14.02.2007

Indigene Völker in Brasilien

Am Rande des Abgrunds

Versammlung, Aty Guasu genannt, wo Probleme, Politik und Strategien diskutiert werden; Egon Heck / CIMI

 

Überblick

Etwa 735.000 Angehörige indigener Völker leben in Brasilien. Manche verfügen über eigene Territorien, andere leben in den Städten und einige leben noch heute in freiwilliger Isolation ohne Kontakt zur Außenwelt. Sie gehören etwa 235 unterschiedlichen Völkern und 170 Sprachgruppen an und sind in 24 der 27 Bundesstaaten Brasiliens zu finden. Von Seiten der Regierungsbehörde für die Indianer in Brasilien Funai werden zuweilen deutlich niedrigere Zahlen genannt. Doch viele Ureinwohner beginnen erst allmählich, sich zu ihrer Identität zu bekennen und machen von ihrem Recht auf Selbstidentifikation Gebrauch, das ihnen die "Konvention zu den Rechten indigener und in Stämmen lebender Völker Nr. 169" der International Labour Organisation ILO zuspricht. Brasilien hat die Konvention im Juli 1993 ratifiziert.

Geschichte

Indianer bewohnten in einer großen ethnischen Vielfalt das heutige Brasilien lange bevor um 1500 die ersten Europäer dorthin kamen. Damals waren sie größten Teils Halbnomaden, die als Selbstversorger von der Jagd, dem Fischfang, dem Sammeln von Nahrung und dem Wanderfeldbau lebten. Die meisten der damals nach Schätzungen etwa 2000 unterschiedlichen Völker starben als Folge der europäischen Besiedlung, die Krankheiten, Mord und Sklaverei mit sich brachte, aus, andere gingen in der brasilianischen Mehrheitsbevölkerung auf. Von geschätzten vier bis sechs Millionen Menschen in prä-kolumbischer Zeit ging ihre Anzahl auf gerade etwa 100.000 im Jahre 1950 zurück. In der Gesamtbilanz könnte man dies als einen der größten Völkermorde der Menschheit bezeichnen.

Landrechte

Für Angehörige indigener Völker hat das Land sehr große Bedeutung. Oft bezeichnen sie es als ihre Mutter. Land gibt ihnen Wasser, Nahrung, einen Ort zum Leben. Ohne Land gibt es kein Leben. Die Verfassung Brasiliens von 1988 hat den indigenen Völkern das ursprüngliche Recht auf das traditionell von ihnen besiedelte Land zugesprochen. Sie sicherte ihnen ebenfalls die Respektierung ihrer sozialen Organisation, ihres Brauchtums, ihrer Sprachen, Glaubensvorstellungen und Traditionen zu. Derzeit gibt es in Brasilien 851 indigene Gebiete, von denen aber nur 325 offiziell registriert und damit unumstößlich anerkannt sind.

Das Anerkennungsverfahren verläuft in fünf Schritten:

1. Identifizierung der Gruppe: Untersuchungen einer Arbeitsgruppe der staatlichen Indianerbehörde Funai (National Governmental Council on Indigenous Issues/ Nationaler Regierungsrat für indigene Belange) zu den ursprünglichen Grenzen des Gebiets unter Hinzuziehung von ethnologischen Forschungsergebnissen, rechtlichen und historischen Dokumenten, Gesprächen, archäologischen und soziologischen Erkenntnissen, etc. Der daraus folgende Bericht muss von dem Präsidenten der Funai bestätigt werden. Mit der Veröffentlichung einer Zusammenfassung in der staatlichen Tageszeitung beginnt eine Frist von 90 Tagen, innerhalb der jeder, der dies wünscht, Einspruch einlegen kann. Die Funai hat danach 60 Tage Zeit, ihrerseits Stellung zu nehmen und den Report an das Justizministerium weiterzuleiten.

2. Verlautbarung: Das Justizministerium muss nach Erhalt des Vorgangs innerhalb von 30 Tagen die Größe des indigenen Gebietes bekannt geben.

3. Demarkierung: Es folgt die tatsächliche Vermessung und Abgrenzung des indigenen Territoriums.

4. Zulassung: Der Präsident der Republik bestätigt mit seiner Unterschrift die Demarkierung.

5. Registrierung: Das indigene Territorium wird in einem Notariat offiziell registriert (binnen einer Frist von längstens 30 Tagen nach der Zulassung durch den Präsidenten).

