06.02.2013

Islamisten bedrängen gemäßigte Muslime und Christen

Tunesien und Libyen:

Gemäßigte Muslime und Christen werden in Tunesien und Libyen massiv von radikalen Islamisten bedrängt. Dies erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch in Göttingen. "Zwar sind die demokratischen Grundfreiheiten in beiden Ländern seit dem Beginn der Arabischen Revolution umfassender gesetzlich garantiert, aber im Alltagsleben hat der Druck von Islamisten auf gemäßigte Muslime und Christen deutlich zugenommen", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. So wurden in Tunesien 34 Schreine gemäßigter Sufi-Muslime von Islamisten seit dem Umbruch im Jahr 2011 zerstört oder entweiht. Unter der kleinen Gruppe einheimischer Christen werden in Tunesien vor allem Konvertiten massiv bedroht. Im Nachbarland Libyen fürchten nach einem Bombenanschlag immer mehr der 60.000 im Land lebenden ägyptischen Kopten um ihre Sicherheit. Auch seit vielen Jahrzehnten in Libyen lebende Katholiken bangen um ihren Schutz und fliehen ins Ausland. 

"Im Vorfeld der Mitte Februar stattfindenden Feiern zum Beginn des Umsturzes in Libyen vor zwei Jahren fürchten wir weitere Übergriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten in Libyen", sagte Delius. Auch der Apostolische Vikar von Tripolis Giovanni Martinelli beklagte jüngst wachsenden Druck radikaler Islamisten auf Katholiken. Besonders schwierig ist die Lage in der Region Bengasi im Osten des Landes, in der die Islamisten den größten Einfluss haben. So verlassen nun Franziskanerinnen den Ort Barce östlich von Bengasi. Die Ordensgemeinschaft der Heiligen Familie von Spoleto hat sich nach Drohungen aus dem noch weiter östlich von Bengasi gelegenen Ort Derna bereits zurückgezogen.

Besonders betroffen vom zunehmenden Klima der Intoleranz sind ägyptische Kopten, die vor allem als Migranten in Libyen arbeiten. Die Zahl der 60.000 in Libyen lebenden Kopten hat sich infolge des Bürgerkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruchs der Wirtschaft bereits deutlich reduziert. Nach einem Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in Dafniya in der Nähe der Stadt Misrata, bei dem zwei Kopten am 31. Dezember 2012 getötet wurden, geht nun auch unter den Kopten die Angst vor weiteren Terroranschlägen um.

In Tunesien halten die Übergriffe auf Schreine sufistischer Heiliger an. So wurde in der Neujahrsnacht in der nahe der Hauptstadt Tunis gelegenen Küstenstadt Bizerte der aus dem 12. Jahrhundert stammende Ali Hacheni-Schrein zerstört. Am 12. Januar 2013 wurde sogar auch der unter UNESCO Weltkulturerbe-Schutz stehende Sidi Bou Said-Schrein mutwillig niedergebrannt. Am 23. Januar 2013 wurde in dem Touristenort Sousse der Sidi Ahmed Ouerfelli-Schrein von religiösen Extremisten in Brand gesetzt. Die Sufis, die Anhänger eines mystischen Islam, werden von radikalen Islamisten oft angefeindet, weil sie die Autorität der Imame und die Forderung eines absoluten Gehorsams gegen Gott in Frage stellen. Sie predigen hingegen die Liebe zwischen Gott und den Menschen und streben ein Leben in Armut und Askese an.

Die meisten der 22.800 in Tunesien lebenden Christen sind Ausländer. Massiv bedroht werden allerdings die rund 1.500 tunesischen Konvertiten. Sie können ihren Glauben nur im Geheimen praktizieren und müssen um ihr Leben bangen.