30.06.2005

Interview mit Romeo Hakari, Generalsekretär der Bet-Nahrain Democratic Party

Mitglied des kurdischen Nationalparlaments

Romeo Hakari

Göttingen
GfbV: Interview mit Romeo Hakari, Generalsekretär der Bet-Nahrain Democratic Party, Abgeordneter im kurdischen Nationalparlament, 21. Juni 2005

GfbV: Wie Sie wissen, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker im Herbst 2004 eine Kampagne für die assyrisch-chaldäischen Christen im Irak begonnen. Wir hatten damals aus dem Irak Informationen darüber erhalten, dass christliche Kirchen durch Bombenexplosionen zerstört wurden, dass gezielt Christen als Angehörige einer nicht-islamischen Religion und als Angehörige einer Nation angegriffen, schikaniert und getötet wurden. In den letzten Monaten haben wir weniger dieser Nachrichten enthalten. Bedeutet das, dass es tatsächlich weniger solcher Verbrechen gibt oder heißt das nur, dass die Verbrechen gegen einzelne Assyrer unter den Meldungen über 50 Tote bei Anschlägen hier und weitere 20 Tote bei Anschlägen an einem anderen Ort untergehen?

Herr Hakari: Nein, die Situation für die Assyro-Chaldäer ist und bleibt sehr gefährlich. Wissen Sie, wir sind ja eine sehr kleine Gemeinschaft. Wenn bei uns mehrere hundert Menschen sterben, dann ist das schon ein relativ hoher Prozentsatz. Wir sind traurig darüber, dass nicht mehr über unsere Probleme berichtet wird. Immerhin sind wir die Urbevölkerung des Iraks. Wenn Sie in unsere Museen gehen, sehen Sie die Relikte unserer Kultur, die Jahrtausende zurück reicht.

GfbV: Als Menschenrechtsorganisation, die sich besonders für Minderheiten weltweit einsetzt, interessiert uns natürlich besonders auch die Situation der Assyrer im Nordirak. Dort wurde ja kürzlich das Regionalparlament gewählt. Sind Sie zufrieden mit der Repräsentanz ihrer Vertreter in den politischen Institutionen des Nordirak?

Herr Hakari: Wir sind mit den Kurden ja schon lange verbunden, eigentlich seit der brutalen Niederschlagung des Kurdenaufstandes 1991. Wir freuen uns natürlich, dass die Kurden nun einen eigenen Bundesstaat haben. Aber wir sehen auch, dass wir mehr fordern sollten, dass wir mehr als fünf Abgeordnete der insgesamt 110 Parlamentarier stellen sollten und auch mehr Regierungsverantwortung bekommen sollten. Auch in der irakischen Verfassung müssen die Rechte der Assyro-Chaldäer festgeschrieben werden, wir müssen als Volk den anderen Völkerschaften des Irak gleichgestellt werden. Ich möchte aber betonen, dass das Zusammenleben mit den Kurden im Nordirak ansonsten sehr gut ist, dass wir friedlich und brüderlich miteinander leben. Gerade im Vergleich mit der Situation in anderen Teilen des Irak geht es uns im Norden natürlich viel viel besser. Trotzdem möchte ich noch das Problem der Rückkehr in die früheren assyrischen Dörfer im Nordirak erwähnen. Wie Sie wissen, wurde assyrische christliche Bevölkerung von dort vertrieben und wünscht sich nun, in diese alten Dörfer zurück zu kehren. Da hat die Regierung unter Barzani in den letzten drei Monaten schon einiges geleistet. In drei bis fünf Dörfer konnten Christen zurückkehren, wegen anderen Dörfern laufen Verhandlungen. Barzani ist in dieser Frage offener als die anderen kurdischen Verantwortlichen aber diese Prozesse brauchen einfach einige Zeit.

GfbV: Wir haben von anderen assyrischen Politikern und christlichen Geistlichen aus dem Irak gehört, dass es den Wunsch gibt, ein mehr oder weniger geschlossenes Siedlungsgebiet für die Assyrer im Niniveh-Tal einzurichten, wo auch schon früher die Mehrheit der Christen gelebt hat. Können Sie uns dazu etwas Näheres sagen?

Herr Hakari: In zwei bis drei Monaten wird es ein Treffen der assyrischen Parteien des Irak geben. Unser Ziel ist eine gemeinsame Linie besonders was diese Frage anbelangt. Dann werden wir zusammen entscheiden, was wir wollen. Wenn Sie mich nicht als Politiker, sondern als Mensch und Christ fragen, so ist es mein Traum, ein Gebiet zu haben, wo wir in Frieden leben können. Wir haben auch das Ziel, die humanitären Aktivitäten der Assyrer für unsere Landsleute im Irak besser zu koordinieren. Wie Sie wissen, gibt es humanitäre Organisationen in den USA, in Australien und Europa. Wenn wir uns vereinen, werden wir stärker sein.

GfbV: Wie ist die momentane Situation der Flüchtlingsfamilien?

Herr Hakari: Es leben ja über 2.000 christliche Familien als Flüchtlinge im Nordirak. Die kurdische Verwaltung hilft ihnen sehr viel. Aber die Flucht geht weiter. Im Moment sind besonders Kinder und Frauen bedroht. Die Verbrecher denken, die Christen seien viel reicher als die anderen Iraker. Sie verlangen bis zu 5.000 Dollar Lösegeld. Sie verwenden unsere Religion gegen uns.

GfbV: Wir haben immer wieder die Information erhalten, dass amerikanische Kirchen und Sekten im Irak missionieren. Wie stehen Sie dazu und sehen Sie darin eine Gefahr?

Herr Hakari: In der Tat sind diese amerikanischen Glaubensgemeinschaften bei uns sehr aktiv, sie sind in Erbil, in Bagdad und Quala. Wir sind gegen diese Geschichte. Unsere Kirchen haben sich sehr kritisch dazu geäußert. So gab es zum Beispiel einen Kongress dieser Amerikaner in Erbil. Etwa 2.000 Christen aber auch Kurden haben ihre Religion angenommen. Dadurch sind die Assyrer im Irak noch stärker gefährdet, weil die radikalen Moslems, die uns bedrohen, so sagen können, die Christen in ihrer Gesamtheit unterstützten die Politik der Amerikaner. Dies ist für sie ein Vorwand, die Assyrer weiter zu verfolgen. In ihrer Arbeit setzen die Amerikaner viel Geld ein, eigentlich kann man sagen, sie kaufen die Leute, mit Versprechungen aber auch mit Geld.

GfbV: Wie sehen Sie die momentane Politik der Europäer in Bezug auf die Verfolgung der Assyro-Chaldäer im Irak?

Herr Hakari: Wir sind doch ziemlich enttäuscht. Es ist für uns schwer zu verstehen, dass es auch an moralischer Unterstützung fehlt. Wir denken, die europäischen Politiker, humanitären Organisationen und Kirchen müssten mehr zum Schutz unseres Volkes im Irak tun. Gerade vor dem Hintergrund der Verfolgung von irakischen Christen einmal aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und zum anderen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Nation, den Assyrern, ist die Position der europäischen Politiker bedauernswert.