28.10.2008

PRESSEMITTEILUNG der Gesellschaft für bedrohte Völker

Anhang 2 zur

Berlin, den 24. Oktober 2008

Nach Kinostart von "Anonyma - Eine Frau in Berlin"

Deutsche Vergewaltigungsopfer wenden sich an die Öffentlichkeit

Anlässlich der Deutschland-Filmpremiere von "Anonyma - eine Frau in

Berlin"

Dass dieser Film jetzt gezeigt wird, begrüßen wir. Es ist an der Zeit, auch diese Situation über einen Spielfilm in der Öffentlichkeit so darzustellen, dass eine Vorstellung von den Geschehnissen entstehen kann. Der Film zeigt aber nicht die Gräueltaten, wie wir sie erlebten und die uns zu Opfern des Krieges gemacht haben.

Wir appellieren an die deutsche Öffentlich und insbesondere an die Medien und die politischen Parteien, dass unsere Leiden als unschuldige Opfer endlich anerkannt werden.

Seit langem vermissen wir, den ehrlich gemeinten Trost für unsere seelischen Schmerzen, denn diese verfolgen uns bis heute.

Wir konnten nicht entkommen - die Truppen zogen durch unser Land. Von Ende Januar 1945 bis zum Mai (und oft noch viel länger) waren wir Freiwild. Nicht einmal, nicht zweimal - wir erlebten es ständig und manchmal hintereinander.

Sie nahmen sich alles, auch Frauen und Kinder. Unter uns waren viele Kinder. Die Mütter konnten sie nur schützen, indem sie sich selbst opferten.

Die Folgen spüren wir bis heute:

Unseren eigenen Männern haben wir verschwiegen, was wir erlebt hatten. Geschlechtskrankheiten waren bis zur Ehe ausgeheilt, aber oft blieb die Kinderlosigkeit. Wir lebten in tausenden Dörfern und Städten und erlebten die Hölle, die Todesangst, die ständige Gefahr, die von den sowjetischen Soldaten ausging.

Wir wissen, dass unsere damalige Angst bis heute in uns schlummert. Wir fürchten uns vor unseren eigenen Träumen. Wir sind seelisch verletzt, vielleicht krank. Wir erhalten keine Heilbehandlung für diesen Schmerz, für dieses Trauma. Wir ertragen es bis heute, aber - es liegt ja so lange zurück und bedarf nicht der Heilung, wird uns gesagt. Wir wurden nicht als Kriegsopfer anerkannt, wie die Männer, die im Kampf ihre Glieder verloren, die geheilt und entschädigt wurden und Renten erhielten. Was haben wir unseren Kindern hinterlassen -Angst? Furcht? Misstrauen? Oder Vertrauen?

Wir haben uns aktiv eingesetzt für Frieden und Versöhnung - unsere Schwestern dort erleben aber wieder Kriege und Kriegsverbrechen, wie wir sie erlitten haben, in Bosnien-Herzegowina und jetzt in Darfur. Und wieder sind Frauen und Kinder die Opfer, ohne dass sie für ihren Kampf entschädigt oder berentet werden.

Wir appellieren an die Öffentlichkeit: Nehmt unsere Leidern wahr und tröstet uns. Dann können unsere Tränen helfen, dass weitere Konflikte und Kriege um alles in der Welt vermieden werden!

Wir brechen das Schweigen um zukünftiges Leid zu verhindern

Der Frauenverband im BdV e.V