04.04.2009

Heimlicher Genozid in West-Papua

Internationale Unterstützung wird dringend benötigt!

Protest in London für die Freilassung von poltischen Gefangenen in West-Papua (Quelle: Tom Chandler - flickr.com)

West-Papua ist seit 40 Jahren - von der internationalen Öffentlichkeit kaum bemerkt - Schauplatz eines blutigen Krieges. Schätzungen gehen davon aus, dass dem indonesischen Genozid seit 1963 bis heute nahezu 150.000 indigene Papua zum Opfer gefallen sind.

West-Papua ist der Westteil von Neuguinea, der zweitgrößten Insel der Erde. In den Regenwaldregionen im Landesinneren und in den Küstengebieten leben die indigenen Papua in etwa 250 verschiedenen Stammesgruppen, einschließlich einiger nicht kontaktierter, mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen. Traditionell betreiben Papua Subsistenzwirtschaft, einige sind bis heute Jäger und Sammler. Die melanesische indigene Bevölkerung unterscheidet sich ethnisch von den eingewanderten Indonesiern meist malaiischer Herkunft, die heute das Land beherrschen. In West-Papua befindet sich auch der letzte intakte tropische Regenwald Asiens. Das Land ist besonders reich an natürlichen Rohstoffen wie Kupfer, Gold, Silber, Nickel, Bauxit, Erdöl und Erdgas. Die indonesische Regierung setzte sich in den 1960er Jahren rigoros über die traditionellen Landrechte der Papua hinweg, die ohne Entschädigung enteignet und ihrer Lebensgrundlage beraubt wurde. Damit multinationale Konzerne die wertvollen Ressourcen in gigantischen Großprojekten unter militärischem Schutz ungehindert ausbeuten können – mit verheerenden Folgen für die Umwelt -, verfolgt die Zentralregierung eine Politik der ethnischen Vertreibung.

 

Politische Entwicklung

Nach der Unabhängigkeit Indonesiens von den Niederlanden 1945 blieb West-Papua zunächst unter niederländischer Verwaltung. 1961 beschloss der erste Volkskongress der Papua in Absprache mit den Vereinten Nationen die Unabhängigkeit mit einer eigenen Flagge und Nationalhymne. Darauf reagierte die indonesische Regierung mit einer ersten Welle von Gewalt. 1963 gelang es Indonesien mit Hilfe der USA West-Papua unter indonesische Verwaltung zu stellen. Indonesien verpflichtete sich ein Referendum unter der indigenen Bevölkerung durchzuführen. Im sogenannten "Act of Free Choice" 1969 (für die Papua "Act of No Choice") wurden 1025 ausgewählte Papuadelegierte von den Militärs unter Androhung von Folter gezwungen für den Anschluss an Indonesien zu stimmen. Die UNO akzeptierte diesen Skandal. Das Kapitel West-Papua galt damit als völkerrechtlich abgeschlossen.

Gleichzeitig mit der Annektierung West-Papuas begann die indonesische Regierung 1969 eine gezielte Umsiedlungs- und Einwanderungspolitik mit finanzieller Unterstützung der Weltbank. Mit der Zuwanderung von Menschen von dicht besiedelten indonesischen Inseln vor allem aus Java und Bali wurde zum einen das Ziel verfolgt einen indonesischen Nationalismus zu verbreiten und zum anderen die Papua aus ökonomisch lukrativen Gebieten zu vertreiben. Durch die massiv vorangetriebene Einwanderungspolitik wurden die Papuas in allen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens systematisch marginalisiert. Große Teile des Landes, die den Ureinwohnern von der Regierung weggenommen wurden, gingen an die Zuwanderer, Plantagenbesitzer und Minengesellschaften. Die meist moslemischen Indonesier beherrschen heute den gesamten Handel, das Baugewerbe, die Banken und Fabriken, sie besetzen die Posten in Verwaltung, Politik, Polizei und Militär. Die Papua wurden zu den ärmsten Bewohnern in ihrem eigenen Land. Die extrem hohe HIV-Infektionsrate und die große Zahl der Aidskranken unter den Papua ist ein weiterer Schritt zu ihrer Dezimierung.

