31.05.2017

Memorandum: Aleviten in der Türkei ringen um Anerkennung

Druck auf Minderheit nimmt weiter zu

Im Alevitentum kann jeder Mensch frei bestimmen, wie er seinen Glauben ausübt. So ergeben sich individuelle Interpretationen und Betonungen der Religionslehre. Foto: Miriam Stanke

Bis heute wird das Alevitentum in der Türkei nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt, sondern vom Präsidium für Religionsangelegenheiten (DIYANET) als anatolische Variante des Islam eingestuft. Als nichtsunnitische Gemeinschaft werden die Aleviten deshalb diskriminiert, unterdrückt und verfolgt. Diese Unterdrückung verschärft sich, weil sich viele Aleviten bewusst vom Islam distanzieren und sich nicht mehr als „liberale Muslime“ bezeichnen, sondern als eigenständige Religionsgemeinschaft anerkannt werden wollen. Obwohl die türkischen Behörden die Aleviten als Muslime bezeichnen, unterscheiden sich ihre Glaubensinhalte stark vom Islam.

Das Alevitentum ist eine liberale Glaubensrichtung, deren Name auf Al? ibn Ab? T?lib, der Schwiegersohn des Propheten Mohammed, zurückgeht. Alevit bedeutet so viel wie „Anhänger von Ali“. Die Glaubensgemeinschaft ist nach dem Sunnitentum die zweitgrößte Religionsgemeinschaft des Landes.

Da die Aleviten in der Türkei offiziell nicht anerkannt sind, gibt es auch keine genauen Angaben, wie viele dort leben. Die Zahlen variieren von wenigen bis 20 Millionen Aleviten.

Die Aleviten in der Türkei waren und sind immer noch massiven Diskriminierungen ausgesetzt. Gemäß der Formel „Wir sind alle Muslime“ (Hepimiz Müslümaniz) werden unter der AKP-Regierung Assimilation und Sunnitisierung vorangetrieben. Um sie zu Sunniten zu machen, lässt die Regierung in alevitischen Dörfern Moscheen bauen – die Aleviten beten nicht in Moscheen, sondern in Cem-Häusern – und schickt sunnitische Vorbeter dorthin. Diese predigen den von der Staatsführung proklamierten Islam und kontrollieren gleichzeitig das Alltagsleben der Aleviten. Der türkische Präsident Erdoğans bezeichnete den alevitischen Gottesdienst cem immer wieder lediglich als ein Element der vergangenheitsorientierten Kultur.

Es ist jedoch wichtig, dass die türkische Regierung auf die Aleviten und auch auf andere Minderheiten in der Türkei zugeht. Nur über den Dialog kann sich die Lage verbessern. Rechtsstaatliche Maßnahmen zu Minderheitenschutz oder freie Religionsausübung müssen initiiert und beschleunigt werden.

Sie können unser Memorandum "Türkei: Aleviten ringen um Anerkennunghier herunterladen (pdf).

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Header Foto: Miriam Stanke