06.01.2012

Nach Anschlägen auf christliche Gläubige Massenflucht von Christen und Muslimen

Nigeria droht Zweiteilung

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor einer drohenden Zweiteilung Nigerias aufgrund religiöser Unruhen. „Zehntausende Christen und Muslime sind seit den Terroranschlägen an Weihnachten in Nigeria auf der Flucht“, berichtete der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Der jüngste Terroranschlag, bei dem am Donnerstagabend zum Freitag sechs christliche Gläubige bei einem Gottesdienst im Bundesstaat Gombe getötet wurden, schürt nicht nur unter Christen, sondern auch unter Muslimen Angst vor weiterer Gewalt. Flohen zunächst mehr als 90.000 Christen aus mehrheitlich muslimischen Bundesstaaten im Norden Nigerias in den christlicher geprägten Süden des Landes, so setzt nun auch eine Massenflucht von Muslimen aus dem Süden in den Norden ein.

„Allein mit einem verstärkten Schutz religiöser Einrichtungen ist die einsetzende Massenhysterie nicht zu stoppen“, erklärte Delius. Das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Nigeria hat einen Tiefpunkt erreicht.“ Das gegenseitige Misstrauen ist groß, so sehr auch Kirchenführer, muslimische Geistliche und Gouverneure einzelner Bundesstaaten die Gemeinsamkeiten betonen und hervorheben, dass es keine größeren religiösen Konflikte zwischen Christen und Muslimen in Nigeria gibt.

Christen in Nordnigeria müssen weitere Terroranschläge von Boko Haram befürchten, deren Ultimatum gestern ablief. Die Terrorbewegung hatte darin alle Christen aufgefordert, den Norden des Landes innerhalb von drei Tagen zu verlassen. Die Behörden verhängten daraufhin den Ausnahmezustand über mehrere Regionen und verstärkten den Schutz kirchlicher Einrichtungen. Der Präsident der Christlichen Vereinigung von Nigeria (CAN), Pastor Ayo Oritsejafor, und der Erzbischof von Lagos, Anthony Cardinal Okogie, riefen die Christen dazu auf, das Ultimatum zu ignorieren und im Norden zu bleiben. Sie befürchten eine Zweiteilung des Landes.

Doch auch unter Muslimen geht die Angst um. Im Süden Nigerias, wo sie in der Minderheit sind, fürchten sie nun Vergeltungsanschläge von Christen. Denn der Präsident der Jugendorganisation von CAN, Patriot Dolly, hatte nach den Anschlägen Weihnachten erklärt, die christlichen Jugendlichen seien zum Krieg bereit und würden jede Gewalt mit Gegengewalt beantworten. Noch sind die näheren Umstände nicht geklärt, unter denen ein Feuer in einer islamischen Schule in Sapele (Delta Staat) ausbrach und zwei Muslime in Yenagoa (Bundesstaat Bayelsa) zu Tode kamen. „Doch jeder Zwischenfall kann angesichts der angespannten Lage zu einer Eskalation führen“, warnte Delius. „Um eine neue Gewaltspirale zu verhindern, müssen daher alle Zwischenfälle unverzüglich von den Behörden aufgeklärt und die Ausbreitung von Gerüchten verhindert werden.“