27.04.2005

Mitwirkender Status der GfbV beim Europarat – der erste Besuch in Straßburg.

Neue Chance für Lobbyarbeit

Der erste Besuch einer GfbV-Delegation nach der Zuerkennung des "mitwirkenden Status" beim Europarat fiel mit dem Gedenktag an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 60 Jahren zusammen. Terry Davis, amtierender Generalsekretär des Europarates, der sich die Umsetzung der Menschenrechte in ihren Mitgliedsstaaten auf die Fahnen geschrieben hat, enthüllte inmitten starken Schneetreibens einen Gedenkstein vor dem Eingang des Rates. "Als ich ein 10-jähriger Junge war, erfuhr ich zum ersten Mal von Auschwitz und dem was dort geschah. Dieses Wissen hat mich bis heute begleitet und ist ein Grund dafür, weshalb ich heute hier stehe", sagte Davis vor den zahlreichen Journalisten und Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, die sich in ihrer Mittagspause im Freien versammelt hatten.

Das GfbV-Team (André Rollinger, Vizepräsident der GfbV aus Luxemburg, und Sarah Reinke, Europareferentin aus Göttingen) nahm auch an der Eröffnung einer Ausstellung über die Befreiung des KZs vor 60 Jahren teil. Ein Redebeitrag wurde vom letzten Holocaust-Überlebenden gehalten, der noch im Straßburger Parlament sitzt, einem ungarischen Juden. Nach ihm sprach der Leiter der russischen Delegation im Europarat: Russische Soldaten hätten Auschwitz befreit und Ziel ihrer Politik sei es, dass Verbrechen wie Auschwitz sich nicht wiederholten. Diese Szene verdeutlichte die Ambivalenz des Europarates. Der Europarat vereint 46 Staaten (alle Staaten Europas und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion außer Weißrussland); unter ihnen befinden sich auch Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten, wie zum Beispiel Russland. Die fünf großen Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Russland bezahlen den größten Anteil des Budgets des Rates und machen so auch ihren politischen Einfluss geltend.

Genozid und Vertreibung verhindern sind die wichtigsten Ziele der GfbV. Wie wir diese Ziele dank des "mitwirkenden" Status besser erreichen können, sollte die GfbV-Delegation bei ihrem kurzen Besuch herausfinden. Terry Davis betonte vor der Versammlung der Nichtregierungsorganisationen (NGO), dieser Status mache die wichtige Rolle der NGOs im Europarat als "vierte Säule" (neben dem Ministerkomitee, der Parlamentarischen Versammlung und dem Kongress der lokalen und regionalen Autoritäten) deutlich. NGOs haben drei Gremien, in denen sie im Europarat arbeiten: das Liaison Commitee, die Plenarkonferenz und die Arbeitsgruppen. Diese Gremien nutzen die NGOs als gemeinsame Plattform für politische, kulturelle und soziale Initiativen in den Mitgliedsländern und für Einflussmöglichkeiten auf die konkrete Politik des Europarates. Die GfbV-Delegation hat sowohl an der Plenarkonferenz als auch an drei Arbeitsgruppen teilgenommen. Der Eindruck war der, dass politische Lobbyarbeit gerade für Themen wie Tschetschenien notwendig und Erfolg versprechend sein könnte, da sich auf diesem Gebiet andere Organisationen noch nicht deutlich positioniert haben.

Der mitwirkende Status eröffnet also gerade auf dem wichtigen Gebiet der Lobbyarbeit neue zukunftsweisende Perspektiven. Neben dem Krieg in Tschetschenien können viele Themen im Europarat vorgebracht werden: die Unterdrückung der Kurden in der Türkei, die Diskriminierung der Roma in den Staaten Mitteleuropas und des ehemaligen Jugoslawien, die Lage der Minderheitensprachen in allen Mitgliedsstaaten, die Situationen der Indigenen z.B. im Norden der Russischen Förderation, sowie die religiöse Verfolgung und der Niedergang der Demokratie in Zentralasien. Mangel an Argumenten gibt es (leider) nicht, an unserem Engagement wird es auch nicht fehlen.