22.03.2016

„Russische Justiz macht sich zum Erfüllungsgehilfen Putins“

Ein Kommentar von Sarah Reinke zum Urteil von Nadja Sawtschenko

Die russische Justiz erfüllt die repressive Politik Putins, wie auch im Fall von Nadja Sawtschenko © UTR NEWS via Wikimedia

„Seit vielen Jahren schon gibt es die Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie in Russland nicht mehr: Die Mehrheit der Medien berichtet, wie die Regierung es will. Das Parlament verabschiedet die Gesetze, von denen die Abgeordneten annehmen, sie sind in Putins Sinne. Die Richter fällen die Urteile, die der Staat von ihnen erwartet. Und seit der Annexion der Krim sind zunehmend auch ukrainische Gefangene betroffen wie jetzt die Pilotin Nadja Sawtschenko“, sagt Sarah Reinke, GUS-Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), in Berlin.

Das Verfahren gegen sie, das die Bezeichnung „Prozess“ nicht verdient, steht in einer langen Tradition: Erinnert sei an die junge Tschetschenin Zara Murtazalieva, die 2005 von einem Moskauer Gericht zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Sie war vollkommen unschuldig, musste aber die gesamte Haftstrafe absitzen. Heute lebt sie als anerkannter Flüchtling in Frankreich. Weltbekannt ist das Verfahren gegen die Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot vom August 2012. Die jungen Frauen wurden zu Identifikationsfiguren für eine ganze Generation junger russischer Intellektueller. 2014 wurde der tschetschenische Historiker und Bürgerrechtler Ruslan Kutaev nach einem Verfahren, das auf unter Folter erpressten Beweisen beruhte, zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Neben seinem stehen 52 Namen politischer Gefangener auf der aktuellen Liste politischer Häftlinge der renommierten Menschenrechtsorganisation Memorial.

Seit der Krim-Annexion und dem Krieg im Osten der Ukraine haben russische Sicherheitskräfte 21 Ukrainer verhaftet, 13 wurden zu teils unmenschlich hohen Haftstrafen verurteilt. Sie werden in Russland festgehalten. Der einzige Ausweg ist oftmals der Gang zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Gegen Russland laufen nach der Türkei dort die meisten Verfahren. Aber auch hier hat die Regierung seit Sommer 2015 wieder das Heft in der Hand: Am 14. Juli 2015 hat das russische Verfassungsgericht entschieden, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nur noch umgesetzt werden müssen, wenn geklärt wurde, dass diese Urteile nicht gegen die russische Verfassung verstoßen.

Bei seinem heutigen Besuch in Moskau muss Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier genau diese Einzelfälle ansprechen.


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