 

Kampf um Unabhängigkeit

Seit den 1960er Jahren kämpfen die Papua für die Unabhängigkeit von Indonesien und gegen die rücksichtslose Ausplünderung ihres Landes durch multinationale Konzerne. 1965 wurde die "Organisasi Papua Merdeka" - OPM (Organisation für ein freies Papua) gegründet. Bei der OPM handelt es sich nicht um eine Guerilla, sondern um lose vernetzte lokale Widerstandsinitiativen, die ihre Interessen gegenüber der Regierung in Jakarta gemeinsam durchsetzen will. Männer mit Pfeilen und Speeren stehen einer ausgebildeten Armee mit modernen Waffen gegenüber. Die Papua fordern politische und wirtschaftliche Partizipation sowie Entschädigung für Landenteignungen, geeignete Umweltschutz- und Entwicklungskonzepte, die ihre Lebensweise berücksichtigen. Die OPM wurde von Anfang an von der indonesischen Regierung als terroristisch eingestuft. Jede Darstellung ihrer eigenen Kultur wie die Selbstbezeichnung "Papua" und das Singen in lokaler Sprache wurde als Separatismus gedeutet. Besonders das Hissen der papuanischen Morgensternflagge führte zu massiven Übergriffen der Sicherheitskräfte. In der Zeit von 1971 bis 1998 wurden Teile West-Papuas zu militärischen Zonen erklärt. Sie durften von Außenstehenden nicht ohne vorherige Genehmigung besucht werden. Seit der Annexion West-Papuas durch Indonesien 1963 sind bei militärischen Operationen der indonesischen Armee in den 1970er und 1980er Jahren sowie bei Wellen exzessiver Gewalt in den Jahren 2001, 2003, 2004 und 2005 vor allem im entlegenen Hochland über 150.000 Papua ums Leben gekommen. Tausende wurden gefoltert. Seit dem Jahr 2003 dürfen offiziell keine ausländischen Journalisten mehr nach West-Papua einreisen.

Seit Anfang der 1980er Jahre sind Tausende Papua vor den schweren Menschenrechtsverletzungen durch das indonesische Militär in den Nachbarstaat Papua Neuguinea oder in den Dschungel geflüchtet. Die meisten der schätzungsweise 11.000 Flüchtlinge verstecken sich in der Nähe der Grenze im Süden des Landes in Flüchtlingslagern.

 

Aktuelle Menschenrechtssituation

Kirchen und Menschenrechtsorganisationen aus West-Papua berichten aktuell immer noch von schweren Menschenrechtsverletzungen durch indonesische Sicherheitskräfte. Bei einer Kundgebung zum "Internationalen Tag der Indigenen Völker" im August 2008 mit mehreren Tausend Teilnehmern im Hochland, eröffneten die Sicherheitskräfte sofort das Feuer, als neben drei anderen Flaggen die Morgensternflagge der Papua gehisst wurde. Ein Teilnehmer wurde dabei tödlich getroffen. Nachdem im Oktober 2008 die Vereinigung "Internationale Parlamentarier für West Papua" in London gegründet wurde, fanden zur Begrüßung und Unterstützung dieser in vielen Teilen West-Papuas Demonstrationen statt, die teilweise gewaltsam aufgelöst wurden. In den folgenden Monaten wurden Menschenrechtsaktivisten willkürlich verhaftet, brutal misshandelt und gefoltert. Mehrere Hundert politische Gefangene, darunter schwangere Frauen, Jugendliche und Kinder, die schon ab acht Jahren strafmündig sind, befinden sich zur Zeit in Gefängnissen. Viele von ihnen wurden wegen Separatismus und Flaggenhissung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Vor allem hochrangige Militärangehörige und Polizisten werden dagegen wegen Misshandlung und Folter nicht vor Gericht gestellt und bestraft.

Seit 2008 hat es eine massive Truppenverstärkung in West-Papua gegeben. Mit Entführungen, willkürlichen Erschießungen, Vergewaltigungen und Folter versetzt die Armee und die Polizei die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Tausende Papua forderten auf der Demonstration am 24. März 2009 ein neues Referendum zur Unabhängigkeit von Indonesien. Eine Terrorkampagne pro-indonesischer Milizen wie sie in der Vergangenheit in Osttimor gegen die Befürworter der Autonomie gerichtet wurde, ist zu befürchten.