31.05.2006

Politische Mapuche-Gefangene brechen Hungerstreik ab

Mapuche / Chile

Die vier Mapuche-Aktivisten Florencio Jaime Marileo Saravia und José Patricio Marileo Saravia, Juan Carlos Huenulao Lemil und Patricia Roxana Troncoso Robles, haben ihren am 13. März 2006 begonnenen Hungerstreik am vergangenen Wochenende abgebrochen. Sie wurden sofort auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Temuco verlegt.

 

Das Ende des Hungerstreiks ist einer Vermittlergruppe unter der Führung des Senators Alejandro Navarro zu verdanken, der auch der Bischof von Temuco und vier Lonkos (Mapucheführer) angehören.

 

Bereits vor zwei Wochen hatte Senator Alejandro Navarro dem chilenischen Kongress einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der es der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet unter anderem ermöglichen würde, den vier Mapuche eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung zu gewähren. Diese Möglichkeit ist im Anti-Terrorismusgesetz derzeit nicht eingeschlossen. Diese Gesetzesänderung muss vom Kongress verabschiedet werden und wird dort derzeit debattiert.

 

Die vier Mapuche wollen eine Überprüfung der Verfahren erreichen, mit denen sie zu Haftstrafen über 10 Jahre und hohen Geldstrafen von mehr als 400 Millionen Chilenischen Pesos (ca. 620.000 Euro) verurteilt wurden. Sie wurden auf der Grundlage des noch aus der Pinochetzeit stammenden Anti-Terrorismusgesetzes (Ley 18.314) abgeurteilt, weil sie an einer Landbesetzung teilgenommen hatten, um dagegen zu protestieren, dass den Mapuche bis heute ihre Landrechte vorenthalten bleiben. Dabei wurde auch ein landwirtschaftliches Fahrzeug in Brand gesetzt. "Terroristische Brandstiftung" und Landbesetzung sind Standardvorwürfe in gegen Mapuche geführte Verfahren, in denen das Anti-Terrorismusgesetz die Grundlage bildet.

 

Nach einer besonders langen Untersuchungshaft (bis zu eineinhalb Jahren) zeichnete sich dieser Prozess durch gravierende Unregelmäßigkeiten aus: das Recht auf Verteidigung wurde beschränkt, das Urteil stützt sich auf Zeugen, deren Identität der Verteidigung unbekannt blieb ("Zeugen ohne Gesicht") und deren Aussagen somit nicht geprüft werden konnten.

 

Die Anwendung des Antiterrorismus-Gesetzes (Gesetz Nr. 18.314) gegen Mapuche-Führer, die sich gegen den Raub ihres Landes einsetzen, und die Zulassung anonymer Zeugen ist von verschiedenen internationalen Organisationen, darunter auch die Gesellschaft für bedrohte Völker, bereits mehrfach kritisiert worden. Im Jahr 2003 hat Rodolfo Stavenhagen, Verantwortlicher für indigene Angelegenheiten bei den Vereinten Nationen, die chilenische Regierung aufgefordert, sie solle endlich Maßnahmen ergreifen, damit das Volk der Mapuche wegen seiner legitimen Proteste gegen Landraub und sozialer Benachteiligung nicht kriminalisiert werde. Zum selben Schluss kam auch das Komitee für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Vereinten Nationen in seinem letzten Chile-Report. Außerdem liegen bei der interamerikanischen Kommission für Menschenrechte fünf Eingaben gegen die chilenische Regierung. Sie betreffen allesamt Prozesse gegen Mapuche, die wegen des Antiterrorismus-Gesetzes gerichtlich belangt wurden.