03.10.2013

Gesellschaft für bedrohte Völker erinnert an düsteres Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte: Schicksal der 90.000 Toten in sowjetischen Speziallagern lückenlos aufklären!

Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober)

Zum Tag der Deutschen Einheit erinnert der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch, an ein besonders düsteres, unbewältigtes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte: an die sowjetischen „Speziallager“ in der ehemaligen DDR und im Gulag, in denen mindestens 90.000 Menschen zu Tode gebracht wurden. Der Menschenrechtler appellierte an Medien und Politik, sich der schonungslosen Aufklärung dieser Verbrechen zu widmen und so eine dringend notwendige Vergangenheitsbewältigung zu betreiben, damit gegenwärtigen Verbrechen gewehrt wird. Zülch dazu wörtlich:

„Das Schicksal der Opfer der sowjetischen Lager auf dem Territorium der ehemaligen DDR und im Gulags sollte Anlass für den drittgrößten Waffenlieferanten der Welt, die Bundesrepublik Deutschland, sein, diese ihre unfriedliche Politik zu überdenken. Zudem gilt es, das Vermächtnis auch dieser Toten zu bewahren und an ihr Schicksal zu erinnern, nicht zuletzt um Wiederholungen, wo immer sie stattfinden, zu verhindern und verfolgte Minderheiten zu schützen.

In den DDR-Konzentrationslagern von Bautzen, Buchenwald, Mühlberg, Torgau, Jamlitz, Ketschendorf und Sachsenhausen, die nach 1945 fortgeführt oder neu eingerichtet wurden, starben bis zu 70.000 Menschen durch Aushungern, Tuberkulose oder Misshandlungen. Viele wurden in den umliegenden Wäldern unter Ausschluss der Öffentlichkeit exekutiert. Etwa 20.000 Einwohner der damaligen sowjetischen Besatzungszone starben nach ihrer Auslieferung im Archipel Gulag. Die SED hatte den Sowjets bis 1950 aller ihre politischen Gegner übergeben, ohne sich selbst die Hände zu beschmutzen. Tausende wurden in Untersuchungshaft erschlagen oder erschossen.

Unter den Opfern befanden sich viele mit Schuld beladene Nationalsozialisten. Inhaftiert wurden aber auch Zehntausende, die sich der Etablierung des stalinistischen Regimes entgegenstellten: Großgrundbesitzer, Bauern, Angehörige des Bürgertums, Unternehmer, Intellektuelle, Studenten, Sozial- und Christdemokraten, Liberale, Theologen, kommunistische Dissidenten und sogar Widerstandskämpfer des 20. Juli oder des Kreisauer Kreises. Von etwa 5.000 inhaftierten Sozialdemokraten kamen 400 ums Leben. Wie in der Nazizeit wurde auch die religiöse Minderheit der Zeugen Jehovas kollektiv verfolgt. Noch im August 1956 waren 1.436 von ihnen in Haft.

Gleichzeitig stellten noch in den 50er Jahren ehemalige NSDAP-Mitglieder die „zweitgrößte Fraktion“ in der Volkskammer und 1951 waren 174.928 ehemalige NSDAP-Mitglieder und Wehrmachtsoffiziere in der SED.

„Eine Schicht Leichen, eine Schicht Kalk, eine Schicht Leichen“, beschrieb ein ehemaliger Häftling im Beerdigungskommando eines Lagers das Verscharren der Leichen, denen wie bei den Nazis die Goldzähne ausgebrochen wurden. Als die GfbV sich am 26. März 1990 an die neuen Abgeordneten der Volkskammer wandte, die Verbrechen der Vergangenheit nicht länger zu tabuisieren und Schuldige beim Namen zu nennen, fand ihr offener Brief mit Angaben über die einzelnen Lager Eingang in die meisten Zeitungen der DDR und BRD. Viele überlebende Gefangene meldeten sich bei unserer Menschenrechtsorganisation.“