29.04.2005

Politik der Antiterrorkoalition hat Tausenden unschuldigen Zivilisten das Leben gekostet

"Hand in Hand mit Diktatoren"

Die so genannte Antiterrorkoalition unter Führung der USA hat weltweit Diktaturen gestärkt und die Verfolgung oder blutige Unterdrückung von Minderheiten in vielen Ländern eskalieren lassen. Diese ernüchternde Bilanz kann ein Jahr nach den Terroranschlägen gegen die USA gezogen werden. Statt die Ursachen des Terrors zu bekämpfen und eine gerechte und dauerhafte Lösung von Konflikten durchzusetzen, drückt die Koalition auch bei schweren Menschenrechtsverletzungen beide Augen zu, um Partner zu gewinnen oder bei der Stange zu halten. Diese kurzsichtige Politik hat in den vergangenen Monaten Tausenden von unschuldigen Zivilisten das Leben gekostet. In einigen Fälle hat sie auch zu einer Radikalisierung des Widerstandes gegen Gewaltherrschaft beigetragen.

Eine Zukunft ohne Terror und Gewalt – für viele Menschen in Tschetschenien, in Tibet und Xinjiang, auf den Molukken und Aceh, im Südsudan und in den Nubabergen, im Kosovo und in Bosnien und in Kurdistan, in Pakistan und in Afghanistan ist das ein kaum noch vorstellbarer Traum. Tagtäglich sind sie als Angehörige ethnischer Minderheiten, Religionsgemeinschaften oder Volksgruppen unmittelbar bedroht. Doch sie fürchten sich nicht erst seit dem 11. September 2001 vor unberechenbaren Attentaten internationaler Terroristen wie die Menschen in den USA oder in Westeuropa. Ihr Leben und ihre Freiheit sind ständig (und seit Jahren) in Gefahr, weil sie unter fundamentalistischen Regimes oder Diktaturen leben müssen. Mit brutaler Gewalt gehen Polizei, Militär und Milizen gegen sie vor. Dem Terror der Sicherheitskräfte oder staatlich geduldeten übergriffen extremistischer Nachbarn sind Minderheiten seit Jahrzehnten ausgesetzt. Ihre Kinder sind in Unsicherheit und Angst aufgewachsen. Sie mussten Bombardements, Massenmord, Flucht und Vertreibung erleben und Todesangst, Hunger und Krankheit erleiden. Viele haben den Tod gesehen. Sie sind für ihr Leben gezeichnet. Bei manchen wächst mit dem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit eine zerstörerische Wut.

Doch die westlichen Regierungen - auch Deutschland - gehen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus Partnerschaften mit Militär- und Terrorregimes ein. Zu dieser Anti-Terror-Koalition gehören auch der Sudan, Pakistan, der Iran, China und Russland. Weil ihnen Deutschland, Europa und die USA die Hand reichen, fühlen sich die Gewaltherrscher bestätigt. Leidtragende sind Christen im Südsudan, Ahmadiyya-Muslime, Bahá'í, buddhistische Tibeter, muslimische Uiguren und Tschetschenen.

Diktaturen und Regimes, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, haben sich in der Vergangenheit verstärkt um Aufnahme in die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UN) bemüht. Denn mit ihrer Wahl in dieses 56 Staaten umfassende Gremium gelingt es ihnen eher, die Verurteilung ihres Landes durch die Kommission zu verhindern. So gehören ihr jetzt auch der Sudan, China und Russland an. Sie erschweren unabhängigen Nichtregierungsorganisationen wie der GfbV die Arbeit.

Den Opfern des Terrors weltweit helfen!

