25.04.2014

Kritik an Reform des Petitionsrechts in China - Neue Regelung schürt gewaltsame Proteste

Peking schränkt Bürgerrechte weiter ein

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wirft der Regierung der Volksrepublik China vor, die Bürgerrechte durch eine Reform des Petitionswesens weiter einzuschränken. Am 1. Mai soll eine Verordnung in Kraft treten, die Bittstellern die Möglichkeit nimmt, sich an die Zentralregierung zu wenden. Bis auf wenige Ausnahmen sollen alle Petitionen nur noch von den zuständigen lokalen Behörden bearbeitetet werden, gegen deren mutmaßliche Rechtsverletzungen sich die Bittsteller mit ihren Gesuchen meist wenden. „So wird der Bock zum Gärtner gemacht und es wird noch weniger Petitionäre geben, deren Bittgesuchen stattgegeben wird. Denn in China gibt es keine Rechtsstaatlichkeit, die den Bittstellern garantiert, dass ihre Gesuche von unabhängiger Seite ernsthaft und glaubwürdig geprüft werden“, kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen.

„Wir fürchten, dass es aufgrund der umstrittenen "Reform" zu noch mehr gewaltsamen Protesten von frustrierten Petitionären kommen wird“, sagte Delius. Abgewiesene Bittsteller hatten 2013 aus Verzweiflung oder Verärgerung dutzende Bomben- und Brandanschläge sowie Messerattacken begangen. „Diese gefährliche Tendenz wird nun noch weiter zunehmen, da die Petitionen eine wichtige Ventilfunktion in einem Staatswesen hatten, das von Willkür und Machtmissbrauch gekennzeichnet ist.“

Zehntausende Bittsteller wenden sich jedes Jahr an die Zentralregierung, Viele von ihnen fühlen sich als Verlierer der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung. Meist haben sie ihr Haus oder ihre Wohnung durch Immobilienspekulation lokaler Funktionäre der Kommunistischen Partei verloren. Andere wurden Opfer von Übergriffen einflussreicher Parteikader oder sind Falun-Gong-Praktizierende, die an der Ausübung ihres Glaubens gehindert wurden. Alle eint das Gefühl, aufgrund von Filz und Machtmissbrauch auf lokaler Ebene kein Recht bekommen zu können.

Die öffentlichen Proteste der Bittsteller in Peking erregten national und international Aufmerksamkeit. Lokale Verwaltungen entsandten regelmäßig Sicherheitskräfte in die Hauptstadt. Sie sollten die Petitionäre einschüchtern, bedrohen, zusammenschlagen oder in Gewahrsam nehmen, um einen Imageverlust für ihre Provinzverwaltung zu verhindern. Oft wurden die Bittsteller dann tagelang in Geheimgefängnissen in Peking festgehalten, bevor sie zwangsweise in ihre Heimatstädte zurücktransportiert wurden. Dort drohte ihnen bislang oft die Einweisung in Arbeits- und Umerziehungslager. Viele im Jahr 2013 festgenommene Bittsteller waren bereits mehrfach von den Behörden bei dem Versuch festgesetzt worden, ihre Anliegen vorzubringen.

„Das Problem sind nicht die Bittsteller, sondern der systematische Machtmissbrauch und die Willkür der Parteikader und Staatsorgane“, erklärte Delius. „Solange es keine Rechtsstaatlichkeit in China gibt, werden solche Eingriffe in die Bürgerrechte nur die Wut der Betroffenen erhöhen. Eine wirksame Eindämmung der wachsenden Unzufriedenheit wird damit jedoch nicht erreicht.“


Ulrich Delius, der Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, ist erreichbar unter Tel. 0551 49906 27 oder asien@gfbv.de