23.06.2005

Innenministerkonferenz in Stuttgart (23./24.06.05)

Plädoyer zum Schutz von Roma und Aschkali aus dem Kosovo: "Abschiebung kann Deportation in den Tod bedeuten"

Angesichts der extrem lebensgefährdenden Situation von Aschkali, Roma und "Ägyptern" im Kosovo appelliert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) dringend an Bundesinnenminister Otto Schily sowie an die Länder-Innenminister und –senatoren, Angehörigen dieser Minderheiten in Deutschland weiterhin Schutz zu gewähren, ihnen eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen und Zugang zum Arbeitsmarkt zu geben. "Abschiebung kann Deportation in den Tod bedeuten, denn die überall lauernde rassistische Gewalt gegen Roma, Aschkali oder "Ägypter" geht sogar so weit, dass auf sie aus vorbeifahrenden Autos geschossen wird", sagt der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. Er kann sich auf die Beobachtungen eines ständigen GfbV-Teams vor Ort stützen, das detail-genau über die katastrophale Lage dieser Minderheiten berichtet. Die Roma und Aschkali können ihre Ghettos nur unter Gefahr für Leib und Leben verlassen.

 

"Neben der beunruhigenden Sicherheitssituation, die die Bewegungsfreiheit der im Kosovo noch verbliebenen Roma, Aschkali und "Ägypter" im Wesentlichen auf ihre nur noch wenigen unzerstörten Dörfer, Wohnviertel oder Lager beschränkt, ist ihre Gesamtsituation unerträglich: Sie erhalten weder genug Grundnahrungsmittel noch Hygieneartikel. Ihnen wird medizinische Versorgung in der Regel vorenthalten. Ihre Arbeitsplätze haben sie verloren. Bedenkenlos betreiben UNMIK und UNHCR vier Lager für 744 Angehörige der Roma und Aschkali weiter, die auf extrem mit Blei belastetem Gelände errichtet wurden. Obwohl vor allem die Kinder schwere Vergiftungserscheinungen zeigen und eines bereits daran gestorben ist, werden die Flüchtlinge nicht umgesiedelt.

 

Vor der Nato-Intervention lebten noch rund 150.000 Roma, Aschkali und "Ägypter" im Kosovo. Heute sind es noch höchstens 20.000. 14.000 von 19.000 ihrer Häuser wurden von extremistischen Albanern zerstört, erst 200 wiederaufgebaut. 24.351 Roma, 8.197 Aschkali und 1.138 so genannte Ägypter aus dem Kosovo haben Schutz in Deutschland gesucht. "Seit mindestens sechs Jahren leben sie unter uns, viele von ihnen bereits seit zehn oder 15 Jahren. Die Kinder und Jugendlichen, vielfach hier geboren und aufgewachsen, beherrschen die Sprache ihrer Eltern nicht mehr", sagt Zülch. Doch nur wenige erhielten eine Aufenthaltsgenehmigung und konnten ungehindert Arbeit aufnehmen. Aufgrund der meist kurzfristigen Duldungen bekommen Jugendliche keinen Ausbildungsplatz, Erwachsene keine Arbeit.

 

"Deutschland ist den Opfern des Holocaust – Juden und Roma gleichermaßen – verpflichtet", meint der GfbV-Generalsekretär. "Die Lage der im Kosovo verbliebenen Roma und Aschkali ähnelt in vielem der Situation der im Dritten Reich verfemten und verfolgten Minderheiten vor Kriegsbeginn. Innenpolitiker und Ausländerbehörden dürfen diese unerträgliche Verfolgung im Kosovo nicht ignorieren!"

 

Auch für Flüchtlinge aus Tschetschenien fordert der Menschenrechtler von den Innenpolitikern längerfristigen Schutz in Deutschland: "Denn niemand kann garantieren, dass in die Russische Föderation abgeschobene Tschetschenen für immer verschwinden, gefoltert oder in Lagerhaft genommen werden. Es ist gedanken- und skrupellos, diese Menschen – unter ihnen selbst tief traumatisierte überlebende Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen – wieder an die Täter auszuliefern."