29.07.2006

Hilferuf der Amur Ewenken

Im Frühling 2005 wandte sich Elena Kolesova, die Vorsitzende des Verbandes der indigenen Gruppen der Region Amur zum ersten Mal an die Dachorganisation RAIPON. Sie berichtete darüber, wie die Rechte der indigenen Gruppen in ihrer Region von Waldarbeitern, Goldsuchern, Straßenbauern und der Verwaltung verletzt werden.

"Im Jahre 2000 begann der Bau der Umnak-Elga Straße, die direkt durch unser Land führt. Im Zuge dessen kamen Holzarbeiter, Wilderer und Goldsucher in unser Gebiet. 2002 wurde die Arbeit an der Straße unterbrochen, ein Holzhandelszentrum wurde aber mitten auf unserem Land aufgebaut. Genau dort, wohin sich die trächtigen Rentiere zurückzogen, um zu kalben. Unsere Rentierzüchter versuchten, die Tiere woanders hin zu treiben, was ihnen aber nicht gelang. Dann schossen Holzhändler zweimal auf die Tiere. Beim ersten Mal töteten sie acht Rene, beim zweiten Mal 14. Als wir sie damit konfrontierten, sagten sie, sie hätten ja nicht erkennen können, dass es sich um zahme Rentiere handelte. Unsere Rene tragen Glocken um den Hals und Bänder, außerdem haben die Waldarbeiter keine Jagdlizenzen.", berichtete Frau Kolesova.

Nach der Konfrontation mit den Waldarbeitern hätten diese begonnen den Rentierzüchter, dessen Rene sie getötet hatten, zu verfolgen und zu drangsalieren. Sie hätten das so lange getrieben, bis Vadim, der Rentierzüchter, sich umbrachte, erklärt Kolesova weiter. Viele der Rentierzüchter seien seit der Ankunft der Fremden gestorben. Früher gab es große Herden und 22 junge Züchter. Keiner davon ist übrig geblieben. Der Ehemann von Frau Kolesova starb an einem Herzinfarkt. Einen ersten Infarkt erlitt er, als die Wohnung der Familie von der Polizei durchsucht wurde, nachdem sich Frau Kolesova mit Briefen an die Behörden gewandt hatte. Dort wurde sie angeschrieen und bedroht. Der ältere Sohn der Familie brachte sich im Winter 2005 um und hinterlässt seine Frau und Tochter. Der jüngere Sohn wurde in einem unfairen Gerichtsverfahren zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Noch weitere der jungen Rentierzüchter brachten sich um, starben an Alkoholvergiftungen und Krankheiten.

Auch Arkadij Ochlopov, Vorsitzender des Vereins "Aborigen" im Bezirk Selemdzhin in der Region Amur wandte sich in dringenden Appellen an die Öffentlichkeit. Er warf den Goldgräbern vor, die Weiden der Rentierzüchter in Wüsten zu verwandeln. Die betroffenen Ewenken haben so ihre Lebensgrundlage verloren. Sie sind so verzweifelt, dass sie mit kollektivem Selbstmord gedroht haben, sollten sie keine Unterstützung von Seiten der Behörden bekommen. Arkadij Ochlopov selbst sagte, er wolle sein Leben dafür opfern, dass den Ewenken geholfen wird. Der Dachverband indigener Völker RAIPON hat durch Briefe und Beschwerden versucht, die Betroffenen zu unterstützen.

Von den 35.527 Ewenken in ganz Russland (Volkszählung 2002) leben im Verwaltungsbezirk Amur 1.501. Die meisten von ihnen sind Rentierzüchter.

Quelle: npolar.no/ansipra/