13.05.2005

Keine Hermes-Bürgschaft für Staudamm in Kurdistan

Als der britische Baukonzern Balfour Beatty sich am 13. November 2001 aus dem Ilisu Staudammprojekt in Türkisch - Kurdistan zurückzog, feierten Umweltschützer und Menschenrechtler dies als großen Durchbruch. Der seit 1954 geplante Staudamm ist Teil des riesigen Südostanatolien-Projektes (Güney Anadolu Projesi, GAP), in dessen Rahmen Dutzende Staudämme an den Flüssen Euphrat und Tigris zur Bewässerung und Energiegewinnung gebaut werden sollen. Mit einem Auftragsvolumen von mehr als 630 Millionen DM gehörte das britische Unternehmen zu den großen Partnern der türkischen Investoren. Seit Jahren gibt es in Großbritannien Streit um die Vergabe von Exportkrediten für das umstrittene Projekt. Nachdem eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Juli 2001 zu verheerenden Ergebnissen geführt hatte, kam Balfour Beatty mit seinem Rückzug einer Ablehnung der Exportkredite durch die britische Regierung zuvor. Auch die italienische Ingenieurfirma Impreglio zog sich im November 2001 aus dem Projekt zurück. Bereits im September 2000 hatte der schwedische Konzern Skanska seine Mitarbeit aufgekündigt. Nun sind es vor allem noch türkische Firmen, die den Bau weiter vorantreiben.

Die türkische Regierung verspricht sich aufgrund ihres Engagements in der Antiterror-Koalition nun ein Entgegenkommen westlicher Staaten bei der Vergabe von Exportgarantien. Hoffnungen setzt sie dabei auch auf eine Hermes-Bürgschaft der Bundesregierung in Berlin. Angesichts massiver Menschenrechtsverletzungen, schwerwiegender ökologischer und sicherheitspolitischer Bedenken, der drohenden Zerstörung von Kulturgütern unschätzbaren Wertes und der mangelnden Beteiligung der betroffenen kurdischen Bevölkerung an der Planung des Projekts wäre die Gewährung einer Hermes-Bürgschaft jedoch unverantwortlich. Beantragt wurde sie von der Sulzer Hydro in Ravensburg, der deutschen Niederlassung des gleichnamigen Schweizer Konzerns, der weltweit im Bau von Staudämmen engagiert ist. Seit 1997 ist das Schweizer Unternehmen der maßgebliche Auftragnehmer für die Bauarbeiten am Ilisu-Damm. Die Sulzer Hydro ihrerseits ist eine Tochterfirma der österreichischen Voest Alpine Technologie AG, die im gesamten GAP-Projekt sehr stark engagiert ist.

Der Ilisu-Staudamm wird am Tigris gebaut und in frühestens acht Jahren fertig sein. Die Staumauer wird 1.820 Meter lang und 135 Meter hoch werden. Ein 313 Quadratkilometer großes Gebiet, in dem unter anderem weite Teile der archäologisch und kulturhistorisch außerordentlich bedeutsamen kurdischen Stadt Hasankeyf liegen, soll überflutet werden. 101 Städte und Dörfer werden teilweise, 82 weitere vollkommen im Stausee verschwinden. Bereits geräumt wurden 88 Dörfer und Städte, in denen 15.581 Menschen lebten. Die enteigneten und umgesiedelten kurdischen Kleinbauern warten noch immer auf eine angemessene Entschädigung. 43.733 Menschen leben in den übrigen 95 Siedlungen, die noch nicht zerstört wurden. Somit sind 60.000 Kurden unmittelbar von dem Großprojekt betroffen.

Einmütig lehnen die Kurden das Mega-Vorhaben ab. Zu wach ist die Erinnerung an die Zerstörung von 3.428 kurdischen Dörfern durch türkische Sicherheitskräfte in den 1990er Jahren. Im Zuge der Bekämpfung der terroristischen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) hatten Armee und Polizei eine Politik der verbrannten Erde in den ländlichen Gebieten Kurdistans betrieben. Bis heute weigern sich die Behörden, den Wiederaufbau der systematisch zerstörten Dörfer in die Wege zu leiten. Angesichts dieser Vertreibungsverbrechen und der massiven Menschenrechtsverletzungen misstrauen die Kurden den vollmundigen Versprechungen der türkischen Behörden, nun alle Maßnahmen in enger Absprache mit den Betroffenen zu planen und durchzuführen. Das Misstrauen ist nur allzu berechtigt. Seit die Regierung 1982 den Bau des Ilisu-Staudamms beschlossen hat, lässt sie die Betroffenen im Unklaren über Ausmaß und Fortgang der Arbeiten. Nur aufgrund des Druckes der Exportkreditversicherungen wird nun wenigstens an einem Umsiedlungsplan gearbeitet.

Auch die sicherheitspolitischen Risiken sind gravierend. Die Regierungen Syriens und des Irak, deren Grenzen nur 65 Kilometer entfernt sind, haben bereits ihren entschiedenen Widerstand gegen das Vorhaben angekündigt. Beide Staaten befürchten, dass die Türkei zuviel Wasser am Oberlauf der Flüsse Euphrat und Tigris abzapfen wird und sowohl die Quantität als auch die Qualität des Wasserzuflusses in ihre Länder leiden werden. So droht der Staudamm neue Konflikte in einem äußerst sensiblen Gebiet des Nahem Ostens herauf zu beschwören. Dies kann der internationalen Staatengemeinschaft nicht gleichgültig sein. Ein Krieg um Wasser würde die Bemühungen um Frieden in der umkämpften Region weiter beeinträchtigen. Bislang weigert sich die Türkei, die Konvention der Vereinten Nationen über die Nutzung nicht-schiffbarer grenzüberschreitender Gewässer zu unterzeichnen, die ausführliche Konsultationen bei allen Baumaßnahmen vorsieht, von denen Nachbarstaaten betroffen sind.

Unabsehbar sind die ökologischen Folgen des Projekts. So ist unklar, ob die Betreiber aufgrund der zu erwartenden starken Sedimentablagerungen im Stausee eine Mindestdurchflussmenge an Wasser garantieren können. Schon nach einigen Jahren dürften diese auch den Umfang der geplanten Energieproduktion beeinträchtigen. Noch ist ungewiss, ob die oberhalb und unterhalb des Damms geplanten Kläranlagen auch tatsächlich gebaut werden. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so bleibt fraglich, ob sie in ihrer Kapazität ausreichen werden, um das Flusswasser für die Verbraucher unterhalb der Dämme, die ohnehin mit deutlich weniger Wasseraufkommen rechnen müssen, zu reinigen.