13.08.2009

Nehmen Sie die Menschenrechtler Russlands in Schutz – Fordern Sie von Medwedew ein Ende der Mordserie und Aufklärung der Verbrechen!

Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel

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Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

 

für die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bitte ich Sie dringend, bei Ihren Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew am 14 August in Sochi energisch ein Ende der Mordserie an Menschenrechtsverteidigern in Russland zu verlangen. Bitte setzen Sie so ein Zeichen auch für die Weltöffentlichkeit und nehmen Sie diese mutigen Menschen- und Bürgerrechtler in Schutz, indem Sie den russischen Präsidenten außerdem öffentlich dazu auffordern, die bisherigen Verbrechen rückhaltlos aufzuklären.

 

Vor knapp einem Monat war Medwedew zu Gast in Deutschland. Während seines Aufenthalts wurde am 15. Juli die mit mehreren Preisen ausgezeichnete tschetschenische Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa ermordet. Eine Woche später wurde Andrej Kulagin, ein seit zwei Monaten verschwundener Menschenrechtler aus Karelien, tot aufgefunden. Am vergangenen Montag (11. August) wurden die Menschenrechtlerin Sarema Sadulajewa und ihr Mann Alik (Umar) Dschabrailow umgebracht. Über den Tod von Sarema Sadulajewa waren wir besonders bestürzt, weil sie Mitglied in dem von unserer GfbV-Sektion Schweiz gegründeten "Tschetschenischen Zivilforums" war.

 

Wir übersenden Ihnen eine lange Liste mit den prominentesten Namen von in Russland ermordeten Menschenrechtlern und Journalisten. Wir befürchten, dass diese Kette der Gewaltverbrechen ununterbrochen weitergehen wird: Wenn Menschenrechtler in Russland nicht schweigen, werden Sie getötet.

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, im vergangenen Juli haben Sie den russischen Präsidenten trotz dieser niederdrückenden Mordserie in seiner Politik sogar noch bestärkt, als Sie ihm sagten, Sie seien sicher, dass der Mord an Natalja Estemirowa aufgeklärt werde. Diese Äußerung hat uns schockiert. Sowohl Russlandkenner als auch Menschenrechtsverteidiger in den GUS-Staaten gehen davon aus, dass Justiz, Ermittlungsbehörden und die politisch Verantwortlichen gar kein Interesse an der Aufklärung dieser Morde haben. Die offensichtlich von der Exekutive beauftragten oder von ihr geduldeten Mörder können sich sicher fühlen, denn eine Strafverfolgung findet so gut wie nicht statt.

 

Unsere Namensliste ist nicht vollständig. Zu viele Journalisten wurden umgebracht, und oft machte der Tod von weniger bekannten Menschen- und Bürgerrechtlern keine Schlagzeilen oder ihre Leichen wurde bis heute nicht gefunden. Bitte legen Sie unsere Liste Herrn Medwedew vor und machen Sie ihm deutlich, dass es die Bundesregierung nicht dulden kann, dass einer ihrer Partner kritische Menschenrechtsverteidiger Verbrechern überlässt. Schon seit langem werden in Russland Menschenrechtsverteidiger entführt, schikaniert, zusammengeschlagen, gefoltert und in psychiatrische Anstalten zwangseingewiesen. Mit Anzeigen und Gerichtsverfahren wird versucht, sie zum Schweigen zu bringen

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. Tilman Zülch, Präsident der GfbV International

 

Liste ermordeter Menschenrechtsverteidiger (pdf Format)