18.03.2005

Kurdische und bosnische Frauen mit GfbV-Menschenrechtspreis ausgezeichnet

Festakt in der Frauenkirche zu Dresden

Dresden/Göttingen
Die Schicksalsgemeinschaft der kurdischen Witwen aus dem Barzan-Tal im Irak und die Vereinigung der ehemaligen weiblichen Lagerhäftlinge aus Bosnien sind am heutigen Montag in der Frauenkirche zu Dresden mit dem Victor Gollancz-Menschenrechtspreis der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), ausgezeichnet worden.

Die Laudatio für die kurdische Frauengemeinschaft hielt Frau Danielle Mitterrand (Paris), Präsidentin der France Libertés Fondation, und für die bosnische Frauenvereinigung Frau Sharon Silber (New York) von Jews against Genocide. Der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Prof. Dr. Georg Milbradt, hielt die Festrede.

Der Victor Gollancz-Preis wurde zum dritten Mal verliehen und ist in diesem Jahr mit jeweils 5.000 Euro verbunden. Er ist nach dem in London 1893 geborenen britisch-jüdischen Verleger, Schriftsteller, Menschenrechtler und Labourabgeordneten Victor Gollancz benannt, der mit unbestechlichem Blick für die Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingetreten ist – für die Opfer von Nationalsozialismus und Faschismus aber auch gegen die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa nach 1945 und für ein Verbot von Atomwaffen.

 

Die Schicksalsgemeinschaft der Witwen aus dem Barzan-Tal im Nordirak erhält die Auszeichnung als Wertschätzung ihres Überlebenswillens für ihre Gemeinschaft unter dem barbarischen Diktator Saddam Hussein. "Aufgrund des unermüdlichen und fortdauernden Einsatzes der Frauen haben die betroffenen Restfamilien die Verzweiflung über ihr schweres Schicksal überwinden, ihre zerstörte Heimat wieder aufbauen und eine Lebensperspektive entwickeln können", heißt es in der Begründung. Durch die Giftgasangriffe der irakischen Armee 1987/88 waren 108 Dörfer im Barzan-Tal zerstört worden, 3.500 bis 4.000 kurdischen Familien waren aus dem Gebiet geflohen.

Mehr als 8.000 männliche Angehörigen der Barzan-Frauen zwischen zwölf und 80 Jahren waren mit Ausnahme der Kleinkinder und Säuglinge Anfang der 80-er Jahre auf Befehl Saddam Husseins umgebracht worden: Zuvor schon in Deportationslagern interniert, wurden sie am 30. Juli 1983 von der irakischen Armee und den Republikanischen Garden abgeholt, auf Lastwagen geladen und als angebliche iranische Kriegsgefangene und Agenten des Imperialismus und Zionismus durch die Straßen Bagdads gefahren und im Fernsehen vorgeführt. Erst Jahre später wurde bekannt, dass sie ermordet worden waren. Durch eine Initiative der GfbV sind die meisten der kurdischen Dörfer im Barzan-Tal seit 1991 wiederaufgebaut worden.

 

"Trotz der furchtbaren jüngsten europäischen Verbrechensgeschichte von Holocaust und Gulag erhalten heutige Opfer von Genozid allzuwenig Unterstützung. Wir müssen die UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ernst nehmen. Auch für die Opfer in irakisch Kurdistan und Bosnien", erklärte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch.

"Durch die in serbischen Vergewaltigungs- und Konzentrationslagern durchlittenen Qualen schwer traumatisiert, von der eigenen Regierung im Stich gelassen und von der Weltöffentlichkeit vergessen – das ist das Schicksal der vergewaltigten Frauen in Bosnien", sagte die New Yorker Menschenrechtlerin Sharon Silber, die sich jahrelang bei den Vereinten Nationen und in der amerikanischen Öffentlichkeit für bosnische Opfer engagiert hat in ihrer Laudatio. "Ihre Leiden sind ihr Stigma: Viele dieser Musliminnen vor allem aus Ostbosnien wurden während des Bosnienkrieges monatelang in serbischen Lagern sexuell missbraucht".

Die Vereinigung der ehemaligen weiblichen bosnischen Lagerhäftlinge wird für ihren unermüdlichen humanitären und menschenrechtlichen Einsatz ausgezeichnet: "Beharrlich arbeiten die in der Vereinigung organisierten Frauen für die Durchsetzung der Bürger- und Menschenrechte der weiblichen ehemaligen Lagerhäftlinge und dokumentieren die an ihnen verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit", heißt es in der Urkunde. Die Vereinigung leistet humanitäre Hilfe für jede einzelne dieser über das ganze Land verstreuten Frauen. In ihre heute serbisch kontrollierten Heimatorte können sie nicht zurück. Sie werden nicht psychologisch betreut und sind zumeist ohne Arbeit. Die Vereinigung sorgt durch ihr unermüdliches Wirken dafür, dass diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht in der Anonymität versinken.