22.04.2005

Mexiko: Elektroschock für Huichol-Indianer in der Sierra Madre

Wenige Tage bevor er die Staatsmänner der Welt in Monterrey zu einer Konferenz empfing, um effizientere Wege zur Finanzierung von Entwicklungshilfe zu diskutieren, weihte Mexikos Präsident Vicente Fox ein Elektrifizierungsprojekt in seinem Land ein, das zu wenigen zugute kommt, zu viel kostet und die Umwelt zerstört – und nebenbei gegen das Gesetz und die Energiepolitik seiner eigenen Regierung verstößt.

Das Projekt, das sechs Dörfer der Huichol-Indianer in den Bundesstaaten Jalisco und Nayarit ans Netz anschließen soll, wird mit über 60 Millionwn Pesos (ca. 5,7 Millionen Euro) veranschlagt, nützt nach Angaben der Staatlichen Elektrizitätskommission nur 6.940 Menschen – und sogar diese Zahl ist zu hoch gegriffen, da die Regierungsstatistik selbst die Zahl der Bevölkerung mit nur 5.000 angibt.

Dies ist der beunruhigende Start eines Regierungsprogramms, in den nächsten vier Jahren über 3,7 Mio. Pesos für die Elektrifizierung ländlicher Gebiete auszugeben. Für nur 40 Millionen Pesos könnte man mit Solarenergie dagegen über 43.000 Menschen versorgen, die gesamte Bevölkerung der Huichol- und Cora-Indianer, die dieses Gebiet bewohnen. "Elektrifizierung könnte eine gute Sache sein, aber nur, wenn sie richtig gemacht wird" sagt CHACs Präsident Humberto Fernandez. "Dieses Projekt kostet pro Kopf dreizehn Mal mehr als Solarenergie, und es wird unter den Dörfern zu einer Spaltung zwischen denen führen, die Elektrizität haben, und denen, die keine haben."

Die Huichol-Indianer leben in freiwilliger Isolation in einer der unzugänglichsten Regionen Mexikos, der von einem tiefen Schluchtensystem durchzogenen Sierra Madre Occidental. Besucher werden nur auf Einladung zugelassen. Diese Isolation hat ihnen erlaubt, ihre Kultur, ihre Sprache und ihr Sozialsystem praktisch unbeeinträchtigt zu bewahren.

Das Projekt, das Präsident Vicente Fox am 6. März 2002 öffentlich vorstellte, wird noch verschlimmert dadurch, dass für 200 km Hochspannungsleitungen und Straßen Bäume gefällt und eine Vielzahl heiliger Stätten zerstört werden – in einem Gebiet, das vom Nationalen Biodiversitätsrat (CONABIO) als entscheidend für den Naturschutz angesehen und vom WWF als eine der 200 wichtigsten Ökoregionen der Welt eingestuft wurde.

Noch erschreckender ist, dass das Projekt ohne die nach mexikanischem Recht verbindlich vorgeschriebene Umweltstudie beschlossen wurde.

Trotzdem kündigte Mexikos Energieministerium an, dass im Jahr 2002 860 indianische Gemeinden Strom auf der Basis erneuerbarer Energieressourcen erhalten würden. "Dieses Projekt ist eine Verschleuderung knapper Ressourcen", erklärt Humberto Fernandez. "Es spaltet die Gemeinden. Es schadet der Umwelt. Es wurde illegal beschlossen. Und jetzt gibt Präsident Fox den Gastgeber für eine internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung. Das ist wohl ein schlechter Witz." In Mexiko mit seinem sonnigen Klima kommt nur 0,04% des Stroms von Solarenergie. Etwa fünf der 100 Millionen Mexikaner leben ohne Stromanschluss, fast alle von ihnen in kleinen Dörfern, die sich abseits des Leitungsnetzes befinden.

Das Land sieht sich in den nächsten Jahren einer schweren Energieknappheit gegenüber. Präsident Fox hat daher seinem Parlament einen Plan zur Reform des Energiesektors vorgelegt.

"Die Elektrizitätsreform wird wahrscheinlich das wichtigste politische Thema des Jahres werden", meint Fernandez. "Es ist entscheidend, dass erneuerbare Energien, Achtung vor der Natur und intelligente Planung dabei auf die Tagesordnung kommen."

Info

Conservación Humana A.C. (CHAC) ist eine 1994 von Fachleuten verschiedener Gebiete gegründete mexikanische Nichtregierungsorganisation, die sich die Erhaltung der biologischen und kulturellen Vielfalt, die Förderung nachhaltiger Entwicklung und die Verbreitung von Wissen, das die Lebensqualität des Landes verbessert, zur Aufgabe gemacht hat.

Kontakt: Alberto Davidoff, Tel.: 0052/55.55.64.21.20, E-Mail: dama86@avantel.net

People and Nature e.V. (PAN) ist ein 1998 in Berlin gegründeter gemeinnütziger Verein. Er unterstützt die Arbeit von CHAC und ist schwerpunktmäßig in Zentralasien und Russland tätig.

Kontakt: Stephan Dömpke, Tel.: 030/2045-3975, E-Mail: PANDoempke@t-online.de