10.06.2005

In British Columbia (Kanada) sollen Indianer rechtswidrig enteignet werden

Wintersport contra Landrechte

Wer fährt noch in den Alpen auf völlig überfüllten Pisten Ski? Auch das frühere Schneeparadies Aspen in Colorado ist inzwischen out. Die Zukunft des Wintersports liegt in den unberührten Tälern British Columbias und kann am besten mit Heliskiing genutzt werden. Das meinen zumindest die Reiseveranstalter DerTour, Tui, Marlbororeisen und der Sturmböck Club, und das ADAC-Magazin Ski 2001 gibt ihnen Recht. Diese Veranstalter bieten Touren in die Skianlagen Whistler und Sun Peaks in British Columbia an der Westküste Kanadas an, und man kann bei ihnen auch Heliskiing buchen. Statt an Lifts an den Pisten Schlange zu stehen, fliegen die Teilnehmer dieser Reisen mit dem Hubschrauber zu den einzelnen Gipfeln, und das mehre Male am Tag. Besondere Anreize: Pulverschnee, unbefahrene Pisten, unberührte Gipfel, kleine Reisegruppen... "Nicht mal fliegen ist schöner", meint das ADAC-Magazin über das Tiefschnee-Abenteuer.

Für die dort lebenden Indianer, die Secwepemc, Nlak‘-pamux, Okanagan, St’at’imc und Southern Carrier, ist dies allerdings kein Anlass zur Freude, denn riesige Ferienanlagen, wie Sun Peaks und Whistler werden in ihre Territorien gebaut. Die Helikopter donnern über ihre Täler und Gipfel hinweg, in denen sie bislang gefischt und gejagt haben und die für sie eine große spirituelle Bedeutung haben. Eigentlich dürften die Gebiete, auf denen jetzt Ski-Anlagen gebaut werden, ohne Einwilligung der Indianer, die zu den 48 First Nations Kanadas gehören, nicht genutzt werden, denn die kanadischen Ureinwohner British Columbias wurden weder militärisch besiegt noch enteignet und betrachten sich deshalb als die einzigen rechtmäßigen Eigentümer ihrer Territorien. Das wurde ihnen auch von der britischen Krone bestätigt. Vom obersten Gerichtshof wurde ihnen in der Delgamuukv-Entscheidung das Land als "Aboriginal Title" zuerkannt. Doch der Bundesregierung und der Provinzregierung geht diese Entscheidung viel zu weit. Sie betrachten das Land als Staatseigentum. Deshalb vergeben sie Einschlaglizenzen und die Erlaubnis zur Landerschließung, ohne die Indianer in diese Planungen mit einzubeziehen.

Rund 22,3 Millionen Touristen kommen zum Ski-Fahren, Snowboarden oder Schneemobil-Fahren nach British Columbia. Sie bringen der Wirtschaft 9,2 Milliarden kanadische Dollar. Doch die Betreibergesellschaften wollen noch weiter expandieren und kündigten neue Investitionen für Erweiterungen an, um sich für die Olympischen Winterspiele 2010 zu bewerben. Zuletzt hat die Provinzregierung von British Columbia die Cayoosh Creek-Skianlage bewilligt, die in das letzte noch unberührte Tal der St’at’imc Nation gebaut werden soll.

Die Ältesten der Secwepemc konnten die Folgen der Wintersportanlage Sun Peaks in der Nähe von Kamloops nachweisen: Der Grundwasserspiegel sank und zahlreiche Pflanzen und Tiere verschwanden. Andere Tiere wurden aus ihren Gebieten vertrieben und sind so vom Aussterben bedroht. Die Flüsse wurden trüb, so dass der Lachs dort nicht mehr laichen kann. Für die Umwelt in Kanada hat der Bau von Ski-Anlagen noch massivere Auswirkungen als in den Alpen. Denn im Gegensatz zu British Columbia waren die Täler in Europa zuvor bereits erschlossen und die Hänge teilweise kahlgeschlagen. In Kanada werden Skianlagen vor allem in unberührte Täler gebaut, die dadurch zum ersten Mal in westlichem Sinne besiedelt werden. Diese Täler waren bislang Zufluchtsort für bedrohte Tierarten wie zum Beispiel den Grizzly-Bären und wurden von den Indianern traditionell genutzt.

