06.06.2008

Partnerschaft mit Folterknechten. Nanjing - Falsche Wahl für Göttingen?

Menschenrechtsreport Nr. 52: Nanjing

1. Zusammenfassung

Menschenrechtsverletzungen werden in der Volksrepublik China nicht nur in Peking und Lhasa verübt, sondern auch in der Metropole Nanjing, mit der Göttingen plant, eine Städtepartnerschaft einzugehen. Nanjing ist heute eine 6 Millionen Einwohner zählende Universitätsstadt und Hauptstadt der im Osten der Volksrepublik China gelegenen Provinz Jiangsu.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat in diesem Report die Verfolgung von Schriftstellern, Journalisten, eines Universitätsprofessors und zahlreicher Anhänger der Meditationsbewegung Falun Gong dokumentiert. Die beschriebenen Menschenrechtsverletzungen wurden in dem Zeitraum zwischen 1999 und April 2008 in den beiden Gefängnissen Nanjings, in Polizeistationen, in der Psychiatrischen Klinik sowie in Arbeits- und Umerziehungslagern begangen. Besonders im Mittelpunkt steht dabei das erst im Jahr 2003 eröffnete neue Frauengefängnis, das in den offiziellen chinesischen Medien als Modellprojekt für einen respektvollen Umgang mit Gefangenen gepriesen wird. Gerade in diesem Gefängnis werden viele Frauen aufgrund ihres Glaubensbekenntnisses unmenschlich behandelt und systematisch gefoltert.

Der Report macht deutlich, dass Menschenrechtsverletzungen in Nanjing nicht ausnahmsweise, sondern systematisch verübt werden, um Regierungskritiker ruhig zu stellen und Glaubensfreiheit zu unterdrücken. Besonders betroffen sind von der Verfolgung Anhänger der seit 1999 verbotenen Meditationsbewegung Falun Gong, die systematisch in der gesamten Volksrepublik von den Sicherheitsbehörden zerschlagen wird. Vor allem diese Opfer religiöser Verfolgung leiden in den zwei Gefängnissen Nanjings unter Misshandlung, Folter und unmenschlicher sowie entwürdigender Behandlung. Dokumentiert sind auch Todesfälle, die im Gefängnis oder unmittelbar nach der Entlassung von Gefangenen aufgrund von Misshandlungen während der Haft auftraten. Der Report dokumentiert aber auch Übergriffe auf Wanderarbeiter, den Missbrauch von Kinderarbeit sowie Menschenrechtsverletzungen bei Zwangsräumungen und bei der legalen Einforderung von Rechten durch chinesische Staatsbürger.

Niemand ist vor der Verfolgung sicher. Weder Universitätsprofessoren und –Dozenten, noch Schriftsteller, Journalisten oder führende Polizisten und Regierungsbeamte werden vor Übergriffen der Sicherheitskräfte geschont. Systematisch werden auch Familienangehörige gesuchter Personen bedroht, eingeschüchtert und verhaftet. Dokumentiert ist in dem Report, wie ein Universitätsprofessor zum Sachbearbeiter degradiert wird, weil er in Briefen an die Staatsführung ein Mehrparteiensystem für China gefordert hat. Der Ausschluss dieses Universitätsprofessors aus der offiziell geförderten "Chinesischen Demokratischen Liga" erinnert in fataler Weise an die alltägliche Verfolgung von Regimekritikern in der früheren DDR. Oder der Fall einer Universitätsdozentin, die als gesunde Frau in die Psychiatrie eingewiesen wurde und zwangsweise mit Medikamenten und Spritzen behandelt wurde, weil sie ihr Glaubensbekenntnis nicht aufgeben wollte. Erst Ende April 2008 war der im Gefängnis von Nanjing wegen seiner Kritik inhaftierte Schriftsteller und Journalist Yang Tongyan mit der bedeutendsten Auszeichnung des Internationalen PEN-Zentrums gewürdigt worden. Er muss wegen seiner Regierungskritik noch eine Haftstrafe bis zum Dezember 2017 verbüßen.

Deutlich wird ein eng geknüpftes System eines Sicherheitsapparates, der alle Einrichtungen des Staates nutzt, um den Allmachtanspruch der Kommunistischen Partei auch gewaltsam durchzusetzen. Dabei wird nicht unterschieden zwischen Stadt- und Universitätsverwaltung oder Polizei. Sogar die Psychiatrische Klinik Nanjing muss unter dem Diktat der Sicherheitskräfte medizinische Befunde ignorieren und sich für die politische Verfolgung instrumentalisieren lassen. Dies sollte jeder wissen, der sich für die Aufnahme einer Städtepartnerschaft mit Nanjing engagiert.


Unseren Menschenrechtsreport können Sie hier herunterladen.