religionsgruppen angehörten. In geringerem Umfang kam es ebenso zu gegen Christen gerichteter Gewalt in Mataram und gegen Chinesen gerichtetem Aufruhr in Pekalongan.

Das Militär war an allen diesen Zwischenfällen rassistisch motivierter Gewalt passiv beteiligt, denn es versagte darin, Staatsbürger Indonesiens mit einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit zu schützen; alle erwähnten rassisch begründeten Unruhen sind krasse Beispiele dieser Unterlassungen seitens des Militärs. Ebenso wenig ist es bislang zu ernsthafter Strafverfolgung von rassisch begründeten Straftaten gekommen, noch wurde eine Systematik zum Schutz von Opfern oder Zeugen entwickelt. Die wenigen bislang existierenden Gegenbeispiele beschränkten sich auf inszenierte Verhaftungen und symbolische, oberflächliche Entschuldigungen.

Diese Gräben und diese Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen innerhalb der indonesischen Gesellschaft beruhen auf einem bewusst geförderten und immer wieder neu genährten Gefühl des Hasses gegenüber der ethnischen Gruppe der Chinesen. Die Verwendung offiziell anerkannter Worte und Begriffe mit einer ausgesprochen negativen Bedeutung zur Bezeichnung von Indonesiern chinesischer Abstammung lassen eine massive Trennmauer entstehen zwischen den Bürgern mit ethnisch chinesischer und denen mit anderer ethnischer Zugehörigkeit. Die Stigmatisierung ethnischer Chinesen wird zudem gefördert durch eine staatliche Assimilierungspolitik, die suggeriert, dass die chinesische Identität verborgen, verurteilt und so weit wie irgend möglich zurückgedrängt werden muss, um ein Verschmelzen mit dem Rest der Gesellschaft zu ermöglichen. Durch diese Politik werden die ethnischen Chinesen in Indonesien psychisch und physisch schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Religionsangelegenheiten unterliegen innerhalb der Gesellschaft Indonesiens vielen Regelungen. Der Staat hat hier besonders stark durch die Beschränkung der offiziellen und rechtlich zulässigen Religionen auf Islam, katholisches und des protestantisches Christentums, Hinduismus sowie Buddhismus eingegriffen. Die auf der Religion basierende Segregation wird besonders deutlich bei den Einschränkungen, denen Eheschließungen zwischen verschiedenen Religionsgruppen unterliegen. Viele Religionen werden als der offiziellen Anerkennung unwürdig betrachtet. Zu diesen gehört auch das Bekenntnis der Chinesen, der Konfuzianismus. Dies ist ein weiteres Beispiel von gegen die chinesische Minderheit gezielter Diskriminierung.

Es kann nicht überraschen, dass diese Umstände ebenfalls die Grundlage für viele Aufstände und Grausamkeiten sind, die sich in Indonesien ereignet haben, insbesondere während 1999, als die Frage von Rasse und ethnischer Zugehörigkeit zu sehr großen Gewaltausbrüchen geführt hat. Diskriminierung in ihrer extremsten Form nahm dabei die Züge eines Krieges zwischen Religionen an, von Massenmord an Zivilisten eines bestimmten Glaubensbekenntnisses, von der Zerstörung und dem Niederbrennen von Stätten der Andacht. Manche dieser Gewaltakte schienen gut organisiert zu sein, andere ereigneten sich spontan. Bei einigen dieser Zwischenfälle darf die aktive Rolle von Militärangehörigen und Provokateuren nicht unterschätzt werden, so etwa bei den Aufständen auf den Molukken während des gesamten Jahres 1999, in Mataram in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 und zuvor in Ketapang im November 1998.

Wir fordern die UN-Menschenrechtskommission eindringlich auf, Druck auf die Regierung Indonesiens, welche das CERD-Abkommen ratifiziert hat, auszuüben, damit sie ihren Verpflichtungen nachkommt und eine gegen Rassendiskriminierung gerichtete Gesetzgebung in Kraft setzt, um alle Bürger Indonesiens vor jeglicher Form von Diskriminierung zu schützen. Wir bitten den UNHCHR ebenfalls, sich für die Abschaffung der Verordnungen, die rassische und religiöse Diskriminierung regeln, einzusetzen. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei auf die Schlichtung und Vermeidung rassischer Konflikte sowie auf die Strafverfolgung jener, die solche Konflikte anzetteln und entflammen, gerichtet sein. Außerdem sollte sich die Regierung Indonesiens nicht länger in religiöse Angelegenheiten einmischen. Erst wenn diese Fragen gelöst sind, können Versöhnung und Entwicklung einer friedlichen Gesellschaft ohne Terror, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in Indonesien verwirklicht werden. Wir unterstützen die Untersuchungsergebnisse des Sonderberichterstatters der UN-Menschenrechtskommission für die Abschaffung rassischer und ethnischer Diskriminierung zu Indonesien.