 

Indigene Gebiete in Brasilien (Stand: 6. Dezember 2006)

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Diese Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Brasilien ist noch weit davon entfernt, seinen Verfassungsauftrag gegenüber der indigenen Bevölkerung zu erfüllen. Zurzeit gibt es zahlreiche Anklagen gegen Landwirte, nationale und internationale Unternehmen, die illegal in indigenes Land eindringen und Waldgebiete abholzen, das Holz rausschaffen und das Land übernehmen, um dort Vieh zu züchten, Reis oder Soja anzubauen, Müllkippen einzurichten, sich traditionelles Wissen der Ureinwohner anzueignen, und anderes mehr.

BEISPIELE

Registriertes Land: Awa-Guajá – Invasionen und Bahntrasse

Die Awa-Guajá leben im Bundesstaat Maranhão im östlichen Teil des Amazonas im Norden Brasiliens. Ihr Land ist registriert, genießt also eigentlich den größtmöglichen rechtlichen Schutz. Aber ein einziger Satz in ihrer Sprache macht deutlich, was wirklich geschieht: Iwy karai are kaá rehe anã! – Der weiße Mann ist in unseren Wald zurückgekehrt!

Die Awa-Guajá wurden von der brasilianischen Gesellschaft erst 1973 "entdeckt". Zuvor hatten sie - unsichtbar für andere - im Wald gelebt. Nach der ersten Kontaktaufnahme begann das Verfahren zur Klärung der Landrechte und seit den 1980er Jahren hat die Funai den Awá besondere Gebiete zugewiesen. Inzwischen gibt es Anzeichen dafür, dass noch immer eine Gruppe von etwa 30 Awá tief im Wald lebt, die keinen Kontakt zu anderen Menschen wollen. Entscheidend ist, dass es keine Rechtssicherheit für Landbesitz gibt, sodass es jeder Zeit problemlos möglich ist, widerrechtlich in indigenes Land einzudringen. Holzunternehmen, Fischer und Jäger nutzen dies aus. Entwaldung und Rückgang der Wildbestände sind die Folgen. Dadurch haben die Awá zunehmend Probleme, durch Jagd, Fischfang und Sammeln von Früchten und Sämereien ausreichend Nahrung zu finden.

Hinzu kommt, dass eine Bahnlinie das Indianerland durchquert, die von der Vale Rio do Doce – Gesellschaft betrieben wird, einem der weltweit größten Metall verarbeitenden Bergbauunternehmen. Diese Bahnlinie hat das Eindringen in die bereits geschädigten Waldgebiete enorm erleichtert und damit zum Zuzug von immer mehr Menschen geführt. Der Lärm, den die Züge verursachen, die alle 30 Minuten voll beladen mit Stahl vorbeidonnern, vertreibt das Wild aus diesem Waldgebiet. Das bedeutet: Eintragung ins Landregister ist keine Garantie für ein gesichertes traditionelles Überleben.

Vom Präsident bestätigt (aber noch nicht im Register eingetragen): Vertreibung der Guarani-Kaiowá

Im März 2005 konnten die Guarani-Kaiowá feiern: endlich hatte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva einen langen Kampf beendet und die Grenzen ihres Gebietes Nhande Ru Marangatú mit seiner Unterschrift bestätigt. Doch der Sieg überdauerte nicht lange. Benachbarte Viehzüchter hatten die Anerkennung des Gebietes erfolgreich vor Gericht angefochten. Am 15. Dezember 2005 früh am Morgen rückte eine 100 Mann starke Truppe der Bundespolizei an, um die etwa 60 Guarani-Kaiowá auszuweisen. Dabei kam es zwar nicht zu unmittelbarer Gewaltanwendung, aber die Begleitumstände waren für die Gemeinschaft traumatisierend: "Hubschrauber flogen sehr tief über dem Gelände. Kinder schrieen und weinten. Wir alle standen in brütender Hitze am Rande der Straße. Als die Polizei fort war, verbrannten die Viehzüchter alle unsere Häuser, die Ernte und unsere Dokumente. Wir besaßen nur noch die Kleider, die wir am Leib trugen."

