04.05.2005

Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien

Genf
Äthiopien hat seit 1994 eine demokratische Verfassung, die den Bürgern des Landes alle Bürger- und Menschenrechte zusichert. Trotz dieser von vielen als vorbildlich angesehenen Verfassung haben die Menschenrechtsverletzungen an Zahl und an Schwere zugenommen. Opfer werden vor allem Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Oromo, die mit 25 Millionen Menschen rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen. Wenn Intellektuelle, Lehrer, Journalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Künstler, Menschenrechtler und Bauern allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden, dann machen sich die äthiopischen Behörden nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker des Rassismus schuldig. An der weitverbreiteten Verfolgung von Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe, die pauschal verdächtigt werden, die oppositionelle Freiheitsbewegung Oromo Liberation Front (OLF) zu unterstützen, ändert auch nichts die Tatsache, dass der amtierende Staatspräsident Äthiopiens, Negasso Gidada, Oromo ist.

Polizeischikanen, willkürliche Festnahmen ohne Anklage und Gerichtsverfahren, Folter, "Verschwindenlassen" und extralegale Hinrichtungen gehörem zum Alltag vieler Oromo. Oromo-Menschenrechtsorganisationen dokumentierten in den letzten Jahren 2.500 politisch motivierte Morde an Oromo und über 800 Fälle von Verschwundenen. Bauern, die politisch kaum oder gar nicht aktiv waren, zählen besonders häufig zu den Opfern. So starb der Bauer Soorsaa Gammoo aus Genale (Bale) am 5. August 1999 im Gefängnis Karchale in Addis Abeba an den Folgen der in der Haft erlittenen Folter. Er war 1995 verhaftet worden, zwei seiner Söhne sind bis heute verschwunden. Obbo Hinsarmu, ein Mitglied der Oromo-Selbsthilfe- und Kultur-Organisation Macha Tulama, wurde am 14. August 1999 von Sicherheitskräften entführt. Mit besonderer Sorge verfolgen wir den Fall des 55 Jahre alten Mossisa Duressa. Der Vorsitzende des Äthiopischen Roten Kreuzes in Nekemte und Personaldirektor der Mekane Yesus Kirche wurde am 15. August 1999 verhaftet. Seither weigern sich Polizei und Sicherheitsbehörden, seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben. Am gleichen Tag wurde auch der Arzt Dr. Tassew Begashaw inhaftiert und beschuldigt, vermeintliche OLF-Mitglieder behandelt zu haben.

Angesichts dieser schweren Menschenrechtsverletzungen appellieren wir an die UN-Menschenrechtskommission, Äthiopen aufzufordern, Oromo nicht länger pauschal der Unterstützung der OLF zu verdächtigen und unverzüglich ihre Verfolgung allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung einzustellen. Auch sollte die äthiopische Regierung aufgefordert werden, Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen der Oromo nicht länger zu schikanieren oder zu verbieten, die politischen Gefangenen sofort freizulassen und die in der äthiopischen Verfassung garantierten Bürger- und Menschenrechte auch Oromo zu gewähren.