19.10.2005

Prozess gegen Saddam Hussein nach 35 Jahren Genozid und Kriegsverbrechen

Irak: Bis zu eine Million Tote unter Diktator Saddam Hussein

Zum Auftakt des Prozesses gegen Saddam Hussein vor einem Sondertribunal in Bagdad erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) daran, dass allein die Kurden einschließlich der Yeziden und die christlichen Assyro-Chaldäer des Nordirak unter dem Regime der Baath Partei des irakischen Diktators 1968 bis 2003 etwa 500.000 und die Schiiten und Marscharaber etwa 400.000 Opfer zu beklagen hatten. Die GfbV weist darauf hin, dass außerdem Tausende von Angehörigen aller anderen irakischen Nationalitäten und Religionsgemeinschaften Vernichtungs- und Vertreibungsverbrechen zum Opfer gefallen sind. Die Kurden stellen 20% - 25%, die Schiiten 55% - 60% und die christlichen Assyro-Chaldäer etwa drei Prozent der mehr als 27 Millionen Einwohner des Irak.

 

"Wir haben als Menschenrechtsorganisation seit 1970 kontinuierlich die Kriegs- und Genozidverbrechen dokumentiert, sind für die Rechte der verfolgten Volksgruppen und Minderheiten des Irak eingetreten und haben humanitäre und Wiederaufbauinitiativen in die Wege geleitet", so GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. "Allein bei der so genannten Anfal-Offensive 1987/88 starben 182.000 Menschen, ganz überwiegend Kurden, entweder durch den Einsatz chemischer Kampfstoffe einen qualvollen Tod oder sie wurden - wenn sie den Giftgaseinsatz überlebt hatten - bei Massenerschießungen von Einsatzgruppen getötet oder sie starben während und nach der Zwangsumsiedlungen. 1988 wurden 8.000 Männer und Knaben des kurdischen Barzani-Stammes, unter ihnen auch die Männer eines christlichen Dorfes, entführt und liquidiert. Der Organisator der Anfal-Offensive, der Cousin Saddam Husseins, Ali Hassan Al-Majid, hat 100.000 Opfer eingestanden. Diesen Genozid haben Administration, Armee und Einsatzgruppen Saddams in allen Einzelheiten registriert und akribisch festgehalten. 14 Tonnen des Materials wurden in den USA von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gesichtet und analysiert.

 

Organisationen der Schiiten im Südirak beklagen 300.000 Tote seit 1991, unter ihnen 9.000 Geistliche. Diese Angaben werden von Menschenrechtlern bestätigt. Nach der planmäßigen Austrocknung der Marschen des Euphrat- und Tigris-Deltas wurden etwa 500.000 so genannte Marscharaber vertrieben. Zehntausende kamen bei Bombardements, durch Exekutionen und auf der Flucht ums Leben. Bereits Mitte der 70-er Jahre hatte die Baath-Partei die ohnehin nur noch 3.000 Mitglieder zählende jüdische Gemeinschaft nach öffentlichen Hinrichtungen und Verfolgungen fast ausnahmslos aus dem Lande gejagt.

 

Weiteren Massakern, Einzel- und Massenhinrichtungen fielen Vertreter aus allen Oppositionsparteien, Intellektuelle und Angehörige der Arbeiter- und Frauenbewegung zum Opfer. Zahlreiche Emigranten wurden in ihrem Gastland von irakischen Agenten ermordet. Saddam Hussein ließ Tausende Angehörige des Regimes, darunter Diplomaten, Geheimdienstler, Mitglieder des Offizierkorps und sogar seiner Republikanischen Garden sowie seiner Familie liquidieren.

 

Die GfbV kritisiert, dass die westeuropäischen Staaten, die USA, die damalige Sowjetunion und ihre Satelliten, insbesondere die DDR, viele dieser Verbrechen durch Lieferungen von Waffen und militärischem Know-how, durch enge diplomatische, ökonomische und politische Zusammenarbeit erst ermöglicht haben. Eine Reihe deutscher Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland haben wesentlichen Anteil am Aufbau der irakischen Giftgasindustrie gehabt.