Zehn Tage nach der Vertreibung kam es zu neuer Gewalt. Am Weihnachtsabend wurde ein wichtiger Führer der Guarani-Kaiowá von einem Angestellten eines privaten Sicherheitsunternehmens erschossen. Bis heute wurde niemand wegen dieses feigen Verbrechens verhaftet. Die Situation der Guarani-Kaiowá ist sehr Besorgnis erregend. Seit der Vertreibung sind drei Kinder an Mangelernährung gestorben. Der Landrechtsprozess liegt so lange auf Eis, bis die nächste Instanz vor dem Obersten Gericht eröffnet werden kann. Bislang sind keinerlei Initiativen in diese Richtung ergriffen worden.

Vom Justizminister festgelegt: Das Gebiet der Arara wurde verkleinert

Die Arara, die auch unter dem Namen Ugoromo bekannt sind, wurden erstmals 1980 kontaktiert. Der Demarkierungsprozess ihres Gebietes Cachoeira Seca zieht sich in die Länge, seit der Justizminister 1993 die Grenzen bestätigt hat. Seit 1996 haben zahllose rechtliche Eingaben das Verfahren lahm gelegt. 2004 wurde eine neue Gruppe mit der Durchführung von weiteren anthropologischen und geografischen Studien beauftragt. Der Bericht wurde 2005 abgeschlossen und liegt seitdem bei der Funai. In diesem Fall hat die Regierung nicht nur ausgesprochen langsam gearbeitet sondern außerdem versucht, die Arara zu überreden, sich mit einem kleineren Gebiet zufrieden zu geben. Sie hat versucht, die Not der Indianer, ein gesichertes Territorium zu bekommen, auszunutzen. Dabei lehrt die Erfahrung anderer indigener Völker, dass ein Einverständnis zur Verkleinerung des Territoriums nicht automatisch eine Beschleunigung des Verfahrens zur Folge hat. Mehrfach wurde bereits ein Gebiet durch Regierungsanordnung verkleinert und das Demarkierungsverfahren trotzdem nicht abgeschlossen.

Die Arara sind erst seit Kurzem in Kontakt mit der nicht-indigenen Gesellschaft Brasiliens. In den 1940er Jahren hielt man sie für ausgestorben. Aber in den 1970er Jahren wurden die Pfade, die von den nicht-indianischen Brasilianern benutzt wurden, bis in ihre Rückzugsgebiete vorangetrieben. Während der 1980er Jahre wurden im Zuge der Baumaßnahmen zur Trans-Amazonika drei Arara-Gruppen mit zusammen etwa 100 Angehörigen aufgespürt. Diese Kontaktaufnahme bescherte den Arara Infektionskrankheiten wie Grippe und Durchfall, die zu einem weiteren Rückgang ihrer Bevölkerung führten. Nur wenige Gruppen überlebten und nahmen gegen Holzhändler, Viehzüchter und Landräuber den Kampf um ihr Recht, auf ihrem eigenen Land zu leben, auf. Heute durchqueren hunderte Straßen, auf denen die Holztransporter unterwegs sind, das Land dieses Volkes. Und auch der Belo Monte Staudamm beeinflusst ihr Leben indirekt.

Identifiziert: Tupinikim/Guarani – Kampf gegen ein multinationales Unternehmen

Die Tupinikim/Guarani wehren sich gegen den multinationalen Konzern Aracruz, den größten Zelluloseproduzenten der Welt. Zellulose ist das aus Holz gewonnene Rohprodukt der Papierindustrie, in diesem Fall aus Eukalyptusholz, da diese Baumart sehr schnell wächst. Aracruz besitzt im Osten Brasiliens in den Bundesstaaten Espirito Santo, Bahia und Minas Gerais 235.000 Hektar Eukalyptusplantagen, im wirklichen Wortsinn Monokulturen. Dazu gehören auch fast 8.000 Hektar Land der Tupinikim/Guarani, die der Konzern widerrechtlich besetzt hält und um die seit 30 Jahren ein Rechtsstreit zwischen beiden Parteien geführt wird. Der andere Teil des insgesamt mehr als 11.000 Hektar großen indianischen Territoriums, etwa 3.500 Hektar, ist in den Händen indianischer Gemeinden. Die Indianer sagen, dass sie schon immer in diesem Gebiet gelebt haben und dass Aracruz ihr Land besetzt hat. Aracruz seinerseits bestreitet, dass es dort Indianer gab, als der Konzern in den 1960er Jahren mit dem Eukalyptusanbau begann.

