22.01.2008

Proteste gegen Flussumleitung in Brasilien gehen weiter

Hungerstreik von Dom Cappio beendet

Dom Cappio

Am 20. Dezember 2007 hat Bischof Dom Cappio seinen Hungerstreik gegen die Umleitung des Rio São Francisco (Trasposiçao) beendet. Er war zusammengebrochen, nachdem der gegen die Bauarbeiten verhängte Baustopp aufgehoben worden war. Bei einer Messe am Abend desselben Tages, der er im Rollstuhl sitzend beiwohnte, gab er den anwesenden etwa 700 Teilnehmern seine Entscheidung bekannt. Mittlerweile hat sich Dom Luiz gut erholt und erfreut sich wieder bester Gesundheit.

Der Widerstand gegen die Umleitung des Flusses Rio São Francisco geht damit in eine neue Runde: Als nächster wichtiger Schritt der Widerstandsbewegung ist für Ende Februar eine große Konferenz zum Thema Flussumleitung geplant. Sie wird in Sobradinho stattfinden und soll an die Mobilisierung der letzten Wochen anknüpfen.

Die unmenschliche "Transposição" muss gestoppt werden!

In der Halbwüste Nordostbrasiliens leiden Tausende Indianer und Afro-Brasilianer schon heute unter der Trockenheit. Trotzdem plant die Regierung Lula da Silva, den 2.800 km langen Rio São Francisco, die wichtigste Wasserquelle der Region, umzuleiten um Plantagen von Großgrundbesitzern und Garnelenzuchtbetriebe zu bewässern.

Im Einzugbereich des "Transposição" genannten Großprojektes liegen 34 indianische Gebiete und 153 Siedlungen der "Quilombolas" (Afro-Brasilianer). Die meisten Ureinwohner leben vom Fischfang und Reisanbau – ihre Existenz wäre durch die Flussumleitung massiv bedroht, denn dadurch würde der Rio São Francisco, der bereits unter den Staudämmen von Sobradinho und Itaparica leidet, noch stärker austrocknen. Die direkten Flussanrainer müssten überdies mit ihrer Umsiedlung rechnen.

Die Transposição ist ein Prestigeprojekt der Regierung Lula da Silva. Zwei Kanäle mit einer Länge von insgesamt 700 km sollen über mehrere große Pumpstationen das Wasser des Flusses nach Norden befördern. Angeblich soll so die Trinkwasserversorgung für 12 Millionen Menschen im Nordostbrasiliens gesichert werden. Tatsächlich würden jedoch nur magere vier Prozent des Wassers auch in die bedürftigen privaten Haushalte gelangen. Der größte Teil soll für exportorientierte Betriebe im Zuckerrohranbau, für Obstplantagen und die Garnelenzucht sowie für die Stahlindustrie im Großraum Fortaleza genutzt werden. Im Sommer 2007 wurde bereits mit den Erdarbeiten für die Kanalbauten begonnen, obwohl das Genehmigungsverfahren noch gar nicht abgeschlossen war. Als Arbeiter sind Soldaten im Einsatz.

Zu den von der geplanten Flussumleitung Hauptbetroffenen gehören die etwa 3.000 Tumbalalá- und etwa 4.000 Truka–Indianer. Der Nordkanal soll in unmittelbarer Nähe der von ihnen bewohnten Region rund um die Stadt Cabrobó erbaut werden. Sie haben durch den Staudamm von Sobradinho schon ihre besten Reisfelder verloren. Nun ist auch ihre zweite Existenzgrundlage, der Fischfang, in Gefahr, denn durch das erneute Absenken des Flusses werden die Fische immer weniger werden. Vom Bau des Ostkanals werden die etwa 3000 Kambiwá und die etwa 1000 Pipipã betroffen sein. Ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden mit Sicherheit auch die etwa 3.500 Anacé und die etwa 2.800 Tapeba, die in Gebieten leben, wo die neuen Kanäle große Projekte der Stahlindustrie ermöglichen sollen.

Weil sich die "Transposição" weder ökologisch noch wirtschaftlich rechnet, noch dem Großteil der Bevölkerung im Sinn von Armutsbekämpfung zugute kommt, lehnte die Weltbank bereits einen Kredit ab. Indianer und Quilombolas wurden in die Planung des Projektes nicht eingebunden, obwohl ihre Landrechte und ihre Wirtschaftsweise davon berührt werden. Dadurch verstößt Brasilien gegen die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, einer Unterorganisation der UN, die unter anderem die Landrechte von Ureinwohnern schützt. Brasilien hat die Konvention 2002 ratifiziert.

Gewaltlose Proteste – weltweite Solidarität

Ein breites Bündnis aus Indianern, Quilombolas, Landlosen und anderen sozialen Gruppen wendet sich seit Jahren vehement, aber mit friedlichen Mitteln gegen das Projekt. So wurde im Sommer 2007 acht Tage lang ein bereits enteignetes Stück Land in der Nähe des Kanal-Bauplatzes besetzt, bis das Camp von Polizeikräften abgeriegelt und geräumt wurde.

Als Symbolfigur der Widerstandsbewegung gilt der Bischof der Diözese Barra im brasilianischen Bundesstaat Bahia, Dom Luiz Flávio Cappio. Er ist bereits mehrfach in Hungerstreik getreten, um die Regierung Lula da Silva dazu zu bewegen, die Bauarbeiten einzustellen und den Dialog mit den Projektgegnern wieder aufzunehmen, den sie 2005 abgebrochen hat.

Bitte unterstützen Sie Dom Cappio bzw. die Indianer, Quilombolas und Landlosen in Nordostbrasilien, indem Sie sich mit uns dafür einsetzen, dass die Bauarbeiten an der Transposição beendet werden!

Bitte unterstützen Sie unsere Menschenrechtsarbeit für bedrohte Völker mit einer Spende. Auch kleine Beträge helfen. Vielen Dank!

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