Wie die Menschen in vielen Ländern und Kontinenten haben jeden von uns die terroristischen Angriffe auf New York und Washington entsetzt. Man muss sie gemäß der UN-Konvention gegen Völkermord als Genozid bezeichnen. Schon heute könnten sich terroristische Schläge gegen Atomkraftwerke richten oder biologische und chemische Waffen zum Einsatz kommen. Nicht wenige Politiker haben Vergeltung verlangt. Terroristen gehören aber vor den Internationalen Strafgerichtshof, für dessen schnellen Aufbau die GfbV sich immer wieder eingesetzt hat. Allzu oft hat der Westen, haben die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten Demokratie im Munde geführt, aber Business und Waffenexporte gemeint. Deutsche Firmen haben im Irak wesentlich zum Aufbau der Giftgasindustrie beigetragen, die dann 150.000 Kurden und assyrische Christen tötete. 1,5 Millionen Südsudanesen starben durch Waffen, die aus westlichen Staaten stammen. Iran und Irak erhielten acht Jahre lang jede gewünschte Mordmaschine für ihren tödlichen Bruderkrieg, dem zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen. In Afghanistan brachten die USA selbst gemeinsam mit pakistanischen Militärs die Taliban und damit Osama Bin Laden an die Macht. Vier Jahre lang sah die westliche Welt dem Sterben der bosnischen Muslime in Sarajewo und Srebrenica tatenlos zu. Während zahlreiche Regierungen und Parteien harte und schnelle Maßnahmen befürworten, treten wir als Mahner für Menschenrechte, für die Isolierung von Terrorstaaten und die Unterstützung ihre Opfer ein.

Wer den Terrorismus besiegen will, muss ihm durch Schutz der Menschenrechte die Grundlagen entziehen. Der Westen dürfe nicht mit jedem "Schurkenstaat" paktieren, um die Attentäter von New York und Washington zu jagen, mahnt auch die angesehene Tageszeitung Washington Post. Schon längst biedern sich Russland und China als Partner der Antiterrorkoalition an, indem sie das dem Erdboden gleichgemachte Grosny in Tschetschenien und die Massenhinrichtungen von Uiguren in Ostturkestan oder die Verfolgung der Tibeter zum Teil der Terrorismusbekämpfung erklären. Doch es darf nicht sein, dass diktatorische Regimes staatlichen Terror zur Terrorismusbekämpfung umdefinieren können.

78 Staaten haben mittlerweile das Statut des Internationaler Strafgerichtshof ICC ratifiziert. Doch die USA üben seit Monaten massiven Druck auf die Unterzeichnerstaaten aus, in bilateralen Verträgen die Immunität von amerikanischen Staatsbürgern vor dem ICC zu garantieren. Rumänien, Osttimor, Israel und Usbekistan haben einen solchen Vertrag schon abgeschlossen. Die GfbV hat an alle EU Außenminister appelliert, die eindeutige Position gegen die Immunität von US Bürgern beizubehalten.

Für Flüchtlinge aus islamischen Ländern ist die Situation weltweit noch schwieriger geworden. Europa baut sich unter dem Eindruck, auch hier hätten Al-Kaida Terroristen unter dem Deckmantel des Asyls Unterschlupf gefunden und Netzwerke aufgebaut, zur Festung aus. Australien verweigerte einem Schiff mit Flüchtlingen aus Afghanistan tagelang die Einfahrt in seine Häfen. In dem Lager Woomera in der australischen Wüste werden Flüchtlinge ohne Perspektive monate- und jahrelang wie Strafgefangene festgehalten.

Hand in Hand mit Diktaturen

Statt die Ursachen des Terrors zu bekämpfen und sich für eine gerechte und dauerhafte Lösung von Konflikten einzusetzen, unter denen Muslime leiden, setzt die Anti-Terror-Koalition unter Führung der USA vor allem auf die Zerschlagung mutmaßlicher terroristischer Organisationen mit militärischen Mitteln. Konfliktlösung wird nur betrieben, wenn ein Auseinanderbrechen der Anti-Terror-Koalition droht (Beispiel: Kashmir). Ansonsten heißt die Devise: Weggucken und Aussitzen.