Die Funai hat in den zurückliegenden Jahren vier Studien im Rahmen des Identifikationsverfahrens durchgeführt. Alle kamen zu dem Ergebnis, dass die umstrittenen und von Aracruz genutzten 8.000 Hektar indianisches Land sind. Jetzt liegt es am Justizministerium, das Gebiet entsprechend auszuweisen. Die 30-Tages-Frist ist bereits seit langem ergebnislos verstrichen. Aracruz hat damit begonnen, ethnische Vorurteile und Rassismus gegen die Tupinikim/Guarani zu schüren, indem der Konzern rassistisches Material an den Schulen verteilen lässt, große Stellwände mit rassistischen Parolen aufstellt und entsprechende Artikel in der Zeitung publiziert.

Am 16. Januar 2007 kam eine Gruppe von 50 Tupinikim/Guarani, zu denen auch einige Häuptlinge und Führer aus dem Bundesstaat Espirito Santo gehörten, nach Brasilia um von der Regierung eine eindeutige Erklärung über die Verabschiedung des Demarkationsdekretes zu fordern. Es war das zweite Mal in kurzer Zeit, denn schon am 18. Dezember 2006 waren sie in die brasilianische Bundeshauptstadt gekommen, um dort den Justizminister, Márcio Thomas Bastos, zu treffen. Weil ihnen dies in einem Abkommen mit der Funai zugesagt worden war, hatten sie am 13. Dezember 2006 eine Blockade des Ausfuhrhafens Portocel des Aracruz Konzerns beendet, die am Tag zuvor mit mehreren Hundert Indianern begonnen hatte. Doch niemand fand in den vier Tagen ihres Aufenthaltes in der Hauptstadt Zeit für die Delegation, weder der Minister noch sein Assistent empfingen sie. Auch eine Kopie der Akten über ihren Demarkierungsprozess, die ihnen nach 1.775/96, par. 3 (die betroffene indigene Gruppe …. Wird an dem Verfahren in jeder einzelnen Phase beteiligt) zusteht, bekamen sie damals nicht ausgehändigt.

Das gleiche Bild auch dieses Mal: der Justizminister empfing sie nicht. Stattdessen zogen die Indianer selbst zum Ministerium, um dem Minister eine Petition zu übergeben, in der er aufgefordert wird, endlich ohne weitere Verzögerung das Demarkationsdekret zu unterzeichnen. Am folgenden Morgen suchten schließlich Vertreter des Justizministeriums und der Funai die Indianer in ihrem Zeltlager vor dem Ministerium auf und erklärten ihnen, dass noch keine Entscheidung gefällt worden sei, weil die Indianer das Abkommen mit der Regierung gebrochen hätten. Nun sollen sie also selbst Schuld daran sein, dass der Justizminister das Versprechen auf gesicherte Landrechte, das er ihnen schon 2006 gegeben hatte, nicht einhält.

Noch zu identifizieren: Tumbalalá – Umweltschutz

Die Studie über das Land der Tumbalalá wurde schon im Oktober 2004 an die Funai weitergeleitet, aber von der Indianerschutzbehörde bislang nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Das Gebiet liegt im Norden des Bundesstaates Bahia im Osten Brasiliens. Cícero Marinheiro, einer der Führer der Tumbalalá, führt die Verschleppung des Verfahrens darauf zurück, dass die São Francisco Hydroelectric Company (Chesf) den São Francisco – Fluss mit mehreren Dämmen stauen will. Das Staatsunternehmen Chesf hat in Brasilien die größten Kapazitäten zur Stromgewinnung. Die Tumbalalá leben an den Ufern des São Francisco – Flusses in Bahia und kämpfen schon seit Jahren um ihre Landrechte. 2003 stellte die Funai, die die Tumbalalá zunächst nicht als indigenes Volk anerkannt hatte, eine Gruppe zusammen, um das indianische Land zu identifizieren. Inzwischen haben sich in dem umstrittenen Gebiet etwa 450 Landbesetzer niedergelassen, vielfach Bauern, die von den Staudämmen, die der Chesf in ihren Dörfern errichtet hat, betroffen sind. Die Staudämme haben die Bedingungen für den Nahrungsanbau der Menschen stark verändert. Solange die Funai aber die Studie zur Identifizierung der Tumbalalá und ihres Landes nicht in der staatlichen Tageszeitung veröffentlicht hat, liegt der Anerkennungsprozess brach. Solange gilt auch ihr Territorium als "noch zu identifizieren".

