28.04.2008

"Muß man Journalisten vor Konflikten oder Konflikte vor Journalisten schützen?"

19. Forum Globale Fragen des Auswärtigen Amtes

Der Schutz von Journalisten in bewaffneten Konflikten war Thema der 19. Fachtagung des Forums Globale Fragen im Auswärtigen Amt. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, Günter Nooke (CDU), begann seine Eröffnungsrede mit der Feststellung, daß die meisten in Konflikten getöteten Journalisten einheimisch sind und bei gezielten Anschlägen, nicht aber bei Kampfhandlungen umkommen. Als Ursachen nannte er den "embedded journalism", durch den Journalisten zunehmend als Kriegsparteien wahrgenommen werden, die zunehmend irreguläre Konfliktaustragung und die zunehmende Anzahl freier Journalisten, für deren Sicherheit sich niemand verantwortlich fühlt. Zu lösen seien die Probleme teils von den Journalisten und Medienunternehmen selbst – diese müßten wissen, welches Risioko sie eingingen – der Staat könne durch Beratung über seine Botschaften und spezielles Sicherheitstraining sowie durch Einsatz für strengere völkerrechtliche Normen helfen.

Daran schloß sich ein Referat Ulrich Tilgners mit Diskussion an, an der sich mit Christoph Maria Fröhder und Carolin Emcke zwei ausgewiesene journalistische Praktiker beteiligten. Ihre Beiträge lenkten die Diskussion auf die grundsätzliche Bedeutung von Journalismus in Krisen und Kriegen. Tilgner wies zunächst darauf hin, daß Journalisten, wie auch Hilfsorganisationen, in Kriegen zunehmend als "fünfte Front" eingesetzt werden, so wirkte die Berichterstattung über Flüchtlingslager an der irakischen Grenze im Vorfeld des Irakkriegs in den Irak hinein. Die Bilder von Flüchtlingszelten gehörten zur psychologischen Kriegführung. Das IKRK habe seine Zelte und LKWs nicht filmen lassen, andere Hilfsorganisationen hätten jedoch in der Hoffnung auf staatliche Hilfe geradezu um Kameras gebeten. Ein anderes Beispiel waren Live-Übertragungen von Offiziersbriefings, die den Gegner Irak zu einem bestimmten Kampfverhalten motivieren sollten, was den beteiligten Journalisten gar nicht bewußt war. In irregulären Konflikten müsse der Journalist sich heute für eine Seite entscheiden, von der aus er "embedded" berichte, dies schließe Kritik an allen Kriegsparteien, im Irakkrieg z.B. an den USA, zwar nicht aus, er gehöre dann aber nicht mehr zur Zivilbevölkerung. Die wegen der Entführung von Journalisten notwendige Bewachung senke die Gesprächsbereitschaft der Bevölkerung. Heftige Kritik übte Tilgner an der deutsche Botschaft im Irak: Die Journalisten seien 2003 zum Verlassen des Iraks aufgefordert worden, bei den Gesprächen in der Botschaft seien BND-Beamte anwesend gewesen, die später auch den USA Erkenntnisse weiterleiteten. Die Botschaft sei also beim Ausspähen von Journalisten behilflich gewesen. Versuchen, Journalisten als Informationsbeschaffer für Geheimdienste einzusetzen, müsse aber entschieden entgegengetreten werden.

Carolin Emcke und Christoph Maria Fröhder waren sich über die zunehmende Gefährdung von Journalisten einig, Emcke nannte Zahlen: im Jahr 2005 wurden 65 Journalisten in Kriegen getötet, 2006 76; 2007 87. Beide stellten eine "Reethnisierung" der Wahrnehmung von Journalisten besonders in islamischen Ländern fest, wo Journalisten als "Westler" oder "Ungläubige" wahrgenommen werden, fest und beklagten sich über die zunehmende Gefährdung von Interviewpartnern: In vielen Ländern sei es kaum noch möglich, kritische Intellektuelle oder Journalisten vor die Kamera zu bekommen. Die bedenklichste Tendenz im Journalismus selbst sei die zunehmende Jagd nach dem "Scoop" und dem besten Bild anstelle einer analytischen Berichterstattung. Weil die Verlage gleichzeitig um jeden Preis sparen wollen, wird auf den Einsatz eigener Fotoreporter verzichtet und stattdessen auf dubioses Bildmaterial zurückgegriffen, dessen Entstehung nicht nachvollziehbar ist. So warten hinter einem Hotel in Bagdad ständig "Stringer" (einheimische Hilfskräfte von auswärtigen Journalisten, die normalerweise für den Aufbau von Kontakten und die Suche nach Gesprächspartnern zuständig sind) auf die dort lebenden Journalisten, um ihnen Videomaterial zu verkaufen. Auch werden die "Stringer" von immer mehr Journalisten in Anspruch genommen, orientieren sich bei ihrer Vermittlung von Gesprächspartnern aber an denjenigen, die das meiste Geld zahlen, wie z.B. CNN. Das ist einer von vielen Gründen für die zunehmende Gleichförmigkeit der Medienberichterstattung. Einheimische "Stringer"

sind aber auch die meisten journalistischen Opfer im Krieg.

Eine andere problematische Entwicklung ist der zunehmende Einsatz von Journalismus als Mittel der Kriegführung. Carolin Emcke verwies hier auf den Einsatz von Bloggern im Libanonkrieg und auf die Rolle der großen Medien im Kosovokrieg: Die Berichte über Flüchtlinge in Mazedonien und Albanien legitimierten den Kriegseinsatz, auch wenn sie analytisch umrahmt wurden. Fröhder beklagte in diesem Zusammenhang die zu große Regierungsnähe vieler Medien: Ein kritischer Bericht über die UCK aus einer deren Einheiten, in der Fröhder als Beobachter Gespräche der UCK-Kämpfer über deren kriminelle Machenschaften mithören konnte, war in keinem Medium unterzubringen.

Carolin Emcke spitzte die Frage zu: "Muß man Journalisten vor Konflikten oder Konflikte vor Journalisten schützen?"

In der zweiten Podiumsrunde ging es um Möglichkeiten des Völkerrechts und der Vereinten Nationen, Journalisten besser zu schützen. Im Artikel 79 des I. Genfer Zusatzprotokolls von 1977 werden Journalisten ausdrücklich als zu schützende Zivilpersonen definiert, dies gewährt aber keinen ausreichenden Schutz. Die griechische Völkerrechtsberaterin Maria Telalian verwies auf die Resolutionen 1674 und 1738 des Weltsicherheitsrats, die auf die Initiative Griechenlands und Frankreichs zurückgehen und an deren Abfassung Frau Telalian beteiligt war: Resolution 1674 stellt Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten allgemein unter Schutz und droht Angreifern von Zivilisten mit Sanktionen, Resolution 1738 weitet diesen Schutz speziell auf Journalisten aus und läßt Maßnahmen gegen Medien zu, die zu Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit anstiften. Auch stellt sie klar, daß Journalisten in Kriegen als Zivilpersonen zu behandeln sind, obwohl nach Artikel 4 der Dritten Genfer Konvention Kriegsberichterstattern der Kriegsgefangenenstatus zusteht. Ein großes und völkerrechtlich nicht lösbares Problem ist jedoch das Vorgehen gegen "non-state-actors", die im Irak für 90 % aller Journalistenmorde verantwortlich sind; durch die Inhaftierung von Journalisten in Guantanamo wird die Glaubwürdigkeit des Völkerrechts zusätzlich untergraben.