29.06.2005

Nur ein UN-Tribunal wird Genozidopfern Gerechtigkeit bringen

Sechs Jahre nach Ende des Völkermords in Osttimor kritisieren UN-Rechtsexperten indonesische Justiz

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Mittwoch die Einrichtung eines UN-Tribunals zur Strafverfolgung der Verantwortlichen des Völkermordes in Osttimor gefordert. "Indonesiens Politiker und Justiz haben sechs Jahre lang systematisch jede glaubwürdige Aufarbeitung des Genozids verschleppt", kritisierte die GfbV in einem Fax-Schreiben an UN-Generalsekretär Kofi Annan, "nur ein UN-Tribunal kann den Opfern der indonesischen Gewaltherrschaft Gerechtigkeit verschaffen." Nachdrücklich appellierte die GfbV an den UN-Generalsekretär, sich für die sofortige Einrichtung eines UN-Tribunals gemäß Kapitel VII der UN-Charta einzusetzen.

 

Eine von den Vereinten Nationen eingesetzte Untersuchungskommission von Rechtsexperten hatte sich in einem am Dienstag bekannt gewordenen Bericht sehr kritisch geäußert zur Aufarbeitung der schweren Menschenrechtsverletzungen, die von pro-indonesischen Milizen in Zusammenarbeit mit der indonesischen Armee vor, während und nach der Volksabstimmung über die Zukunft Osttimors im Sommer 1999 verübt wurden. Die Expertengruppe warf den indonesischen Strafverfolgungsbehörden mangelndes Interesse an einer glaubwürdigen juristischen Aufarbeitung vor und erklärte, alle bisher eingeleiteten Verfahren seien "absolut unangemessen". Mindestens 1.500 osttimoresische Zivilisten wurden im Sommer 1999 durch den Terror der Milizen getötet. Rund 500.000 Menschen wurden vertrieben oder flohen vor dem Terror der von Indonesien gesteuerten Milizen. Insgesamt fielen dem Völkermord Indonesiens in Osttimor zwischen 1975 und 1999 rund 200.000 Menschen zum Opfer.

 

Alle 21 bisher Angeklagten, denen Mord, Brandschatzung oder Vertreibungsverbrechen vorgeworfen wurden, seien bis auf einen osttimoresischen Zivilisten entweder freigesprochen oder auf Bewährung aus der Haft entlassen worden. "Es ist ein Skandal und ein Armutszeugnis indonesischer Rechtsprechung, dass sechs ursprünglich Verurteilte in zweiter Instanz freigesprochen wurden", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Nur der pro-indonesische Milizenführer Eurico Guterres werde im Gewahrsam gehalten. Doch trotz unzähliger von ihm zu verantwortender Morde und Vertreibungsverbrechen ist auch seine Haftstrafe um fünf Jahre halbiert worden.