11.12.2008

Leonard Peltier seit 32 Jahren unschuldig inhaftierter indianischer Bürgerrechtler

Grußwort zum 40-jährigen Bestehen der Gesellschaft für bedrohte Völker

Göttingen
Verwandte und Freunde,

es tut mir außerordentlich leid, dass ich heute nicht bei Euch sein kann, um mit Euch den 40sten Geburtstag der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zu feiern. Zugleich fühle ich mich aber sehr geehrt, dass ich an diesem Morgen/Nachmittag durch Claus Biegert diese Botschaft an Euch richten kann. Zuerst möchte ich Euch meine Anerkennung aussprechen für die Hingabe, mit der ihr Euch um die Unterstützung der Rechte indigener und anderer unterdrückter Völker in aller Welt bemüht.

Ich kann nicht behaupten, dass ich eine Antwort kenne auf die Frage, wie wir überleben können, aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sie - wie immer sie lautet - bei uns anfangen muss. Wir müssen ein Weg finden, aus eigener Kraft stark zu werden, unsere Kinder stark zu machen, unser Vertrauen stark zu machen, unsere Verbindung zum Schöpfer stark zu machen. Wir müssen unsere Kinder unermüdlich lehren, sich zu wehren. Wir müssen sie ganz entschieden davor warnen, so zu werden wie unser Feind. Wir müssen sie unausgesetzt lehren, Mutter Erde, den Schöpfer und ihre Mitmenschen zu respektieren, die Vorstellungen ihres Bruders und ihrer Schwester zu respektieren und zugleich wachsam zu bleiben und unser Land und seine Naturschätze zu bewahren.

Wir Ihr vielleicht wisst, habe ich bereits mehr als drei Jahrzehnte meines Lebens als politischer Gefangener der US-Bundesregierung in Haft verbracht für ein Verbrechen, das ich nicht begangen habe. Ich habe schon eine längere Haftzeit verbüßt, als die Höchststrafe im Rahmen der anwendbaren Bundesgesetzgebung vorsieht. Trotzdem haben die Behörden meine Anträge auf vorzeitige Entlassung auf Bewährung immer wieder willkürlich abgelehnt. Amnesty International, die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), der südafrikanische Bischof Desmond Tutu, der Dalai Lama, meine guatemaltekische Schwester Rigoberta Menchú und viele andere Freunde und Unterstützer haben mich als politischen Gefangenen anerkannt und meine unverzügliche Freilassung gefordert. Für Millionen Menschen in aller Welt bin ich ein Symbol geworden für die Ungerechtigkeit gegen die indigenen Völker dieses Landes. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützt meine Sache in Deutschland und im deutschsprachigen Europa bereits seit vielen Jahren mit einer Beharrlichkeit, für die ich sehr dankbar bin.

Ich glaube fest daran, dass die Wahrheit mir eines Tages die Freiheit bringen wird. Sie wird zugleich ein symbolischer Bruch sein mit dem nicht erklärten Krieg Amerikas gegen seine indigenen Völker. Gemeinsam mit meinen indianischen Schwestern und Brüdern warte ich auf dieses neue Zeitalter des gewählten Präsidenten Barack Obama, der angedeutet hat, dass er als Präsident mit allen indigenen Völker in den USA auf der Basis gleichberechtigter Nationen Umgang pflegen will. Es wird ein willkommener und längst überfälliger Wandel sein, der lange auf sich hat warten lassen.

Ich möchte mich sehr herzlich bei den Organisatoren dieses Ereignisses bedanken, ganz besonders für die Gelegenheit, zu Euch zu sprechen. Ich danke dafür aus ganzem Herzen. Niemand kann sich vorstellen, was es für mich bedeutet, nicht vergessen zu sein und dass so viele Menschen unausgesetzt darum kämpfen, dass ich ganz sicher aus dem Gefängnis frei komme. Wenn ich aus der Haft entlassen werde, werde ich das Menschen wie Euch zu verdanken haben, die mich nicht vergessen haben, die nicht vergessen haben, weshalb ich hier gefangen bin, und die die Herausforderung angenommen haben, Gerechtigkeit für unser Volk zu suchen.

Leonard Peltier