23.04.2005

Ling lebt im Regenwald

Ling ist acht Jahre alt. Er ist ein Penan und lebt sehr weit von uns entfernt irgendwo im Regenwald auf der Insel Borneo. Wenn Du ihm einen Brief schreibst, wird er sehr lange unterwegs sein. Denn dort, wo Ling lebt, gibt es nur wenige Straßen und die Häuser haben auch keine Briefkästen, in die Briefträger die Post werfen könnten. Auch wohnt Ling mit seiner Familie nicht immer am gleichen Ort. Nach einigen Monaten, wenn die Nahrungsvorräte zu Ende gehen, ziehen sie an einen anderen Ort im tiefen Regenwald. Bevor sie ihren Lagerplatz verlassen, legen sie einige Blätter und Triebe von Bäumen in die Richtung, in die sie weiterziehen. So wissen seine Freunde auch ohne Straßenschilder immer, wo Ling gerade lebt.

 

Wenn Ling morgens aufwacht, kann er aufstehen, wann er möchte. Niemand drängt ihn, denn zur Schule muß er nicht gehen. Seine Schule ist der Wald. Dort lernt er alles, was er zum Überleben braucht: er lernt zu fischen, jagen, Früchte zu sammeln, Zuckerrohr anzubauen und vieles andere Nützliche und Spannende.

Ling schläft mit seiner Familie in einer kleinen Hütte, die zum Schutz gegen Regen und Wind mit Palmblättern gedeckt ist. Die Holzhütte ist auf Stelzen gebaut, damit keine Skorpione, Schlangen oder giftige Käfer in das Haus kommen. Auch gibt es morgens keinen Ärger mit dem Waschen. Denn Ling geht zum Fischen und Spielen immer in den Fluß. So ist ihm niemand böse, wenn er sich nach dem Aufstehen nicht wäscht. Streit über seine Kleidung gibt es auch nicht: Da es immer warm ist, trägt er nur einen Lendenschurz aus Baumrinde.

 

 

Sago-Brei zum Frühstück

 

Zum Frühstück kocht seine Mutter ihm oft einen Brei aus Sago. Cornflakes oder Brötchen gibt es nicht. Das Sago-Mehl wird aus dem Stamm eines Palm-Baumes gewonnen. In heißem Wasser wird das Mehl über der Feuerstelle gekocht, bis es einen pappigen Brei macht.

Ling möchte bald wie die älteren Jungen und Männer auf die Jagd gehen. So übt er mit seinem Freund Lau nach dem Frühstück, mit dem Blasrohr zu jagen. Die Blasrohre der Großen sind aus Holz und bis zu drei Meter lang. Fast geräuschlos werden die giftigen Pfeile aus dem Rohr abgeschossen. Auch Wildschweine, die fünfzig Meter entfernt sind, können sie damit töten.

Wenn Ling in den Regenwald geht, trägt er immer einen Speer bei sich. Mit dem Speer kann er sich gegen wilde Tiere schützen. Auch hat er ein großes Messer bei sich, das einem Schwert ähnelt. Mit dem Messer schlägt er sich nicht nur einen Weg durch den dichten Wald frei, sondern erntet auch wohlschmeckende Farn-Pflanzen. Seine Mutter dünstet sie später zum Mittagessen in Wildschweinfett. Es ist Lings Lieblingsessen.

Wie alle Kinder nascht er natürlich auch gerne. Am Nachmittag holt er sich ein Stück Zuckerrohr aus einem nahen Feld. Das schmeckt richtig schön süß, wenn man darauf kaut. Mit seiner Mutter und anderen Kindern sammelt er Früchte und schleppt Wasser zu den Hütten. Nach dieser anstrengenden Arbeit badet er erst einmal im Fluß und beobachtet die bunten Fische.

 

 

Ling hat keinen Fernseher

 

 

Abends wird es im Regenwald früh dunkel. Ling schaut keine "Sesamstrasse", denn seine Familie hat keinen Fernseher. Dort, wo sie leben, gibt es keinen Strom. Doch langweilig wird es ihm nicht, denn Pellutan erzählt ihm spannende Geschichten von Tieren und Geistern, die im Wald leben. Alle Kinder mögen den alten Mann, der in einer Nachbarhütte wohnt.

Solange sich der alte Pellutan erinnern kann, leben die Penan von den Pflanzen und Tieren im Wald. Schon seine Großeltern achteten darauf, daß niemals zuviele Wildschweine gejagt oder Sago-Palmen gefällt wurden. Denn den Penan ist es wichtig, daß die Natur nicht zerstört wird, damit die Menschen auch in Zukunft im Wald leben können und genug zu essen haben.

 

 

Bulldozer töten den Wald

 

 

Seit vor einigen Jahren Holzfäller mit Bulldozern in ihr Land eindrangen, müssen die Penan um ihr Überleben fürchten. Die riesigen Maschinen reißen tiefe Wunden in den Wald, um die größten und schönsten Bäume zu fällen. Straßen werden für die Holztansporter gebaut. Die Wildschweine fliehen vor dem Lärm immer tiefer in den Wald. Die Penan folgen dem Pfad der Wildschweine, doch der Regenwald wird jeden Tag kleiner. Bald gibt es keine Gebiete mehr, in die die Penan noch fliehen können.

Als die Penan erkannten, daß die Holzfäller ihr Leben zerstören, blockierten sie die Straßen der Bulldozer. Doch schwerbewaffnete Polizei verhaftete die protestierenden Ureinwohner und warf sie ins Gefängnis. Viele Penan wurden von Polizisten verletzt. Doch die Penan geben nicht auf. Gemeinsam mit vielen Menschen in aller Welt setzen sie sich dafür ein, daß der Regenwald nicht zerstört wird. Denn wenn der Wald stirbt, sterben auch die Menschen, die darin leben.

So wie die Penan kämpfen hunderte Waldvölker in aller Welt um ihr Überleben. Indianer in Südamerika und Pygmäen in Afrika fürchten nicht nur, daß wertvolle Bäume auf ihrem Land gefällt werden. Oft muß der Regenwald sterben, weil Staudämme gebaut werden, um Strom zu gewinnen. Oder im Boden sind kostbare Metalle, die von Baggern ausgegraben werden sollen. Manchmal suchen Bauern auch nur neues Ackerland und fällen die Bäume. Noch können wir die Vernichtung vieler Waldvölker verhindern. Doch dabei brauchen Ling, Pellutan und die vielen anderen Ureinwohner auch Deine Unterstützung.