Afghanistan

Nach dem Sturz der Taliban gehen der Wiederaufbau und der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates nur sehr schleppend voran. Ohne eine Verbesserung der Sicherheitslage ist der Wiederaufbau ernsthaft gefährdet. Die internationale Schutztruppe ISAF verweigert jedoch eine Ausdehnung ihres Mandats auf Provinzen im Norden und Osten des Landes, in denen sich sogar auch Minister der afghanischen Regierung mit ihren Truppen Kämpfe liefern. Die Willkürherrschaft von Warlords ist für zahllose Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Die Anti-Terror-Koalition hat sich abgewandt von Afghanistan, die finanzielle Aufbauhilfe stockt. Die USA haben nichts getan zum Schutz bedrohter Demokraten (Fall Sima Samar) oder um die Wiedereinführung der Scharia zu verhindern. Auch protegieren sie zweifelhafte Warlords (General Abdul Rashid Dostum) und decken deren Menschenrechtsverletzungen (In der Nähe von Mazar -i -Sharif sollen Ende 2001 rund 1.000 gefangene Taliban von Dostums Truppen in luftdicht abgeschlossenen Containern erstickt worden sein. Bis heute wird eine Untersuchung des mutmaßlichen Massenmordes verschleppt). Alle Forderungen nach einer Aufklärung der Kriegsverbrechen der Nordallianz und einer Bestrafung der Verantwortlichen wurden von der Anti-Terror-Koalition bislang ignoriert.

Pakistan

Als sich Diktator Pervez Musharraf im Sommer 2002 neue Machtbefugnisse durch Verfassungsänderungen sicherte und sich in einer fragwürdigen Volksabstimmung für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen ließ, schwieg die Anti-Terror-Koalition. War Pakistan vor den Terroranschlägen des 11. September aufgrund seiner atomaren Aufrüstung politisch in der Welt isoliert, so wird es nun nach dem Rückzug vieler Taliban-Kämpfer in die Bergregionen Pakistans mit umfangreicher Hilfe als Bündnispartner umworben. Weder der Mangel an Demokratie, noch der zunehmende religiöse Extremismus, unter dem vor allem die muslimische Minderheit der Schiiten und der Ahmadiyya sowie Christen leiden, haben Pakistans herausragende Stellung in der Anti-Terror-Koalition beeinträchtigt. Mindestens 180 Schiiten und Christen fielen seit Januar 2001 Gewalttaten radikaler Muslime zum Opfer. Die versprochene Reform der umstrittenen Blasphemie-Gesetze wurde von Musharraf mit Rücksicht auf streng muslimische Kreise niemals realisiert, so dass Dutzende Christen und Ahmadiyya wegen vermeintlicher Gotteslästerung angeklagt und zum Teil auch zum Tode verurteilt wurden.

Kashmir

 

Mit dem Sturz der Taliban werden die Kräfteverhältnisse auf dem Subkontinent neu geordnet. Kashmir ist dabei nur ein Spielball zwischen den um die Vorherrschaft ringenden Staaten Indien und Pakistan. Beflügelt von der Anti-Terror-Koalition sah sich Indien im Herbst 2001 ermutigt, die Unabhängigkeitsbewegung in Kashmir militärisch zu zerschlagen und zu kriminalisieren. Das neue umstrittene Anti-Terror-Gesetz (POTO) räumt der Polizei weitreichende Kompetenzen bei der Repression in Kashmir ein und setzt grundlegende Bürgerrechte außer Kraft. Die Anti-Terror-Koalition ignorierte monatelang Indiens Politik der gezielten Eskalation in Kashmir. Erst als im Frühjahr 2002 der Ausbruch eines Krieges zwischen Indien und Pakistan und der Einsatz von Atomwaffen drohte, wurden amerikanische und britische Vermittler aktiv. Zwar verhinderten sie den Ausbruch eines offenen Krieges, doch zu einer langfristigen Lösung der Kashmir-Frage trugen sie nicht bei.

