24.01.2013

Massive Verstöße gegen die Religionsfreiheit in der Stadt Susdal

Russlands Republiken (Teil XVIII): Kreis Wladimir

Aus bedrohte völker_pogrom 273, 5/2012

Von Alexander Kusnezow und Sarah Reinke

Der Verwaltungsbezirk Wladimir liegt im „Goldenen Ring“, einer bekannten Rundreisestrecke im Nordosten Russlands, in dem besonders viele Kirchen, Klöster und Zarenresidenzen wichtige Stationen der russischen Geschichte dokumentieren. Hinter den Mauern der altrussischen Klöster und schneeweißen Gotteshäuser im Kreis Wladimir verbergen sich nicht nur zahlreiche Kulturschätze, sondern auch ein handfester Streit. Das Moskauer Patriachat der Russisch-Orthodoxen Kirche ist mit der russischen Regierung unter Wladimir Putin aufs Engste verbunden und hat so alle Instrumente zur Verfügung, die Russisch Orthodoxe Autonome Kirche (ROAK) in der Stadt Susdal mit Gerichtsverfahren zu überziehen und ihr damit massiv zu schaden.

Die Wurzeln dieser Auseinandersetzungen liegen weit mehr als 90 Jahre zurück, als sich die Kirche nach der Oktoberrevolution 1917 und massiver Verfolgung ihrer Geistlichen gespalten hat. Während die Russisch-Orthodoxe Kirche 1927 in der so genannten Sergianstwo ihre Loyalität der Sowjetunion gegenüber bekundete, flohen viele Geistliche vor Verfolgung und Unterdrückung ins Ausland. Andere gingen in den Untergrund. So entstanden einerseits die Russisch-Orthodoxe Kirche im Ausland und zum anderen die Katakombengemeinden. In den folgenden Jahrzehnten setzte die Sowjetführung die Verfolgung und Vernichtung der Geistlichen und Laien fort. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion beanspruchten die Russisch-Orthodoxe Kirche, die orthodoxe Kirche im Exil sowie die Katakombengemeinden jeweils die „wahre“ orthodoxe russische Kirche zu sein. 1990 entzog sich das spätere Oberhaupt der ROAK, Walentin Russanzow aus Susdal, mit seiner Gemeinde der Gerichtsbarkeit der Russisch-Orthodoxen Kirche: Die ROAK, die sich in der Nachfolge der Katakombengemeinden sah, hat der Russisch-Orthodoxen Kirche vorgeworfen, staatstreu zu sein. Die Auslandskirchen schlossen sich Russanzow und der Bewegung „Russisch-Orthodoxe Freie Kirche“ zunächst an. 1995 jedoch spaltete sich die „Freie Kirche“ von der Auslandskirche ab. Die „Freie Kirche“ nannte sich 1998 in „Russisch-Orthodoxe Autonome Kirche“ (ROAK) um. Die Auslandskirche selbst ordnete sich 2007 schließlich dem Moskauer Patriarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche unter. Seitdem führt Moskau einen regelrechten Krieg gegen die ROAK. Dabei spielt die russische Justiz eine unrühmliche Rolle: Seit 2009 wurde in mehreren Urteilen entschieden, dass die autonome Kirche in Susdal von ihr genutzte und in Eigenleistung renovierte Gotteshäuser an die Russisch-Orthodoxe Kirche abgeben muss: So wurde 2010 die Zar-Konstantin-Kirche zusammen mit neun anderen Gotteshäusern, die der ROAK gehörten, an die kirchlichen Verwaltungsbezirke der Russisch-Orthodoxen Kirche von Wladimir und Susdal übergeben. Drei weitere Kirchen gingen im Februar 2010 in den Besitz des Ministeriums für Eigentums- und Bodenverhältnisse des Kreises Wladimir über. Geistliche und Gläubige der ROAK fühlen sich verfolgt und bedrängt, zumal es in der Vergangenheit auch mehrmals zu körperlicher Gewalt gegen sie gekommen ist. Das Moskauer Patriarchat handelt jedoch in Übereinstimmung und mit Unterstützung der russischen Regierung. Darüber klagt Bischof Andrej Maklakow, Vertreter der ROAK in den USA: „Laut der Verfassung der Russischen Föderation haben alle Bürger des Landes das Recht auf die Gewissensfreiheit. […] Unsere Gläubigen sind auch russische Bürger. Der Staat darf eine Kirche einer anderen nicht vorziehen. Aber die russische Regierung kooperiert aktiv mit der Russisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, damit keine „Konkurrenz“ entsteht und unsere Gläubigen gezwungen sind, in die Russisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats überzutreten.“

In einem aktuellen Fall geht es um die Herausgabe von Reliquien der Heiligen Euphemius und Euphrosina von Susdal, die den Gläubigen sehr viel bedeuten. Das Schiedsgericht vom Verwaltungsbezirk Wladimir verpflichtete die ROAK am 25. Mai 2012, die Reliquien an den Staat abzugeben, der sie dann in den Besitz der Russisch-Orthodoxen Kirche überführen will.

Die renommierte internationale Organisation für Religionsfreiheit „Forum 18“ prangert die Verletzung der Glaubensfreiheit in Russland an. Grund dafür sei das absolute Desinteresse der Mächtigen, dieses Recht gesetzlich zu verankern. Daher nehmen nach Ansicht von Forum 18 nationalistische Kräfte in der russischen Orthodoxie massiv an Einfluss zu.

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