Außerhalb jeglichen Verfahrens: zwölf indigene Völker, die offiziell nicht als Ureinwohner anerkannt sind

Im Norden Brasiliens an den Ufern der Flüsse Tapajós und Arapiuns leben die indigenen Völker der Tupinambá, Arapium, Jaraqui, Tupaiu, Tapajó, Arara Vermelha, Cara Preta, Maytapu, Munduruku, Borary, Apiaka und Kumaruara noch immer in ihrem traditionellen Land. Sie alle sind offiziell nicht anerkannt, schlimmer noch: für keines dieser zwölf Völker ist das Anerkennungsverfahren auch nur in die Wege geleitet worden. Für zwei der Völker begann die Funai zwar 2001 mit den Studien; da diese aber bislang nicht veröffentlicht wurden, ist es so gut, als seien sie gar nicht erstellt.

Aus diesem Grund erhalten die etwa 7000 Ureinwohner keinerlei medizinische Grundversorgung, was jedes Jahr zu mehreren eigentlich unnötigen Todesfällen etwa durch Schlangenbisse führt. Die nächste Stadt ist weit entfernt, dorthin zu kommen bedeutet mindestens 12 bis 24 Stunden Fahrt in kleinen überladenen Booten. Kranke überleben dies häufig nicht. Abgesehen davon ist das gesamte Gebiet von großen Soja-Plantagen umgeben, die sich jeden Tag weiter ausdehnen. Zudem gibt es eine wahre Invasion von Holzfällerunternehmen und die Region wird darüber hinaus gerade vom Tourismus entdeckt. Da das Anerkennungsverfahren für diese Völker brach liegt, gibt es für sie keinerlei Gewährleistung dafür, dass ihre Rechte geschützt werden.

Reservate - (Gebiete, die indigenen Völkern von staatlichen Institutionen zugewiesen werden, die aber nicht immer den von diesen Völkern traditionell besiedelten Gebieten entsprechen): Krahô-Kanela – Bürokratie

Nach drei Jahrzehnten Wanderschaft sind die Krahô-Kanela seit 2001 gezwungen, in einem Haus zu leben, das auf dem Gelände einer alten Müllkippe in der Stadt Gurupi, Bundesstaat Tocantins, gebaut wurde und über keinerlei sanitäre Einrichtungen verfügt; dort werden sie Opfer von Krankheiten und sozial entwürdigenden Lebensbedingungen, die sich auch negativ auf ihre Familienstruktur auswirken. Im August 2006 unterzeichneten die Präsidenten von Funai und Incra (Nationales Institut für Landreform) eine gemeinsame Vereinbarung über die Enteignung von zwei landwirtschaftlichen Betrieben auf dem Land der Krahô-Kanela. Dieses als "Mata Alagada" bezeichnete Gebiet liegt im Bezirk Lagoa da Confusão im Bundesstaat Tocantins. Danach stellte die Funai den Enteignungsantrag allerdings über Monate nicht zu und verursachte damit weitere Verzögerungen. Am 8. Dezember wurde endlich ein entsprechendes Dekret im Amtsblatt (official gazette) veröffentlicht. Die Funai muss das Land nur noch kaufen. Die Kaufsumme ist von der Incra auch schon freigegebenen, wurde von der Funai aber bislang nicht abgerufen.

Gewalt gegen indigene Völker

Eine alarmierende Tendenz kann über die vergangenen Jahre beobachtet werden, nämlich die Gewalt von Angehörigen indigener Völker gegen die eigene Gemeinschaft. Dies geschieht offensichtlich als Folge davon, dass sie die Gewalt, von der sie umgeben sind, verinnerlicht haben, und auch als Ergebnis der Auflösung ihrer gemeinschaftlichen Lebensweise als Folge des Verlustes ihres traditionellen Landbesitzes und jeglicher Überlebensperspektive.

Die Gründe für die Gewalt gegen die indigenen Völker Brasiliens sind vielfältig. Es gibt jedoch auch Gemeinsamkeiten:

Besetzer indigener Territorien sind in der Regel Landwirte und deren bezahlte Söldner, Holz verarbeitende Unternehmen sowie Jäger und Fischer, die sich in bewaffneten Gruppen zusammenschließen, um in Ureinwohnerland einzudringen und Angehörige der indigenen Gemeinschaften zu töten, zu verwunden, zu bedrohen, zu vergewaltigen oder auszurauben.