Indien

Die Anti-Terror-Koalition ignorierte weitgehend gegen Muslime gerichtete Pogrome, die von den Hindu-Extremisten der regierenden Bharatiya Janata Partei (BJP) gesteuert wurden. Im Bundesstaat Gujarat kamen dabei im Februar 2002 bis zu 2.000 Menschen ums Leben, mehr als 150.000 Muslime flohen aus dem Bundesstaat oder wurden vertrieben. Anhand vorgefertigter Listen wurden auf Anordnung der lokalen BJP Muslime ermordet. Die in New Delhi regierende BJP deckt diese völkermordartigen übergriffe bis heute. Für die westliche Staatengemeinschaft waren die Pogrome kein Thema, da Indiens Mitarbeit in der Anti-Terror-Koalition nicht gefährdet werden durfte.

Indonesien

Als bevölkerungsreichster muslimischer Staat wird Indonesien trotz eskalierender Menschenrechtsverletzungen in Aceh und Westpapua von der Anti-Terror-Koalition als Partner umworben. Täglich sterben in Aceh Zivilisten unter den Kugeln von Soldaten, allein seit Januar 2002 fielen 870 Acehnesen Menschenrechtsverletzungen zum Opfer. Die USA nehmen die militärische Zusammenarbeit mit Indonesien wieder auf, während die Armee in Westpapua führende Vertreter der um die Unabhängigkeit ringenden Urbevölkerung ermorden lässt und mit dem Aufbau von bewaffneten Milizen ein ähnliches Schreckensszenario wie in Osttimor 1999 vorbereitet. Anders als in Osttimor im Sommer 1999 denkt die Anti-Terror-Koalition jedoch nicht an eine Intervention zugunsten der Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Westpapua, sondern erwägt neue Waffenlieferungen für das mordende Militär, das Straffreiheit genießt.

Philippinen

Die USA entsandten im Januar 2002 Spezialeinheiten in den Süden des Landes, um der philippinischen Armee bei der Zerschlagung der gefürchteten Abu Sayaf-Terrorgruppe zu helfen. Nach der Liquidierung von mehreren hundert Abu Sayaf-Kämpfern verkündeten sie den Endsieg und wurden wieder aus den Philippinen abgezogen. Trotz der Erfolgsmeldung kam es im August erneut zu Entführungen durch Abu Sayaf. Die dahinter stehende Problematik des seit Jahrzehnten ungeklärten Status der diskriminierten muslimischen Minderheit in Mindanao interessierte die Anti-Terror-Koalition bislang nicht.

ASEAN

Die Südostasiatische Staatengemeinschaft unterzeichnete am 1. August ein übereinkommen mit der USA zur Bekämpfung des Terrorismus. Menschenrechtler aus Malaysia kritisierten, ihre Regierung missbrauche den Anti-Terror-Kampf um Regimegegner mundtot zu machen.

China

Die chinesische Führung versucht die Anti-Terror-Koalition für ihre brutale Unterdrückung von Regimekritikern, Meditationsbewegungen und Nationalitäten zu missbrauchen. Unablässig wirbt Chinas Diktator Jiang Zemin um internationale Unterstützung im Kampf gegen muslimische Uiguren, buddhistische Tibeter und Falun Gong Praktizierende, die pauschal als Terroristen diffamiert werden. Lange beugten sich die USA nicht dem chinesischen Druck, sondern kritisierten dabei öffentlich die brutale Repression gegen Uiguren. US-Präsident George Bush war dabei mutiger als Bundeskanzler Gerhard Schröder, der zu diesem Thema bei seinem Staatsbesuch in China im Oktober 2001 nicht nur schwieg, sondern sich auch noch von der chinesischen Führung instrumentalisieren ließ. Im Vorfeld des geplanten USA-Besuches von Präsident Jiang Zemin gab die US-Regierung dem chinesischen Drängen Ende August 2002 nach und nahm auch eine uigurische Splittergruppe in die US-Liste der am meisten gefürchteten Terrorgruppen auf. Eine fatale Entscheidung, die auch den friedlichen uigurischen Widerstand gegen die chinesische Herrschaft diskreditiert und die Uiguren in die Arme radikaler Muslime treibt. Seit dem Ende der Kulturrevolution war die Lage der Menschenrechte in China nicht so kritisch wie heute, doch der internationalen Staatengemeinschaft war es noch nicht einmal wert, über die katastrophale Entwicklung in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zu beraten.

