01.07.2005

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Alter Kultur droht Untergang

Foto: Erling Söderström

Für die Tibeter stehen die Uhren auf fünf vor zwölf: Ihre Jahrtausende alte buddhistische Kultur droht unterzugehen, da chinesische Siedler ihrem Land immer stärker ihre eigene Prägung geben. Jede Woche lassen sich mehrere tausend von ihnen in Tibet nieder. Angelockt von Versprechungen der chinesischen Regierung, siedeln sich die ungebetenen "Zuzügler" vor allem in den Städten an. Dort beherrschen die 7,5 Millionen Chinesen inzwischen Handel, Dienstleistungen und Verwaltung. So verliert die alte tibetische Hauptstadt mehr und mehr ihren tibetischen Charakter: Heinrich Harrers altes Lhasa geht unter, traditionelle tibetische Stadtviertel müssen "sozialistischem" Städtebau weichen. Schnellrestaurants, Internetcafés und Bordelle entstehen, neue breite Straßen und moderne Wohnblocks erleichtern den chinesischen Sicherheitskräften die Kontrolle der Bevölkerung. Schon stellen Han-Chinesen und Hui die Mehrheit der Einwohner Lhasas. Pekings aggressive Siedlungspolitik ist wirksamer als die gewaltsame Unterdrückung jeglichen Widerstandes wie die Verhaftung von protestierenden Nonnen und Mönchen. Denn Tibets Bevölkerungsstruktur wurde verändert, und die 5,5 Millionen Tibeter wurden zur Minderheit im eigenen Land gemacht.

Für den Dalai Lama ist diese Sinisierung die größte Gefahr für das Überleben Tibets. In einem Gespräch mit der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat er unsere Menschenrechtsorganisation gebeten, vor den katastrophalen Folgen der chinesischen Siedlungspolitik zu warnen. Unsere Proteste gegen die Zerstörung des "Weltkulturerbes" in Lhasa haben mit dazu beigetragen, dass die UNESCO, die Kultur-Organisation der Vereinten Nationen, Chinas "Sanierung mit Planierraupen" kritisierte. Doch die schleichende Zerstörung der tibetischen Kultur schreitet jeden Tag weiter voran.

Tibetische Kultur wird zerstört

China rühmt sich, mehr als 1.400 buddhistische Klöster wiederaufgebaut zu haben, die während der Kulturrevolution zerstört wurden. Doch in diesen Klöstern können die Tibeter heute ihren Glauben nicht frei praktizieren. Denn China hat systematisch alle Nonnen und Mönche gezwungen, sich schriftlich von ihrem religiösen Oberhaupt, dem Dalai Lama, zu distanzieren. 12.000 Nonnen und Mönche, die dazu nicht bereit waren, mussten ihre Klöster verlassen. Die chinesischen Behörden setzten in jedem Kloster willfährige Äbte ein, um sicherzustellen, dass es keinen Widerstand gegen die chinesische Herrschaft in Tibet gibt. Es wurde sogar verboten, Bilder des Dalai Lama zu besitzen.

Der Druck auf die tibetische Kultur beginnt schon in den Schulen. Dort wird immer weniger Tibetisch unterrichtet. Systematisch wird die chinesische Sprache gefördert. Tibetische Eltern werden gedrängt, ihre Kinder nur in Chinesisch unterrichten zu lassen, um ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Vor allem in den ländlichen Gebieten nimmt der Druck auf die Tibeter zu, sich assimilieren zu lassen. Die UN-Sonderberichterstatterin für Bildung, Katarina Tomasevski, kritisierte kürzlich, dass noch immer 39,5 Prozent der Bevölkerung in Tibet Analphabeten sind.