Die Regierung Brasiliens ist nicht in der Lage, der Ureinwohnerbevölkerung die Ausübung des Rechts auf Leben, auf medizinische Grundversorgung und besondere Behandlungsmethoden, auf Schutz vor ihren Angreifern und Wahrung ihres materiellen und kulturellen Erbes zu ermöglichen.

Militär- und Bundespolizei werden von lokalen Gerichten ermächtigt, die Vertreibung indigener Gemeinschaften mit Zwang durchzusetzen.

Beamte des Staates pflegen stereotype, diskriminierende Anschauungen über indianische Gemeinschaften und verletzen deren Rechte.

Wer ist CIMI?

Cimi ist das Kürzel des Indianermissionsrates (Conselho Indigenista Missionário), einer Organisation zur Unterstützung der indigenen Völker Brasiliens, die sich im Wesentlichen auf den Kampf um Land konzentriert. Denn Land ist der Schlüssel zu ihrem Wohlergehen und Überleben. Cimi wurde 1972 von der Nationalen Bischofsvereinigung von Brasilien (National Confederation of the Bishops of Brazil /CNBB) gegründet. Dialog mit den indianischen Kulturen ist die Grundlage der Missionsarbeit von Cimi. Die indigenen Völker kennen zu lernen ist die Voraussetzung dafür, ihnen mit Respekt zu begegnen. Wer für Cimi arbeitet, lebt immer und bei jeder Gelegenheit mit den Ureinwohnern zusammen, ganz besonders dann, wenn sie um ihre Rechte kämpfen müssen. Cimi ist Partnerorganisation der Gesellschaft für bedrohte Völker für die Unterstützung der indigenen Völker Brasiliens.

1995 wurden die Ziele von Cimi wie folgt festgeschrieben:

"Angetrieben durch unseren Glauben an die Prinzipien von Leben, Gerechtigkeit und Solidarität und im Angesicht der Aggression des neo-liberalen Modells haben wir beschlossen, unsere Unterstützung für und unsere Präsenz bei den indigenen Völkern, Gemeinschaften und Organisationen zu verstärken, in der brasilianischen Gesellschaft als ihre Verbündeten aufzutreten und damit den Autonomieprozess dieser Völker zu stärken auf dem Weg zur Entstehung eines alternativen, multiethnischen, umfassenden und demokratischen Projekts."

Die Arbeit von Cimi beruht auf den folgenden Prinzipien:

Respekt gegenüber der indigenen Vielfalt, ihrer ethnischen und historischen Mannigfaltigkeit und des Wertes ihres traditionellen Wissens.

Indigene als eigentlich handelnde und Cimi als Verbündeter im Kampf um die Garantie ihrer historischen Rechte.

Stellungnahme und Einsatz für die indigene Sache mit dem Ziel, eine auf Demokratie, Gerechtigkeit, Solidarität sowie multiethnisch und multikulturell aufbauende Gesellschaft zu errichten.

Cimi glaubt daran, dass die indigenen Völker eine Inspiration sein können für unsere heutige Welt sowie für die Überprüfung der Bedeutung, der Geschichte, des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens innerhalb dieser Welt.

So arbeitet Cimi:

In ganz Brasilien arbeiten 300 Personen, Laien und Kirchenmenschen, mit indigenen Völkern. Die 102 Teams werden von elf Regionalbüros und einem Nationalen Sekretariat in der Hauptstadt Brasilia unterstützt. Das Sekretariat steuert methodologische, politische, rechtliche, theologische und anthropologische Fachkenntnisse bei. Das Büro in Brasilia ist in eine Justiz-, eine Kommunikations- und eine Dokumentationsabteilung gegliedert. Die theologische Abteilung hat ihren Sitz in São Paulo. Vom Büro in Brasilia wird auch seit nunmehr 30 Jahren das Magazin Porantim herausgegeben.

Alle zwei Jahre findet eine Vollversammlung statt, bei der die Prioritäten der Arbeit festgelegt werden. Der Aufsichtsrat setzt sich aus den elf Koordinatoren der Regionalbüros und einem Präsidium zusammen, das seinerseits aus einem Präsidenten (ein von der brasilianischen Bischofskonferenz CNBB ernannten Bischof), einem Vizepräsidenten und zwei Sekretären besteht.