Sudan

Vom Prügelknaben zum Musterschüler, das Verhältnis der USA zu dem für Völkermord verantwortlichen Regime im Sudan wandelte sich grundlegend im Zeichen der Anti-Terror-Koalition. Trotz 2,5 Millionen Toten im Südsudan rühmte sich der CIA im Herbst 2001 plötzlich der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit dem früher massiv kritisierten Diktator Omar al Bashir in Khartum, der Osama Bin Laden nicht nur jahrelang Asyl gewährt hatte, sondern ihn auch ungehindert Waffen ins Ausland verschieben ließ. Plötzlich war dies alles vergessen und die Beziehungen der USA zum Sudan wurden 2002 weitgehend normalisiert. Doch Bin Laden scheint auch weiterhin noch ausgezeichnete Kontakte zum Sudan zu unterhalten. Es wurde bekannt, dass er seine Goldvorräte aus Pakistan in den Sudan bringen ließ. Derweil üben die USA massiven Druck auf die Kriegsparteien im Sudan aus, um einen schnellen Friedensschluss zu erreichen. Umstrittene Gebietsansprüche und andere Streitfragen wurden zu Lasten der Zivilbevölkerung bei den Verhandlungen ausgeklammert, doch ohne deren Regelung wird es keinen dauerhaften und gerechten Frieden geben.

Algerien

Algeriens Diktator Abdelaziz Bouteflika hat von der Anti-Terror-Koalition nichts zu befürchten. Bouteflikas Regime ist nicht nur für seine brutale Zerschlagung radikal muslimischer Gruppen bekannt, sondern geht auch mit großer Härte gegen die demokratische Opposition vor. Dutzende für eine Demokratisierung protestierende Kabylen wurden seit April 2001 verhaftet. Systematisch kriminalisiert Algerien die Demokratiebewegung, die entscheidend von den Kabylen getragen wird. Doch international wird nur wenig Kritik laut, da Algerien als wichtiger Partner der Anti-Terror-Koalition gilt.

Westsahara

Ähnlich wie in Osttimor soll auch in der weitgehend von Marokko völkerrechtswidrig besetzten Westsahara die Bevölkerung nach dem Willen der Vereinten Nationen über ihre Zukunft abstimmen. Seit 10 Jahren blockiert Marokko alle Vorbereitungen eines Referendums. Die Anti-Terror-Koalition tat nun ein übriges, um eine Volksabstimmung in weite Zukunft rücken zu lassen. Nach der Verhaftung mutmaßlicher El Kaida-Terroristen in Marokko gingen die USA und Großbritannien auf Frankreichs Werben um eine Unterstützung der marokkanischen Position im Weltsicherheitsrat ein. Marokko lehnt jede Unabhängigkeit der Westsahara ab und ist nur bereit, eine Autonomie zu gewähren. Nur dem entschiedenen Widerstand anderer Staaten im Weltsicherheitsrat und den Protesten von Nichtregierungsorganisationen war es zu verdanken, dass sich Marokko nicht endgültig durchsetzen konnte bei der Abstimmung im Weltsicherheitsrat Ende Juli 2002.

Somalia

Mit ihrer in Somalia heftig kritisierten Entscheidung, die Konten der wichtigsten Bank Somalias wegen angeblicher Kontakte zu Terrororganisationen zu sperren und die al-Barakaat Bank vom internationalen Zahlungsverkehr zu verbannen, haben die USA den Wiederaufbau und die Konsolidierung des vom Krieg zerrütteten Somalia ernsthaft beeinträchtigt. Rund 80 Prozent der Somalis sind auf die überweisungen von Gastarbeitern über Konten der al-Barakaat Bank angewiesen.

Türkei

Die Türkei schickt Truppen nach Afghanistan. Eigentlich könnte sich der Nato-Partner das nicht leisten, denn nach jahrelangem Krieg gegen die Kurden liegt die Wirtschaft der Türkei am Boden. Südostanatolien ist ein zerstörtes Land. 3.428 kurdische Dörfer und Weiler liegen in Trümmern. 2,5 Millionen Menschen – überwiegend Kurden, aber auch einige assyrisch-aramäische Christen - sind Vertriebene im eigenen Land. Sie dürfen nicht zurückkehren und fristen ihr Leben in den neuen Elendsvierteln der Großstädte. Viele sind krank und unterernährt.

