22.07.2013

Malaysia: Keiner hört die Orang Asli

Zwei Orang Asli-Geschwister im Bundesstaat Pahang in Malaysia. Der Begriff „Orang Asli“ bezeichnet die indigenen Völker, die auf der Malaiischen Halbinsel leben. Foto: CC by-sa 2.0 patrikneckman (flickr.com)

Aus bedrohte völker_pogrom 275, 1/2013

Abends versammeln sich die Ältesten um ein Öllicht und erzählen von Naga Sri Gumum, dem Geist des Sees Tasik Chini. Der weibliche schlangenförmige Drache, so die Sage, wacht über das Gewässer und eine versunkene Khmer-Stadt auf seinem Grund. Bevor der See verschmutzt wurde, habe man die alten Mauern ab und an durch das Wasser schimmern sehen. So erzählen sich die Jakun, die zu einer der 18 Untergruppen der Orang Asli gehören, den indigenen Gemeinschaften auf der Malaiischen Halbinsel sowie im Süden Thailands. Die Orang Asli (malaiisch für „ursprünglicher Mensch“) in Malaysia zählen nur 150.000 Menschen bei einer Bevölkerung von 28 Millionen. Aufgrund ihres geringen Bevölkerungsanteils werden sie weder von Behörden noch von Nichtregierungsorganisationen gehört. Doch sie benötigen Unterstützung, denn ihr Lebensraum ist bedroht – aufgrund wirtschaftlicher Interessen.

Die Orang Asli leben wie viele andere indigene Völker respektvoll mit der Natur zusammen. Jeder Stein, jede Pflanze, jedes Tier hat ihrem Glauben nach eine Seele. Und auch das Leben der rund 500 Jakun ist eng verbunden mit dem Tasik Chini und den umliegenden Wäldern im Osten Malaysias. Vor zwei Jahrzehnten noch war das Gewässer ganz mit Lotusblüten bedeckt. Die Touristen kamen scharenweise, um mit Booten den Blütenteppich zu durchqueren. Die Unesco erkannte dem See den Status als Biosphärenreservat zu. Den droht der Tasik Chini jetzt zu verlieren: Das Wasser ist stark verschmutzt und ungenießbar, der gefangene Fisch riecht faulig, Lotusblüten gibt es längst nicht mehr. Das Sterben des Sees begann Anfang der 1990er Jahre. Fast zwei Drittel des Waldes wurden seitdem abgeholzt, um Platz zu schaffen für Gummibaum- und Ölpalmplantagen. Die Pestizide und Chemikalien, die für die Bewirtschaftung der Plantagen benötigt werden, fließen ungehindert in den See. 1996 wurde zudem ein Damm gebaut, damit der Wasserstand des Tasik Chini in der Trockenzeit nicht absinkt und die Touristen nicht auf die Bootsfahrten verzichten müssen. Das schnitt den See von seinen Zuflüssen ab, was eine natürliche Reinigung unmöglich macht. Die Jakun haben immer mehr Schwierigkeiten, Jagdgründe oder Pflanzen als Nahrung oder für Medizin zu finden. Und auch der Tourismus liegt brach, denn der See hat aufgrund der Verschmutzung seine Anziehungskraft verloren. Die Beschwerden der Jakun über die Zerstörung ihres Lebensraums stoßen bei den Behörden jedoch auf taube Ohren.

Die Existenzgrundlage der Temiar indes – eine andere indigene Gemeinschaft – ist durch den Anbau von Gummibäumen in Gefahr: Der Latex Timber Clone (LTC), ein schnell nachwachsender Gummibaum, wird immer beliebter, da er Nutzholz produziert und so für seinen Anbau Waldschutzgebiete abgeholzt werden können, ohne dass lästige Gerichtsverhandlungen drohen. Eine Fläche so groß wie 400 Fußballfelder soll bis 2020 für LTC-Plantagen freigegeben werden, die Hälfte allein im hochverschuldeten Bundesstaat Kelantan im Norden Malaysias. Auf den Gummibaumplantagen können Tiere kaum überleben. Es wachsen weder Früchte noch Kräuter. Rattanpalmen oder Bambus, mit denen Orang Asli Fallen oder Flöße bauen, sucht man vergeblich. Die Menschen werden krank, weil das Wasser mit Pestiziden verseucht ist; der Fisch ist ungenießbar geworden. Die Regierung von Kelantan unternimmt nichts, um die Temiar zu schützen. Ihr wird vorgeworfen, großen Unternehmen den Zugang zu Land zu erleichtern, da sie Steuern zahlen, mit denen Haushaltslöcher gestopft werden. Die nationale Regierung in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur sieht untätig zu. Obwohl sie 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro beteuert hat, die Hälfte des malaysischen Regenwaldes erhalten zu wollen, fühlt sie sich nicht verantwortlich, weil die Zuständigkeit für die meisten Landrechtsfragen bei den Bundesstaaten liegen.

Die Situation der Temiar in Kelantan und der Jakun um den See Tasik Chini ist nur ein Beispiel für die Situation der Orang Asli in ganz Malaysia. Derzeit laufen mehr als tausend Gerichtsprozesse um Landrechtsfragen. Die Regierungen der Bundesstaaten und große Palmölproduzenten ziehen diese Prozesse oft künstlich in die Länge und bauen in der Zwischenzeit weiter Palmen in Monokultur an. Die Orang Asli haben nicht die finanziellen Mittel und die Unterstützung, um sie aufzuhalten.

Nachhaltige Zertifizierung von Palmöl

2004 wurde der „Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO) auf Initiative der Umweltorganisation WWF gegründet, um den Anbau von Ölpalmen nachhaltiger zu gestalten. Die Mitglieder sind Unternehmen der Palmöl-Wertschöpfungskette sowie Nichtregierungsorganisationen. Der RSPO stellte Kriterien für ein Zertifikat zusammen, um das sich Unternehmen freiwillig bewerben können, um Transparenz und Verantwortung für die Umwelt und den betroffenen Menschen gegenüber zu zeigen. Bisher sind zwölf Prozent der weltweiten Palmölproduktion RSPO-zertifiziert. Viele Nichtregierungsorganisationen zweifeln jedoch an der Nachhaltigkeit und Wirksamkeit des Zertifikats: Die Kriterien seien zu vage und böten viele Schlupflöcher, die Sanktionen seien schwach und wenig wirkungsvoll. Manche Unternehmen würden mit ihrer RSPO-Mitgliedschaft werben, ohne ein einziges Zertifikat zu besitzen. Auf der anderen Seite kommt auch viel Kritik von Palmöl-Produzenten: Das Zertifikat sei zu kostspielig und die Einhaltung der Kriterien nicht finanzierbar. Malaysia und Indonesien, die gemeinsam 80 Prozent der weltweiten Produktion an Palmöl tragen, arbeiten deshalb jeweils an der Erstellung eigener Zertifikate.