23.06.2005

INDONESIEN,INDIEN,SRI LANKA: Flutkatastrophe in Südasien

Die Menschenrechtsarbeit der Gesellschaft für bedrohte Völker. Ein Infoheft

Die Bilder von der total verwüsteten Küste von Aceh lösten weltweit Entsetzen aus. Ganze Städte wurden dort am 26. Dezember durch den Tsunami ausradiert. Die Flutwelle zerstörte in weiten Landstrichen alle Häuser, Straßen und Brücken. Doch es hat lange gedauert, bis die Weltöffentlichkeit das verheerende Ausmaß der Flutkatastrophe in dieser indonesischen Provinz erfasste. Während im deutschen Fernsehen in den ersten Tagen nach der gigantischen Welle noch fast ausschließlich die weniger stark betroffene Küste Thailands zu sehen war, warnten wir bereits vor einer noch viel größeren Katastrophe in Indonesien. Leider sollten unsere Warnungen bald bitterer Gewissheit weichen: Zehntausende Menschen hatten dort den Tod gefunden.

Hilfe für bedrängte Helfer

Als Überlebende von der Westküste Acehs berichteten, sie seien Hilfe suchend fünf Tage lang gelaufen und hätten keine Spur von Leben entdeckt, waren wir alarmiert. Staatliche Stellen in Indonesien zählten zu diesem Zeitpunkt "nur" 5.000 Tote und verwehrten internationalen Helfern den Zutritt zu der seit Jahren zwischen der Armee und der Aceh-Freiheitsbewegung GAM umstrittenen Region. Wir schätzten schon damals, dass mehr als 80.000 Menschen ihr Leben verloren hatten und Zehntausende dringend auf lebensrettende Hilfe warteten. Mit Schreiben an die indonesische Regierung, die EU-Außenminister, die US-Regierung und den Weltsicherheitsrat sowie in zahlreichen Presseerklärungen setzten wir uns für die sofortige Öffnung Acehs für internationale Hilfswerke ein. Denn nur internationale Helfer und lokale Hilfsorganisationen aus Aceh bieten die Gewähr, dass Hilfsgüter nicht von der korrupten Armee unterschlagen werden, sondern die Not leidende Zivilbevölkerung tatsächlich erreichen.

Immer wieder warnten wir vor dem "doppelten Spiel" der indonesischen Armee, die einerseits erklärte, helfen zu wollen, und andererseits die Freiheitsbewegung GAM weiterhin aktiv bekämpft. Angesichts des wachsenden internationalen Druckes öffnete Indonesien schließlich die Grenzen der Provinz, die seit Beginn einer Militäroffensive im Mai 2003 für Ausländer, Journalisten und kritische Indonesier gesperrt war. Doch schon bald wollten die indonesischen Behörden die internationalen Helfer wieder loswerden und sie vorzeitig des Landes verweisen. Deshalb riefen wir zu internationalen Protesten auf, und Indonesien musste schließlich nachgeben und den Hilfsorganisationen gestatten, länger in Aceh zu bleiben. Doch auch wir konnten nicht verhindern, dass ihre Arbeit von den indonesischen Behörden mit immer neuen Auflagen beschränkt und behindert wird.

Als militante Muslime begannen, ohne Rücksicht auf die leidende Zivilbevölkerung gegen internationale Helfer in Aceh zu agitieren, waren wir nicht überrascht. Da muslimische Extremisten in den vergangenen Jahren immer wieder gezielt Gewalt in Indonesien geschürt haben, um ethnische und religiöse Konflikte anzuheizen, hatten wir auch jetzt damit gerechnet.

Wiederaufbau braucht Frieden

Nach der Flutkatastrophe verging wochenlang kein Tag, ohne dass wir in Presserklärungen, Briefen, Faxen und E-Mails an Regierungen in aller Welt um Unterstützung für den Frieden in Aceh warben. Denn ohne Frieden kann der Wiederaufbau nicht gelingen. Immer wieder informierten wir über die Hintergründe des Aceh-Konfliktes, der seit 1976 mehr als 12.000 Menschenleben gefordert hat. Durch die Flutwelle erlebte Aceh die dunkelsten Stunden seiner Geschichte. Mindestens 240.000 Menschen starben bei dieser Naturkatastrophe. Doch der Krieg geht weiter. Erste Waffenstillstandsverhandlungen in Finnland brachten keine konkreten Ergebnisse. Seit dem 26. Dezember 2004 sind mehr als 300 Menschen von indonesischen Soldaten in Aceh getötet. Wir werden uns weiter engagiert für den Frieden einsetzen, damit das Leiden der Zivilbevölkerung gestoppt und der Wiederaufbau gefördert wird.

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Ureinwohner überleben Katastrophe

Auf großes Interesse stießen in der Öffentlichkeit aber auch positive Nachrichten, die wir über das Schicksal der Ureinwohner in mehreren Staaten Südasiens verbreiteten. Die große Mehrheit dieser Indigenen auf den indischen Andamanen und Nikobaren, die Wedda in Sri Lanka sowie die Seenomaden in Thailand und Burma hatten die Katastrophe überlebt. Diese kleinen Völker - oft nur wenige Dutzend oder hundert Menschen - hatten die Gefahren der herannahenden Flutwelle rechtzeitig erkannt und sich durch schnelle Flucht ins Landesinnere gerettet. Nur die Nikobarer verloren mehrere tausend Menschen. Sie hatten sich an die moderne Lebensweise angepasst und die warnenden Vorzeichen der Natur nicht bemerkt. Als wir über die "wundersame" Rettung der Ureinwohner berichteten und gleichzeitig auch dagegen protestierten, dass die indischen Behörden den Indigenen internationale Hilfe verweigerten, gab es ein überwältigendes Medienecho. {bild2}

Die Ureinwohner der Andamanen und Nikobaren brauchen auch weiterhin unsere Unterstützung. Denn die Kultur der Groß-Andamaner ist jetzt vom Untergang bedroht. Weil sie nach der Flutkatastrophe von den Behörden umgesiedelt wurden, könnten sie ihre kulturelle Identität verlieren. Wir setzen uns für ihre baldige Rückkehr ein. Andere Ureinwohner-Gruppen sind von den Folgen der Naturzerstörung nach der Flutkatastrophe akut bedroht. So wurden Plantagen zerstört, Anbauflächen in der Nähe der Küsten sind nicht mehr nutzbar und der Fischfang leidet massiv unter der Verwüstung der Korallenriffe durch Schlammlawinen und Unrat. Diese Menschen brauchen Hilfe, bis sich die Natur erholt hat.