Flüchtlinge und Rückkehr/Situation von Minderheiten

Nach Annex VII des Daytoner Abkommens haben die bosnischen Flüchtlinge und Vertriebenen ungeachtet ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit das Recht auf Rückkehr in ihre Heimatorte. Bosnien-Herzegowina ist seit dem 24. April 2002 Vollmitglied im Europarat. Es hat damit die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unterzeichnet. Nach Angaben des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) sind jedoch seit August 2001 nur etwa 379 000 Flüchtlinge aus dem Ausland (von 1, 1 Mio) nach Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind 18 697 Nicht-Serben in die Republika Srpska zurückgekehrt, doch werden sie dort auf vielfache Weise von Ämtern, Polizei und Ministerien diskriminiert, so dass sie vielfach ein zweites Mal flüchten müssen.

Die SFOR-Truppen haben bis jetzt versäumt, alle Kriegsverbrecher, insbesondere in der Republika Srpska, festzunehmen und Elitetruppen zur Durchsetzung der Rückkehr einzusetzen. Die internationale Gemeinschaft vertreten durch den Hohen Vertreter der Internationalen Gemeinschaft hat sich geweigert, die Partei der serbischen Extremisten, gegründet von dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic zu verbieten, um eine der Hauptbarrieren für die Rückkehr der Minderheiten in die Republika Srpska zu beseitigen

Die westlichen Staaten und ihre Institutionen schrecken nicht davor zurück, die Finanzhilfen für die Republika Srpska zu gewähren, ohne sie von der Respektierung der Menschenrechte und der Aufnahme der nichtserbischen Flüchtlinge und Vertriebenem abhängig zu machen.

107 000 konnten nicht in ihre Herkunftsorte zurückkehren. Mindestens 700 000 Binnenflüchtlinge warten heute – sieben Jahre nach Kriegsende – auf die Rückkehr in ihre Heimat. Die Sicherheit der Rückkehrer ist nicht gewährleistet. Es gab zahlreiche gewaltsame übergriffe auf Rückkehrer in Janja, Bijeljina, Vlasenica, Prijedor, Kozarac, Vrbanja (Banja Luka) Srebrenica. Die Angriffe gegen Rückkehrer werden nicht strafverfolgt. Die Rückkehrer in der Republika Srpska erfahren Diskriminierung bei der Vergabe der Arbeitsplätze, bei der Ausbildung und der Beantragung von Sozialleistungen. Außerdem werden die Rückkehrprozesse durch die zunehmend geringe Bereitschaft ausländischer Regierungen verzögert, so dass die wenigen Rückkehrer in trostlosem Elend ausharren müssen.

Sieben Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton ist Bosnien-Herzegowina ein geteiltes Land. Heute steht einer der Hauptarchitekten dieses Vertrages, Serbiens früherer Staatschef Slobodan Milosevic als Angeklagter vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Milosevic wird unter anderem vorgeworfen, in Bosnien Genozid begangen zu haben. Der in Dayton entstandene bosnische Teilstaat Republika Srpska (RS) hat die "ethnische Säuberung" dieses Landesteiles (48 % der Gesamtfläche Bosniens) festgeschrieben. Die nichtserbische Hälfte der Bevölkerung wird auf vielfache Weise an der Rückkehr gehindert. Einige der Hauptschuldigen an dem Genozid, unter ihnen Radovan Karadzic und Ratko Mladic, befinden sich noch immer in Freiheit. Ihre Serbisch Demokratische Partei (SDS) beherrscht im wesentlichen den administrativen und politischen Apparat der bosnischen Teilrepublik. Serbisch-bosnische Regierung versucht in diesen Tagen das monströseste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit dem Ende des zweiten Weltkrieges, das Srebrenica – Massaker, zu verleugnen.