02.07.2005

Interview mit Miradija Gidzic

1. Sie haben Roma-, Aschkali- und "Ägypter"-Frauen interviewt. Welche Ortschaften im Kosovo haben Sie besucht und hatten Sie Schwierigkeiten, an Frauen heranzukommen?

Ich habe 29 Ortschaften besucht. Es war tatsächlich sehr schwierig, mit den Frauen zu sprechen. Dafür musste ich zuerst den jeweiligen Gemeindeleiter um Erlaubnis bitten. Einige wollten ihren Namen nicht verraten. Sie hatten Angst, dass Albaner von möglichen Beschwerden etwas erfahren und sich an ihnen rächen könnten.

2. Wie sieht die Sicherheitslage für Frauen aus?

Sie können sich nicht frei bewegen. Auch vier Jahre nach dem Krieg ist ihr Trauma nicht überwunden. Albaner haben damals viele Roma-Frauen auf der Straße vergewaltigt. Und die Angst vor Übergriffen sitzt tief.

3. Welche Probleme haben sie?

Roma-, Aschkali- und "Ägypter"-Frauen haben praktisch die gleichen Probleme. Am schlimmsten ist, dass sie nicht genug Nahrungsmittel für ihre Familie haben. Das zweite Problem stellt die Hygiene dar. Ich habe viele Kinder gesehen, die infolge von Infektionen Ausschläge im Mund- und Nasenbereich haben. Auch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit ist ein großes Problem. Meistens gehen Frauen betteln. Oft werden sie von Albanern misshandelt, bedroht und aufgefordert, den Kosovo sofort zu verlassen. Viele Frauen suchen in Müllcontainern nach Nahrungsresten. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. So zeigte mir eine Mutter von zwei Kindern im Flüchtlingslager Zitkovac Fleisch, das sie gerade in einem Container gefunden hatte. Es war verdorben. Sie wollte es zum Mittagessen zubereiten. "Ich muss es meinen Kindern geben, damit sie überleben können", sagte sie zu mir.

4. Woran mangelt es außerdem am meisten?

Grundnahrungsmittel wie Mehl und Öl, Hygiene-Produkte, Kleidung, besonders warme Sachen wie dicke Pullover, Hosen, auch Schuhe fehlen. Überall sind Kinder zu sehen, die ohne Kleidung und Schuhe herumlaufen. Es gibt auch keine Arbeit.

5. Wie sind die Rollen zwischen Frauen und Männern verteilt?

Frauen sind im Haushalt beschäftigt. Sie putzen, waschen ihre Wäsche mit den Händen, hacken Holz, machen den Ofen warm und kochen. Viele Frauen müssen dazu noch auf den Feldern arbeiten. Fast alle Männer sind arbeitslos. Einige, die das Glück haben, eine vorübergehende Beschäftigung zu finden, bekommen nur 10 Euro als Tageslohn.

6. Auf welche Schulen gehen die Kinder, wenn sie es überhaupt tun?

In serbischen Gemeinden gehen Roma-Kinder in serbische Schulen und werden dort gut behandelt. In albanischen Gemeinden werden Kinder der Aschkali und "Ägypter" oft auf dem Weg zur Schule von albanischen Kindern misshandelt und geschlagen. Viele Kinder gehen überhaupt nicht zur Schule, weil sie nichts anzuziehen haben und ihnen das Schulzeug fehlt.

7. Werden viele Familien im Kosovo von ihren Verwandten aus dem Ausland unterstützt?

Ja, ohne sie können sie nicht überleben.

8. Wenn Roma, Aschkali, "Ägypter" krank sind? Zu welchem Arzt gehen sie dann?

Roma besuchen serbische, während Aschkali und "Ägypter" albanische Ärzte aufsuchen. Roma bekommen einfache Medikamente kostenlos. Aschkali und "Ägypter" aber müssen ihre Behandlung bei einem albanischen Arzt bezahlen. Einige haben sich bei mir darüber beschwert, wie schlecht sie von albanischen Ärzten behandelt werden.

9. Roma-, Aschkali- und "Ägypter"-Frauen sind kaum in öffentlichen Institutionen oder Firmen beschäftigt. Hätten sie Interesse, an Ausbildungskursen teilzunehmen?

Viele haben Interesse bekundet, an einem Fremdsprachenkurs oder an einem für Nähen, Stricken oder Häkeln teilzunehmen. Handarbeiten sind unter den Frauen sehr beliebt. Sie könnten dann eventuell eine Arbeit finden.

10. Welche humanitären Organisationen unterstützen zurzeit Roma im Kosovo?

Es sind nur ARC (American Refugee Rescue Committee) und Balcan Sun Flower. Doch deren Hilfe ist minimal.

11. Was muss sofort getan werden für Roma-, Aschkali- und "Ägypter"-Frauen im Kosovo?

Frauen müssen umgehend über die hygienischen Maßnahmen aufgeklärt werden. Sie brauchen dringend eine kleine Grundausstattung, so genannte Hygiene-Kits, um Infektionen vorbeugen zu können. Sie brauchen dringend Sachspenden, Kleidung und Schuhwerk für ihre Kinder. Familien brauchen am dringendsten Milch, Brot und Hygieneartikel. Wenn man Ziegen anschaffen könnte, wäre es für das Überleben dieser Familien von großer Bedeutung.

Unser Team bringt Kranke und Alte zum Arzt. Deshalb brauchen wir Geld für die Benzinkosten. Ich würde an alle appellieren, dass sie unser Folgeprojekt für diese verelendeten Menschen unterstützen.