29.06.2005

Lukrativer Rüstungsmarkt, unprofitable Menschenrechte

Göttingen
Trotz des EU-Embargos ist China eine der ersten Adressen der staatlichen Waffenhändler besonders aus Frankreich und Deutschland. Das Embargo konnte auch nicht verhindern, dass mit China ein schwungvoller Waffenhandel betrieben wird, der noch kräftig angetrieben werden kann. So geht Frankreich davon aus, dass nur in Asien und den Staaten des Persischen Golfs mit einer Zunahme der Waffenimporte gerechnet werden kann. "Die europäische Verteidigungsindustrie braucht Aufträge und es gibt nicht viele Märkte, die solvent sind", erklärt Andrew Brookes, Wissenschaftler beim internationalen Institut für Strategische Studien in London. China hat Frankreich nach Aussagen der konservativen französischen Tageszeitung "Le Figaro" bereits eine Wunschliste an Rüstungsgütern übermittelt, die Peking gerne aus Frankreich einführen würde – sie umfasst vor allem Elektronikprodukte im Gesamtwert von mehr als zehn Milliarden Euro.

Nach dem zweiten Golfkrieg stellte China 1991 fest, dass seine Armee vollkommen veraltet und in militärischen Konflikten nicht wirksam einsetzbar war. Seither wird energisch die Modernisierung der Streitkräfte vorangetrieben. Offizielle Zuwachsraten des Verteidigungshaushalts von 17,6 Prozent und 17,7 Prozent 2001 und 2002 wurden nach Einschätzung von Experten in der Realität noch weit überschritten. 2001 war die Volksrepublik nach Recherchen von SIPRI der bedeutendste Waffenimporteur der Welt mit einem Zuwachs von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr (SIPRI Yearbook 2002, Kapitel 8, International arms transfers). Rüstungskäufe im Ausland werden von Devisenzuwendungen des Staatsrates beglichen. Statt der für 2002 öffentlich erklärten 20 Milliarden US-Dollar könnte nach Einschätzung des US-Kongresses der tatsächliche Aufwand rund 65 Milliarden US-Dollar umfassen. Damit würden weltweit nur die USA noch mehr für ihren Verteidigungshaushalt aufwenden. In Asien wäre China der Staat mit dem größten Verteidigungsbudget. Die Analysten des US-Kongresses erwarten eine Verdrei- oder Vervierfachung der realen Aufwendungen Chinas für die Verteidigung bis zum Jahr 2020. 2003 wandte China 3,1 Milliarden US-Dollar für den Kauf von Waffen im Ausland auf. Im Jahr 1999 waren es nach Angaben des in London ansässigen Internationalen Instituts für Strategische Studien nur eine Milliarde US-Dollar gewesen.

Im Gegensatz zu den offiziellen chinesischen Verlautbarungen, die immer den defensiven Charakter der chinesischen Streitkräfte betonen, nimmt die Fähigkeit Chinas zu einer offensiven Kriegsführung mit jedem weiteren Schritt der Modernisierung zu. Nur rund die Hälfte der für die Modernisierung der Streitkräfte benötigten Rüstungsgüter stammt aus chinesischer Produktion, der Rest wird aus dem Ausland eingeführt. Hauptlieferanten sind aufgrund des Embargos Russland und Israel. Russland liefert U-Boote, Kampfflugzeuge, Zerstörer, Jagdflugzeuge, Panzer, Artilleriegeschütze und Flugabwehrsysteme. Israel stattet China mit kleineren Waffensystemen und Kontrollapparaten aus. China zeigt auch Interesse am tschechischen Luftüberwachungssystem Vera-E, das in einem Radius von 450 Kilometer Entfernung bis zu 200 Objekte gleichzeitig überwachen kann. Zwar hatte Industrieminister Milan Urban der Rüstungsfirma Omnipol bereits eine Ausfuhrgenehmigung für sechs der Passivradars erteilt, doch das tschechische Außenministerium erwirkte nach Intervention der USA eine Zurückziehung der Exportgenehmigung.

Die Volksrepublik ist sehr an Rüstungsgeschäften mit der EU interessiert, nicht nur um sich aus der Abhängigkeit von Russland zu lösen, zu dem die bilateralen Beziehungen nicht immer einfach sind. Sehr zum Ärger der chinesischen Führung war Russland nicht bereit, das hochmoderne Kampfflugzeug vom Typ SU-35 zu liefern. Auch behält Russland immer wieder zentrale Bestandteile der Waffentechnik zurück. Russland hat zwischen den Jahren 1995 und 2002 Rüstungssysteme im Wert von neun Milliarden US-Dollar an China geliefert. Anfang der 90er-Jahre hatte China die ersten SU-27 Kampfflugzeuge bestellt. Doch Taiwan hatte inzwischen bereits F-16 Kampfflugzeuge in den USA erworben, die den SU-27 militärtechnisch deutlich überlegen sind. Erst nachdem die Volksrepublik Ende der 90er-Jahre eigene Lizenzen zur Produktion von SU-27 Maschinen gekauft hatte, war Russland schließlich bereit, China bei der Weiterentwicklung seiner aus heimischer Produktion stammenden Kampfflugzeuge zu helfen.

Ein besonderes Interesse hat China an High-Tech-Waffen, satellitengesteuerte Navigationssysteme und Trägerraketen. Solche ausgefeilten Rüstungssysteme sind auf dem internationalen Rüstungsexportmarkt außerhalb Europas und der USA nicht einfach zu bekommen. Besonderes Interesse signalisierte Peking übrigens auch am französischen Kampfflugzeug Rafale. Große Bedeutung misst China auch der Zusammenarbeit mit der EU bei der Entwicklung des Galileo-Satellitensystems bei. Im September 2004 wurde China offizieller Partner im Galileo-Programm. Galileo kann auch militärisch angewendet werden, doch die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Zhang Qiyue, bezeichnete es als "absurd", dass China aus militärischen Gründen an Galileo interessiert sei. Doch in einem Staat wie der Volksrepublik, in dem alle anderen Ressorts der nationalen Sicherheit und Verteidigung untergeordnet sind und sich die Staatsführung absolute Kompetenzen anmaßt, kann eine militärische Anwendung Galileos nicht ausgeschlossen werden. China plant bis 2020 die Stationierung von mehr als einhundert Satelliten in der Erdumlaufbahn, um auch den kleinsten Winkel seines Landes ständig beobachten zu können. Es ist davon auszugehen, dass dabei nicht nur Daten über den Stand der Flora und Fauna gesammelt werden, sondern auch alle sicherheitspolitisch relevanten Informationen detailliert ausgewertet werden.