06.02.2012

Grußwort der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)

Demonstration für Freie Wahlen in Russland am 4.2.2012 in Berlin

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Demonstration für freie Wahlen in Russland in Berlin,

die Gesellschaft für bedrohte Völker unterstützt die Forderungen der Demonstranten des Bündnisses für Faire Wahlen. Die Entstehung der Protestbewegung in Russland erfüllt uns alle mit Hoffnung. Wir hoffen, dass dieses zarte Tauwetter die Kraft entfaltet, aus entmündigten Einwohnern des größten Landes der Erde mündige Bürger zu machen, die ihre Rechte einfordern. Wir hoffen, dass diese Forderungen in einer immer freieren Presse Gehör finden. Wir hoffen, dass das heute weitgehend gleichgeschaltete Parlament seinen Namen wieder verdient und dass die Justiz endlich unabhängige Entscheidungen fällt.

Wir freuen uns, die Protestbewegung in Russland zu unterstützen. Sie darf nicht von Putin manipuliert und korrumpiert werden. Sie darf keine Plattform für Nationalisten und Rassisten werden. Europäischen und besonders auch deutschen Politikern gibt sie die Chance, die verfahrene Russland-Politik endlich zu verändern.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker klagt an, dass europäische und besonders auch deutsche Politiker das System Putin von Beginn an gestützt haben. So sind sie mitverantwortlich für den katastrophalen Zustand, in dem sich der russische Rechtsstaat heute befindet. Durch Unterstützung und Wegschauen wurden sie mitverantwortlich für den Völkermord in Tschetschenien und den bürgerkriegsähnlichen Zustand, in dem sich der Nordkaukasus heute befindet. Wir bedauern auch, dass Altbundeskanzler Gerhard Schröder, aufs Engste freundschaftlich mit Präsident Putin verbunden, keinerlei Anstalten unternimmt, um den vielen Morden an Journalisten und Bürgerrechtlern sowie der Diskriminierung und Verfolgung von Immigranten entgegen zu treten. Auch diese Korrumpierung und Selbstbereicherung eines deutschen Sozialdemokraten ist ein unerträglicher Schlag gerichtet gegen die Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit in Russland.

Durch partnerschaftliche Beziehungen haben deutsche Politiker ein System gestützt, in dem unabhängige Journalisten, Menschenrechtler und Anwälte ermordet werden. Die Mörder und ihre Hintermänner gehen meist straffrei aus. Heute denken wir auch an das Vermächtnis von Anna Politkowskaja, an die mutige Arbeit der ermordeten tschetschenischen Menschenrechtlerinnen Natalja Estemirowa und Zarema Sadullaeva, an den Rechtsanwalt Stanislav Markelov und an seit Putins Amtsantritt Dutzende ermordete Journalisten. Sie fehlen uns und der Protestbewegung schmerzhaft.

Wir wünschen den Veranstaltern der Demonstrationen des Bündnisses für faire Wahlen in Russland Erfolg und einen langen Atem und sichern ihnen unsere Solidarität und Unterstützung zu,

Tilman Zülch, Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker