30.04.2005

Gewalt gegen Frauen im Sudan

58. Sitzung der UN Menschenrechtskommission 2002 - Genf 18.03.02-26.04.02

Schriftliche Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker

Item 12 a

 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker ist in großer Sorge über die Auswirkungen des anhaltenden bewaffneten Konflikts im Sudan auf die Lage der Menschenrechte und seine widrigen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf Frauen und Kinder. In den Ölfeldern des Sudan sind Tausende von Frauen getötet oder vertrieben und ihre Dörfer bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden. Die sudanesische Regierung scheint die Zivilbevölkerung nicht als Bürger sondern als Sicherheitsrisiko und potentielle Unterstützer des bewaffneten Widerstands zu betrachten. Indem sie sich schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig macht, verschafft sie den Ölgesellschaften die nötige Sicherheit für die Ausbeutung der Rohstoffe des Landes. Sie hat ihre Unterstützung regierungsfreundlicher Milizen und ihre eigenen militärischen Aktivitäten nahe der Ölfelder in der Provinz Western Upper Nile erhöht, um ihre Kontrolle über Straßen, Flugpisten, Dörfer und Einrichtungen der Ölindustrie abzusichern. Die wachsende Bedeutung, die das Erdöl innerhalb der Kriegswirtschaft einnimmt, hat Angriffe gegen die Regierung gerichteter Kräfte auf die Anlagen der Ölfirmen provoziert und die militärischen Aktivitäten auf allen Seiten erhöht. Einheiten, die für und gegen die Regierung kämpfen, haben in den Auseinandersetzungen miteinander in der gesamten Provinz Western Upper Nile Dörfer niedergebrannt und geplündert. Ölgesellschaften unterstützen dabei die Sudanesische Armee direkt oder indirekt, indem sie ihr die Nutzung ihrer Fahrzeuge, Straßen, Flugpisten und anderer Einrichtungen für militärische Zwecke erlauben.

Übergelaufene Soldaten der Sudanesischen Armee haben ausgesagt, dass sie Befehl erhalten hatten, sich an Angriffen auf nicht von der Regierung kontrollierte Siedlungen zu beteiligen. Diese von Hubschraubern aus geführten Angriffe waren Teil einer Regierungsstrategie zur Vertreibung der Einwohner. Die Soldaten berichteten, sie hätten Anweisung erhalten, alle Zivilisten und generell jeden Menschen zu töten, von dem man annehmen könne, dass er nicht loyal zur Regierung stehe, um so die Ölförderung sicherzustellen. Tausende Südsudanesinnen wurden gezwungen, ihr Heim zu verlassen und gerieten in die Abhängigkeit von internationaler humanitärer Hilfe. Die Vertreibungsmaßnahmen haben der Wirtschaft der Provinz Western Upper Nile schweren Schaden zugefügt. Durch die Zerstörung ihrer Häuser, die Plünderung ihres Viehs und den Verlust ihrer Getreidevorräte wird das Überleben für die von Land- und Viehwirtschaft lebenden Südsudanesen in den vom Konflikt betroffenen Gebieten außerordentlich schwierig.

 

Der bewaffnete Konflikt hat sich besonders stark auf das Leben der Frauen ausgewirkt und ihre Rolle in Familie und Gemeinschaft radikal verändert. Der Zusammenbruch und die Zerstörung von Familien- und Gemeindenetzwerken hat sie gezwungen, neue Rollen zu übernehmen. So sind in zahlreichen Familien heute Frauen das Oberhaupt, wenn die Männer vertrieben oder verhaftet wurden, verschwunden oder tot sind. Da es in den Familien keine Männer mehr gibt, tragen die Frauen zugleich eine erhöhte Verantwortung für ihre Kinder und die älteren Familienangehörigen. Die Abwesenheit der Männer erhöht die Unsicherheit und die Gefahren, mit denen die Frauen leben und führt zum Zusammenbruch der traditionellen Mechanismen für Schutz und Unterstützung, auf die sich die Frauen zuvor verlassen konnten. Wegen dieser wachsenden Unsicherheit gehen viele Frauen auf die Flucht. Frauen sind zu Haushaltsvorständen geworden, zu den Brotverdienern, müssen die Verantwortung für die Sicherung des Lebensunterhalts übernehmen, sich um die Tiere kümmern, außerhalb des Hauses tätig sein. Frauen müssen härter um Arbeitsplätze und ein ausreichendes Einkommen kämpfen, was zu einer zunehmenden Abwanderung in die Städte führt, wo Frauen versuchen, sich als Händlerinnen auf den Märkten zu behaupten. Frauen, deren Männer spurlos verschwunden sind, haben dabei faktisch dieselben Probleme wie Witwen, jedoch ohne einen offiziell anerkannten Status. Sie leiden unter den psychologischen Folgen und der Unsicherheit, weil das Schicksal ihrer Ehegatten ungewiss ist.

 

Wir fordern die UN-Menschenrechtskommission auf, die Menschenrechtsverletzungen in der Ölregion des Sudan zu verurteilen und auf die Regierung des Sudan Druck auszuüben, damit sie das Gebiet unverzüglich für Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen öffnet. Die Sudanesischen Behörden müssen unter Druck gesetzt werden, die Ölproduktion auszusetzen, bis ein gerechter und dauerhafter Friede im Sudan ausgehandelt worden ist und bis alle Opfer von Vertreibung sicher an ihre Heimatorte zurückgekehrt sind. Auf alle Konfliktparteien ist eindringlich einzuwirken, die Menschenrechte, das internationale Recht und die Grundrechte zu respektieren und zu schützen.

Wir sind in großer Sorge über die anhaltende Bombardierung von Schulen, Marktplätzen, Verteilzentren für Nahrungsmittelhilfe, Kirchen und Luftlandepisten in den Konfliktgebieten des Sudan durch die Sudanesische Luftwaffe. Die willkürliche Bombardierung ziviler Ziele hat die Situation der Frauen im Sudan dramatisch verschlechtert und verletzt grundlegende Prinzipien der Menschenrechte und internationaler Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten.

Wir appellieren an die ehrenwerte Kommission, die Regierung des Sudan ein Mal mehr aufzufordern, endlich die Konvention zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen zu unterzeichnen und zu ratifizieren.