Als Protest gegen die Ausweitung des Wintersports haben die Secwepemc und die St'at'imc Lager aufgebaut, in denen permanent Angehörige der Gemeinschaften leben und auf ihre angestammten Landrechte hinweisen. Ihre Proteste sind friedlich und werden von allen Familienangehörigen mitgetragen.

In diesen Camps protestieren die Ureinwohner nicht nur gegen die Skianlagen, sondern machen auch auf die Alternative des Ökotourismus aufmerksam, denn sobald ihre Landrechte anerkannt werden, sind sie durchaus bereit, die Schönheit der Landschaft in ihren Gebieten auf ökologisch verträgliche Weise auch den Touristen zu zeigen und ihnen ihr traditionelles Wissen zu vermitteln. Sie haben indianische Winterhäuser und Erdkeller gebaut, in denen sie ihre Vorräte einlagern, und sie fischen und jagen nach dem traditionellen Kalender. All diese Fähigkeiten geben die Stammesältesten an die Kinder weiter, ebenso wie Gesänge und Geschichten. Sie wären bereit, auch einer begrenzten Anzahl von Touristen in den Camps ihr Wissen und ihre Kultur nahe zu bringen und zu zeigen wie man das Land nutzt kann, ohne es auszubeuten.

{bild1}

Die Betreiber der Ski-Anlagen und auch die Landesregierung versuchen, die Proteste zu stoppen, um keine wirtschaftlichen Einbußen zu erleiden. Doch da die Indianer weiterhin protestieren, versucht die Landesregierung nun, die Camps durch die Polizei zu räumen. So wurde das Lager durchsucht, weil angeblich gefährlich aussehende Männer mit Gewehren gesehen worden waren. Die Polizei nahm Indianer fest, die sie allerdings bald mangels Beweisen freilassen musste. Gewehre wurden nicht gefunden. Um so mehr ist jetzt internationale Unterstützung gefordert, damit die Camps bestehen bleiben können und die Indianer nicht durch den Tourismus verdrängt werden.

International haben diese Proteste bereits Aufmerksamkeit erregt. Chief Arthur Manuel, Vorsitzender der Secwepemc-Nation und der Interior Alliance, besuchte auf einer von der österreichischen Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker organisierten Europareise eine Vielzahl von Parlamentariern aus verschiedenen Ländern sowie Unterstützer- und Umweltschutzorganisationen. Er forderte die Touristen auf: "Die Urlauber sollen hinterfragen, um welchen Preis in Kanada Skigebiete erschlossen werden. Skivergnügen auf Kosten der Menschenrechte und der Natur kann nicht das Ziel des Tourismus sein."

Die GfbV - International hat eine Kampagne gestartet, in deren Rahmen auch die Europareise von Chief Manuel stattfand. Weitere Besuche sind geplant. Die Kampagne wendet sich gegen die Missachtung des Gerichtsurteil durch die Regierung und appelliert an das Komitee der olympischen Spiele, die Winterspiele 2010 nicht nach British Columbia zu vergeben, so lange die Rechte der Indianer nicht gewahrt werden. Außerdem möchten wir auch gegen die Ausweitung des Wintersports protestieren und zwar bei den deutschen Reiseveranstaltern, die Reisen in die Ferienanlagen im Indianerland anbieten und dafür werben. Wir bitten Sie deshalb an die Reiseveranstalter Protestbriefe zu schreiben, in denen Sie ihnen mitteilen, dass Sie Ferienanlagen, die ohne Einwilligung der Indianer auf ihren Territorien gebaut werden, nicht gutheißen, und darum bitten, diese Art von Reisen aus ihrem Angebot zu nehmen.