06.12.2005

Prozess gegen Ibo-Führer: Millionen Menschen protestieren mit Generalstreik im Südosten Nigerias

Nigeria droht Zerreißprobe - Völkermord in Biafra nicht länger tabuisieren

Nigeria droht eine Zerreißprobe, wenn es den Völkermord in Biafra noch länger tabuisiert, befürchtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Angesichts des Massenprotestes von mehreren Millionen Ibo gegen den am Dienstag beginnenden Hochverrats-Prozess gegen den Ibo-Führer Ralph Uwazuruike und sechs seiner Mitstreiter in Nigeria erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen: "Der Südosten Nigerias gleicht einem Pulverfass. Die Mehrheit der Ibo akzeptiert nicht länger, dass das offizielle Nigeria zum Genozid in Biafra 1967 bis 1970 mit mehr als einer Million Opfern unter den Ibo schweigt." Mehrere Millionen Ibo hatten am Montag mit einem Generalstreik das öffentliche Leben im Südosten Nigerias weitgehend lahm gelegt. Schulen, Geschäfte, Banken und Tankstellen blieben geschlossen. Die Ibo stellen mit bis zu 40 Millionen Angehörigen etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung Nigerias.

 

Die GfbV warnte vor einer Kriminalisierung der Biafra-Bewegung, denn dies werde die ohnehin bestehenden Spannungen im Südosten Nigerias weiter eskalieren lassen. Uwazuruike und seine sechs Mitstreiter von der "Bewegung für die Aktualisierung des Souveränen Staates Biafra" (MASSOB) werden des Separatismus beschuldigt.

 

Uwazuruike hatte seine Bewegung 1999 gegründet, um sich gewaltlos für das Selbstbestimmungsrecht Biafras einzusetzen. Seit Beginn des Jahres 2005 waren immer häufiger Veranstaltungen der MASSOB verboten und Unterstützer verhaftet worden. Am 25. Oktober 2005 wurde Uwazuruike schließlich vom State Security Service verhaftet und am 8. November vom Höchsten Gerichtshof Nigerias angeklagt, "einen Krieg zu führen, um den Präsidenten der Bundesrepublik Nigeria zu stürzen".

 

Seit der Inhaftierung des MASSOB-Führers ist die Sicherheitslage im Südosten Nigerias äußerst angespannt. Mit brutaler Gewalt schlägt die Polizei Proteste der Ibo nieder. Mehrere Menschen wurden bereits bei Demonstrationen von Sicherheitskräften getötet. "Offenbar will Staatspräsident Olusegun Obasanjo vor den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 Härte gegen mutmaßliche "Separatisten" in dem Vielvölkerstaat demonstrieren", sagte Delius. Daher hätte er auch einen weiteren Führer einer Protestbewegung der Ureinwohner aus dem Nigerdelta, Alhaji Asari Dokubo, am 20. September 2005 festnehmen und des Hochverrates anklagen lassen.