08.11.2005

"Höchste jemals in menschlichen Haarproben nachgewiesene Bleibelastung" - GfbV befürchtet Missbrauch deutscher Hilfsgelder

Schwere Vorwürfe gegen UN: 560 Roma-Flüchtlinge im Kosovo tödlich giftigen Schwermetallen ausgesetzt

Die "höchste jemals in menschlichen Haarproben nachgewiesene Bleibelastung" hat nach eigenen Angaben der renommierte Umweltmediziner Klaus-Dietrich Runow bei seinen Untersuchungen in drei UN-Flüchtlingslagern für 560 Roma und Aschkali im Kosovo feststellen müssen. Das ist eines der erschütternden Ergebnisse der Analyse von 66 Haar- und Blutproben, das der Ärztliche Leiter des Institutes für Functional Medicine und Umweltmedizin (Bad Emstal) am Dienstag auf einer Pressekonferenz der Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) in Berlin vorgestellt hat.

 

Der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, warf der UNMIK, der "zwischen-zeitlichen Verwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo", vor, die Flüchtlinge und ihre Kinder jahrelang wissentlich der extrem hohen Belastung mit den tödlich giftigen Schwermetallen ausgesetzt zu haben und forderte die sofortige Auflösung der Lager Cesmin Lug, Kablare und Zitkovac. "Wir stimmen mit Dr. Runow überein, dass alle dort untergebrachten Roma und Aschkali in ein nicht kontaminiertes Gebiet in akzeptable Unterkünfte gebracht, von einem internationalen Ärzteteam untersucht und dann in umweltmedizinischen Therapiezentren in Westeuropa entgiftet werden müssen."

 

Die GfbV machte die Bundesregierung außerdem darauf aufmerksam, dass die UNMIK die 500.000 Euro, die Deutschland erst vor wenigen Tagen für die Umsiedlung der Flüchtlinge bereitgestellt hat, offensichtlich dafür verwenden will, die Roma und Aschkali in ehemaligen Kasernen der französischen Kfor-Truppen unterzubringen. Das wäre ein Missbrauch deutscher Hilfsgelder, denn die Kasernen liegen ebenfalls in dem kontaminierten Gebiet, sagte Zülch.

 

"Aus umweltmedizinischer Sicht werden die Flüchtlinge irreversible Schädigungen des Nerven- und Immunsystems sowie Störungen des Knochenwachstums und der Blutbildung davontragen, wenn jetzt nicht schnelle Hilfe kommt", warnte Dr. Runow. Die Bleibelastung, die er ermittelt hat, liegt bei fast allen der 66 Untersuchten um mehr als das 200-fache über dem Referenzbereich. Bei vielen ist sie wesentlich höher. Extreme Werte ergab zum Beispiel die Analyse für einen Siebenjährigen, dessen Bleiwerte um das 1200-fache über dem Referenzbereich lagen. Bei allen Analysen wurden neben Blei stark erhöhte Werte bei folgenden toxischen Metallen gemessen: Antimon, Arsen, Cadmium und Mangan. Bei allen Proben war der Spiegel des für die Entgiftung und das Immunsystem wichtigen Spurenelementes Selen stark erniedrigt.

 

Die GfbV hatte den Umweltmediziner mit einem Untersuchungsteam in den Kosovo entsandt, nachdem der Gesundheitszustand der Flüchtlinge immer schlechter wurde. Vor allem Kinder zeigen deutliche Vergiftungserscheinungen wie Gedächtnisverlust, Krämpfe, Apathie und komatöse Zustände. Das GfbV-Kosovo-Team befürchtet, dass etliche Todesfälle in den Lagern auf Bleivergiftung zurückzuführen sind.

 

Die UNMIK ist für die drei Lager verantwortlich, die - trotz eindringlicher Warnungen auch der GfbV - unmittelbar nach der Nato-Intervention 1999 ganz in der Nähe von Abraumhalden einer Mine errichtet wurden. Seither wird die extreme gesundheitliche Gefahr für die Roma und ihre Kinder ignoriert. Sie gehören zu den wenigen noch im Kosovo verbliebenen Minderheiten-angehörigen. Extremistische Albaner haben etwa 120.000 der früher 150.000 Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter gewaltsam aus dem Kosovo vertrieben. 14.000 ihrer 19.000 Häuser - 75 ihrer Siedlungen und Stadtteile - liegen in Trümmern oder wurden von Albanern in Besitz genommen. ACHTUNG BILD- und TV-REDAKTIONEN: Die GfbV hat die Arbeit von Dr. Klaus-Dietrich Runow in den Flüchtlingslagern gefilmt und fotografiert und dabei die deprimierende Situation der Roma dokumentiert. Wir überlassen Ihnen gern Rohmaterial zur Durchsicht und Fotos zur Veröffentlichung.

 

Als Interview-Partner stehen der Umweltmediziner Dr. Klaus-Dietrich Runow, der Leiter des GfbV-Kosovo-Teams, Paul Polansky, seine Mitarbeiterin Miradija Gidzic sowie der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch zur Verfügung.