Cimi strebt eine Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche, dem Staat und der Gesellschaft an. Sie wollen das Missionswerk mit den indigenen Völkern in Einklang bringen, um bei Maßnahmen der Legislative, der Exekutive und der Judikative zu intervenieren und um die verschiedenen sozialen Bewegungen zu ermutigen, Solidarität mit den Anliegen der Indigenen zu üben. Cimi unterstützt die indigenen Völker mit seinem Nationalen Sekretariat und den Regionalbüros in den folgenden Bereichen:

1. Land

Für alle indigenen Völker ist das Land die Voraussetzung für das Leben und eine umfassende Ausübung ihrer Kultur. Daher ist es das oberste Ziel von Cimi, den Kampf um Rückgewinnung, Demarkierung und garantierte Absicherung sämtlicher indigener Territorien zu unterstützen.

2. Die indigene Bewegung

Es gibt zahlreiche Organisationen, Wortmeldungen und Bewegungen, die sich unter dem Stichpunkt "indigene Bewegung" zusammenfassen lassen und dazu beitragen, die indigenen Rechte zu verteidigen. In diesem Rahmen entstehen gemeinsame Projekte, bilden sich Allianzen. Cimi beteiligt sich an dieser Bewegung mit seinen Informationen, mit Diskussionen und Hilfestellung.

3. Allianzen

Die brasilianische Gesellschaft muss sich verändern und eine neue Sozialordnung aufbauen, die auf Solidarität, Respekt für Menschenwürde sowie ethnischer und kultureller Vielfalt basiert. Deshalb schließt Cimi Allianzen mit Bereichen der Zivilgesellschaft, Latein-Amerikanischen Organisationen, Solidaritätsgruppen und auf internationaler Ebene.

4. Eine Struktur, um die Autonomie indigener Völker zu unterstützen

Aus Sicht von Cimi ist die Entstehung dieser Struktur ein wesentlicher Prozess, der sich in der praktischen Arbeit vollzieht. Daran ist jede Gemeinschaft, jedes Volk, jede indigene Organisation beteiligt. Die Herausforderungen, Ausblicke und Ausrichtung werden dabei immer wieder überprüft.

5. Bildung, Gesundheit und Selbstversorgerwirtschaft

In diesen drei Bereichen legt Cimi Wert darauf, den Wert der jeweils eigenen Art und Weise der indigenen Völker, sich ein eigenständiges Leben aufzubauen, anzuerkennen. Es ist von großer Bedeutung, ein tiefes Verständnis und einen entschiedenen Respekt gegenüber ihren unterschiedlichen Weltanschauungen, Gesundheits- und Bildungssystemen, ihren Ansichten für eine Selbstversorgerwirtschaft zu hegen. Dies ist eine Grundvoraussetzung für die Arbeit von Cimi in den Dörfern und in den Bereichen der öffentlichen Macht, wenn die Politik des Staates geplant wird.

6. Interkultureller und interreligiöser Dialog

Cimi möchte einen Dialog begründen, der auf gegenseitigem Respekt und der Gleichheit unter den Menschen beruht. Das Leben der indigenen Völker, ihre Art zu sein, zu denken, zu leben und miteinander umzugehen ist von Religiosität durchdrungen. Der inter-religiöse Dialog respektiert die unterschiedlichen Auffassungen über das heilige Wesen, den Ursprung und die Bedeutung des menschlichen Lebens und den Wert dieser großen Vielfalt and Bekenntnissen und Glaubensüberzeugungen. Dies ist der Motor ihres Lebens, der ihnen hilft, Alternativen zu dem gegenwärtigen neoliberalen Projekt zu finden.

7. Indianer in den Städten

Der starke und anhaltende Druck auf indigene Kulturen und Gebiete führt zu einer kontinuierlichen Anwanderung indigener Familien oder sogar geschlossener indigener Völker. Viele von ihnen sind in Städter abgewandert auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Daraus entsteht eine neue Herausforderung für Cimi: diese Prozess zu verstehen und einen Dialog zu beginnen, der die Rechte garantiert und dem Ringen um eine entsprechend erweiterte indigene Sache Ausdruck zu geben.

 

Kontakt:

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