23.08.2010

Indien: Pogrome gegen Christen vor zwei Jahren (23.8.)

Orissas Christen warten noch immer auf Gerechtigkeit

Flüchtlingscamp Daringbadi (Foto James Albert/GfbV)


Seit zwei Jahren warten die überlebenden Opfer der Pogrome radikaler Hindu gegen Christen im indischen Bundesstaat Orissa auf Gerechtigkeit. Am zweiten Jahrestag des Beginns der blutigen Übergriffe (23.8.2008) berichtete der Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, in Göttingen: "Nur halbherzig werden die Verantwortlichen für die damaligen Pogrome zur Rechenschaft gezogen. In der Region herrscht ein Klima der Angst und Straflosigkeit, das einer Demokratie unwürdig ist. Mehr als 2.000 Brandschatzungen, Körperverletzungen und Morde werden von indischen Gerichten nicht gesühnt werden, weil Zeugen sich bedroht fühlen und es nicht wagen, gegen die Gewalttäter auszusagen."

 

Hindu-Nationalisten hatten christliche Adivasi-Ureinwohner in Orissa im Bezirk Kandhamal nach der Ermordung eines radikalen Hindu-Führers durch maoistische Rebellen am 23. August 2008 gezielt und planmäßig angegriffen. Mindestens 120 Christen wurden ermordet, 4.640 ihrer Häuser, 252 Kirchen und 13 Schulen wurden zerstört und niedergebrannt. Rund 50.000 Angehörige der Minderheit flohen.

 

Obwohl die Opfer der Gewalt 3.232 Strafanzeigen stellten, wurden nur 891 Strafverfahren eingeleitet. Rund 12.000 Hindu werden beschuldigt, an den Pogromen mitgewirkt zu haben, doch 11.803 dieser Verdächtigen befinden sich zurzeit auf freiem Fuß. "Mit großer Sorge verfolgen viele Christen in Orissa, dass bereits 684 Angeklagte mangels Beweisen freigesprochen wurden", sagte Delius. Nur 162 Personen wurden bislang zu zumeist geringen Haftstrafen verurteilt. Eine lebenslange Haftstrafe müssen nur fünf Personen verbüßen.

 

Wenn tatsächlich Gefängnisstrafen verhängt werden, so werden die Täter meist nicht wegen Mordes, sondern wegen minderer Delikte belangt. So wurden die Mörder des Christen Rasamanda Pradhan am 30. Juni 2010 nicht wegen Mordes verurteilt, sondern müssen nur sechs Jahre Haft wegen Totschlags verbüßen. Sie hatten den gelähmten Mann bei lebendigem Leibe verbrannt.

 

Selbst Manoj Pradhan, einer der Drahtzieher der Pogrome, bekam mit sieben Jahren Gefängnis und weniger als 100 Euro Geldbuße eine milde Strafe. Der Abgeordnete der Hindu-nationalistischen BJP-Partei im Parlament Orissas wurde am 29. Juni 2010 nur wegen gefährlichen Waffenbesitzes verurteilt. Die Witwe des von ihm ermordeten Parikhita Nayak hatte mit einer lebenslangen Haftstrafe gerechnet. Denn ihr Mann wurde vor ihren Augen kaltblütig umgebracht. Auch ihre beiden Töchter mussten den Mord mitansehen. Nur weil die sechsjährige Lipsa den Angeklagten mit ihrer Zeugenaussage belastet hatte, wurde der Abgeordnete überhaupt verurteilt. Er legte Berufung gegen das Urteil ein und wurde zur Empörung der Christen in Orissa am 2. August gegen Kaution aus der Haft entlassen.

 

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