08.09.2005

Ölförderung in Sibirien: Ureinwohner fordern deutsche Umweltstandards

Menschenrechtsaktion zur Vertragsunterzeichnung für die Ostseepipeline in Berlin

GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER

Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie

 

Mit Ölfässern, rußenden Fackeln und einer flexiblen Röhre als "Pipeline" machen die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und das Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie (infoe) während der Unterzeichnung der Vereinbarungen zum Bau der Ostsee-Pipeline am Donnerstag in Berlin auf die Gefahren der Öl- und Gasförderung in Sibirien für die dort ansässigen Ureinwohner aufmerksam. "Um noch massivere Umweltschäden mit verheerenden Folgen für die rund 40 indigenen Gemeinschaften im Hohen Norden Russlands zu verhindern, müssen die strengen deutschen Umweltstandards eingehalten werden", sagt die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke, während der phantasievollen Menschenrechtsaktion. Die Existenzgrundlage der noch auf traditionelle Art und Weise wirtschaftenden Angehörigen indigener Völker (Ureinwohner) sei unmittelbar bedroht oder bereits zerstört.

 

Viele Indigene seien als Selbstversorger auf die Jagd von Wildtieren, auf Fischfang, Rentierzucht oder das Sammeln von Wildfrüchten und Pilzen angewiesen, betont der Sprecher der Nivchen von der Insel Sachalin, Aleksej Limanso. Er ist auf Einladung von infoe zurzeit in Deutschland, um um Unterstützung für die Ureinwohner zu werben. "Seit Jahrzehnten wird ohne Rücksicht auf die Natur in Sibirien Öl und Gas gefördert - auch auf der Insel Sachalin. Dort sind die Umweltschäden schon gravierend", ergänzt Johannes Rohr von infoe. "Acht bis zehn Prozent des russischen Erdöls sickern aus maroden Pipelines und verschmutzen Böden und Gewässer."

 

Durch den Genuss von vergiftetem Fisch, Fleisch oder Wasser erkranken die Menschen. Die Lebenserwartung der insgesamt etwa 200.000 Ureinwohner liegt mindestens zehn Jahre unter dem russischen Durchschnitt. Die Zahl hochgradig belasteter oder schon biologisch toter Flüsse, Bachläufe und Seen steigt, der Fischbestand nimmt stetig ab. Rentierzüchter finden immer wieder giftige Öllachen auf den Weiden ihrer Tiere.

 

Die Verträge zwischen dem russischen Gaskonzern Gazprom und den deutschen Energieunternehmen E.ON und Wintershall zur gemeinsamen Errichtung der Pipeline werden im Beisein des russischen Präsidenten Wladimir Putin und von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Bundeshauptstadt geschlossen. Von der BASF-Tochter Wintershall (Kassel), die durch ein Kooperationsabkommen mit dem russischen staatlichen Konzern Gazprom auch unmittelbar an der Erschließung und Ausbeutung des riesigen Erdgasfeldes Yushno Russkoje im westsibirischen Tiefland beteiligt ist, fordert die GfbV, Vertreter der Ureinwohner bei jedem Schritt der Projektplanung mit einzubeziehen und den Indigenen Kompensationszahlungen für den Verlust ihres Landes zukommen zu lassen.

 

Deutschland bezieht mit etwa 35 Millionen Tonnen rund 30 Prozent seines importierten Erdöls sowie mit 35 Milliarden Kubikmetern etwa 40 Prozent seines importierten Erdgases aus Russland.