22.06.2005

Kosovo

Minderheiten: Gefahr für Leib und Leben

Göttingen
Albanischer Mob bedroht Minderheiten

Wieder mussten Menschen im Kosovo um ihr Leben rennen. Zehntausende randalierende Albaner bedrohten am 18. März 2004 die letzten Dörfer und Stadtviertel der Roma und Aschkali. Ihre Häuser wurden angezündet. Das Aschkali-Stadtviertel von Vushtri/Vucitrn brannte nieder. Seine 280 Einwohner, davon zwei Drittel Kinder und Jugendliche, wurden in mit Stacheldraht umzäunten Baracken im französischen Militärstützpunkt zusammengepfercht. Die Aschkali baten den EU-Außenbeauftragten Javier Solana, sich für sie um Aufnahme in einem EU-Land zu bemühen. Vergeblich. Doch weil sie um das Leben ihrer Kinder fürchten, wollen die Aschkali raus aus dem Kosovo. Um dies zu erreichen, haben sie Mitte Juni alle zusammen einen Hungerstreik begonnen.

Nur das nackte Leben gerettet

Die internationale Kosovo-Schutztruppe KFOR hat in diesem Frühjahr wieder versagt. Sie hat nur das nackte Leben der bedrohten Aschkali und Roma bewahrt, ihren Besitz jedoch nicht verteidigt. Genauso wie 1999. Damals hatte die internationale Gemeinschaft die Rückkehr von 1, 5 Millionen albanischen Vertriebenen in ihre Heimatorte durchgesetzt. Aus den Reihen der von serbischen Militärs und Nationalisten verfolgten Albanern formierten sich neue Täter. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) war mit zwei Beobachtern vor Ort, als der albanische Mob

14 000 von 19 000 Häusern der beiden Minderheiten zerstörte und 75 ihrer Stadtteile und Dörfer dem Erdboden gleichmachte. Nicht wenige der Menschen wurden beschimpft, misshandelt, gefoltert, entführt, vergewaltigt oder ermordet. 130.000 der ehemals 150.000 Roma und Aschkali flüchteten seit 1999. Seit März 2004 gibt es nun eine neue Fluchtwelle.

Übergriffe detailliert dokumentiert

Die internationale Öffentlichkeit hat die von der GfbV dokumentierten Fakten lange Zeit kaum zur Kenntnis genommen. Davon ließen wir uns jedoch nicht entmutigen. Unser Team ist bis heute vor Ort. Die GfbV veröffentlichte eine Serie von Berichten und übersandte sie der deutschsprachigen Presse sowie internationalen Medien. Denn die Diskriminierung und Verfolgung der Roma und Aschkali hörte nicht auf. Menschen mit dunklerer Hautfarbe wurden und werden auf offener Straße überall angepöbelt oder angegriffen. Sie müssen um ihr Leben bangen, können ihre letzten Enklaven nicht ohne fremde Begleitung verlassen und erhalten keine Arbeitsplätze mehr. Krankenhäuser verweigern vielfach die Aufnahme ihrer Kranken.

Den Minderheiten der Roma und Aschkali im Kosovo wurde so das Rückgrat gebrochen. Sie waren Bergleute, arbeiteten in der Landwirtschaft, bei Industrie- oder Energiekombinaten. Jetzt muss fast eine ganze Generation ohne Schulbesuch aufwachsen.

Der US-amerikanische Schriftsteller Paul Polansky ist der Leiter unseres vierköpfigen GfbV-Teams für Roma und Aschkali. Es verteilt humanitäre Hilfe an die Ärmsten der Minderheiten. Polansky selbst begleitet Schwerkranke in die Hospitäler, geht mit zu Behörden, wirkt auf die internationale Verwaltung, das UN-Flüchtlingswerk und andere Hilfswerke ein, auch für die Roma und Aschkali aktiv zu werden. Und er dokumentiert weiterhin die Verfolgungen weiterhin, die er in seinen Berichten detailliert beschreibt.

Unsicherer Status lähmt Eigeninitiativen

Fast 40 000 der vertriebenen Roma und Aschkali aus dem Kosovo wurden in Deutschland aufgenommen. Alle deutschen Innenministerien wissen sehr wohl, dass eine Rückführung nicht möglich ist, weil jedem Abgeschobenen Gefahr für Leib und Leben droht. Dennoch werden diese Flüchtlinge bei uns alle halbe Jahr zur freiwilligen Rückkehr aufgefordert und erst danach für weitere sechs Monate geduldet. Mit diesem Status dürfen sie ihr Bundesland, ihr Kreisgebiet nicht verlassen, können keine Arbeit aufnehmen, ihre Kinder keine Ausbildung beginnen. Diese erzwungene Untätigkeit, die oftmals viele Jahre andauert, treibt viele in Depressionen, manche in Alkoholkonsum oder Kleinkriminalität.

Die GfbV fordert für sie jetzt eine Aufenthaltsbefugnis für mindestens ein Jahr. Arbeitsaufnahme und Ausbildung der Jugendlichen wird vielen neues Selbstbewusstsein geben, aber auch die öffentlichen Kassen entlasten. Innenminister handeln verantwortungslos und irrational, wenn sie angesichts der fortdauernden Bedrohung dieser Menschen im Kosovo nicht in diesem Sinne handeln. Als 2003 aus verschiedenen Teilen Deutschlands 100 Angehörige von Aschkali-Familien abgeschoben wurden, wollte niemand unsere Warnungen hören. Jetzt sind die meisten Rückkehrer Opfer neuer Angriffe geworden.

Die internationale Gemeinschaft muss den Schutz der Minderheiten im Kosovo jetzt endlich auf ihre Fahnen schreiben und deren Leben, Eigentum und Bewegungsfreiheit entschieden verteidigen. Sonst werden die vertriebenen und geflüchteten Roma und Aschkali nicht mehr zurückkehren können.

Das können Sie tun:

- Fordern Sie unsere im März 2004 erschienene Dokumentation "Albanischen Brandstiftern schutzlos ausgeliefert – Roma und Aschkali aus Kosovo evakuieren!" und unsere Stellungnahme "Roma, Aschkali und "Ägypter" - ohne Zukunft im Kosovo, Ergebnisse einer Recherche" (Oktober 2003) an.

- Zeigen Sie in Ihrer Stadt/Ihrem Landkreis unsere Fotoausstellung über die "Lage der Roma und Aschkali im Kosovo". Sie können sie kostenlos bei der GfbV ausleihen.

- Verteilen Sie das Faltblatt mit der Postkarte weiter. Beides ist kostenlos bei der GfbV erhältlich.

- Unterstützen Sie unsere Menschenrechtsarbeit durch eine Spende auf unser Konto 50 90 bei der Sparkasse Göttingen, BLZ 260 500 01.