27.01.2010

Präsident Karzai besucht Berlin vor Londoner Konferenz. Karzai-Regierung verletzt Menschenrechte

Afghanistan:


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat dem afghanischen

Staatspräsidenten Hamid Karzai vorgeworfen, massiv Menschenrechte zu

verletzen. "Jede weitere Hilfe für die afghanische Regierung muss von einer

Verbesserung der Menschenrechtslage abhängig gemacht werden", erklärte

der GfbV-Afghanistan Experte Tillmann Schmalzried. Deutschland habe

sich mit der Konferenz auf dem Petersberg (bei Bonn) im Dezember 2001

engagiert für den Aufbau eines afghanischen Rechtsstaates eingesetzt. Der

Bundesregierung dürfe nicht gleichgültig sein, dass die Menschenrechtslage

in Nordafghanistan, im Einsatzgebiet der Bundeswehr, besonders sei.

 

Seit Juli 2008 seien in der nordafghanischen Provinz Balkh mehr als 25

politisch motivierte Morde an führenden Persönlichkeiten der

paschtunischen Minderheit von regierungsnahen Sicherheitsdiensten verübt

worden. In der Nachbarprovinz Sar-e Pol seien seit Januar 2009 rund 170

Paschtunen willkürlich ermordet worden. Für diese Morde verantwortlich

seien drei Milizen, deren Kommandeure unmittelbar Koalitionspartnern der

neuen Karzai-Regierung unterstellt seien. Mehr als 130.000 Paschtunen,

Kaschqai (afghanische Araber) und Kuchi-Nomaden seien vor den

Übergriffen geflohen, zum Teil in zentralasiatische Nachbarländer. Die

Fluchtbewegung halte noch immer an.

 

Doch nicht nur die mit dem afghanischen Präsidenten verbündeten

Warlords seien für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, sondern

auch Karzai persönlich. Besonders schockierend sei der Fall der

afghanischen Schriftstellerin und Journalistin Mahsa Taee, die im Juli 2009

mit ihren beiden Kindern nach Norddeutschland floh. Gemeinsam mit ihrem

Ehemann, dem Verleger Ahmad Hashemi, publizierte sie in Afghanistan

eine landesweit verbreitete Tageszeitung (Payam Daily, Auflage 70.000).

Nach zehnmonatigem Erscheinen wurde die Zeitung am 10. Januar 2009

von der Regierung Karzai verboten, weil in einem Artikel angeblich der Islam

beleidigt worden sei. Frau Taee wurde verhaftet, kam jedoch nach

Intervention eines Ministers wieder frei. Ins Ausland floh sie, nachdem sie

vom Geheimdienst bedroht worden war und ein Mordanschlag auf sie und

ihren neunjährigen Sohn verübt wurde.

 

Ihr Ehemann, der sich zum Zeitpunkt des Verbots im Ausland aufhielt,

musste untertauchen, um der von der Regierung Karzai beantragten

Auslieferung zu entgehen. In Afghanistan drohen ihm eine langjährige

Haftstrafe oder die Verurteilung zum Tode. Obwohl sich vier führende

Politiker aus Nordafghanistan für eine Aufhebung der Haftbefehle

einsetzten, bestand Karzai auf die Vollstreckung. Auf persönliche

Anordnung Karzais wurde ein kritisches Buch von Frau Taee über

Korruption und Machtmissbrauch der afghanischen Regierung noch am

Tage der Veröffentlichung beschlagnahmt und eingestampft. Ein weiteres

Buch der Publizistin über das afghanische Parlament erlitt dasselbe

Schicksal.