24.03.2016

Kriegsverbrechertribunal fällt Urteil über Radovan Karadzic

Genozid darf nicht belohnt werden: Bosnien wiedervereinigen! (Pressemitteilung)

Aufbau der Mahnwache vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag: Die GfbV fordert die Wiedervereinigung Bosniens und gedenkt der 8.372 ermordeten Einwohner von Srebrenica © Archiv

„Das größte Verbrechen von Radovan Karadzic ist die gewaltsame blutige Teilung von Bosnien und Herzegowina mit allen Mitteln: Völkermord, Massenvertreibung und Massenvergewaltigung. Dafür ist Karadzic im Bund mit dem Präsidenten von Ex-Jugoslawien, Slobodan Milosevic verantwortlich“, erklärte der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV), Tilman Zülch, anlässlich der Verkündung des Urteils gegen den bosnischen Serbenführer am Donnerstag in Den Haag und mahnte: „Genozid darf nicht belohnt werden. Wenn die Täter nicht triumphieren sollen, muss die internationale Gemeinschaft dafür sorgen, dass Bosnien wiedervereinigt wird. Dafür muss sie jetzt dringend auch Serbien in die Verantwortung nehmen. Denn der frühere serbische Regierungschef und Präsident von Ex-Jugoslawien, Slobodan Milosevic, hat zusammen mit den Truppen von Karadzic Tod, Vertreibung, Leid und Elend über seine muslimischen Landsleute gebracht – in ganz Bosnien.“

Die GfbV forderte während der Bekanntgabe des Urteils mit einer Mahnwache vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag mit großen Transparenten die Wiedervereinigung Bosniens und gedachte der 8.372 ermordeten Einwohner von Srebrenica. Die internationale Menschenrechtsorganisation erinnerte an den Genozid im Europa des ausgehenden 20. Jahrhundert: Mehr als 20 000 bosnischen Frauen wurden Opfer der Massenvergewaltigungen, serbische Truppen errichteten mehr als 100 Konzentrations- und Vergewaltigungslager, viele tausend Häftlinge wurden darin ermordet. „Europa hat zugelassen, dass durch den Krieg mehr als 150.000 Bosnier getötet wurden“, klagte Zülch die jahrelange Untätigkeit westlicher Länder an. „Systematisch wurden Angehörige der akademischen Eliten ermordet, rund 500.000 Bosnier in sogenannten UN-Schutzzonen ausgehungert und beschossen. Im eingekesselten Sarajevo gab es durch das serbische Bombardement 11.000 Tote, unter ihnen 1.500 Kinder. 1.189 Moscheen und Medresen sowie mehr als 500 katholische Kirchen und Gemeindehäusern wurden systematisch zerstört.“

Vergeblich hatten jüdische Persönlichkeiten damals gewarnt:

Marek Edelman, ein vor wenigen Jahren verstorbener Kommandeur der Widerstandskämpfer des Warschauer Gettos erklärte 1994 im KZ Buchenwald: „Europa hat nichts aus dem Holocaust gelernt. Nichts ist unternommen worden, dieses Morden zu beenden. Was sich in Bosnien ereignet, ist ein posthumer Sieg für Hitler.“

Simon Wiesenthal sagte 1993 in Bonn: „Als ich in den Berichten über die Verbrechen von Karadzic und Mladic erfuhr, war ich fest davon überzeugt, dass diese Verbrecher ebenso zur Verantwortung gezogen werden müssten wie die Nazi-Verbrecher nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.“

Henry Sigman, Präsident des American Jewish Congress, schrieb in einem offenen Brief, der in der New York Times publiziert wurde, an Bill Clinton: „Wenn das Gedenken an die Holocaust-Opfer uns nicht dazu bewegt, auf das Leiden in Bosnien zu reagieren, welchen denkbaren Zweck soll diese Erinnerung haben?“

„Das serbische Regime Serbien-Montenegros und die Truppen von Karadzic haben den bereits international anerkannten und souveränen Staat Bosnien-Herzegowina 1992 bis 1995 mit Krieg und Völkermord überzogen, das Land zerstört und nach den Massenvertreibungen auf der Hälfte seines Territoriums die so genannte Republika Srpska errichtet“, sagte Zülch und kritisierte: „Die Teilung haben die Großmächte USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und das gerade wiedervereinigte Deutschland mit dem Friedensabkommen von Dayton 1995 ermöglicht. Mit der Republika Srpska haben sie der großen Mehrheit der Kriegsverbrecher ein Refugium geschaffen. Sie führen dort unbehelligt ein Leben in Amt und Würden. Es wurden die Täter belohnt und die Opfer bestraft. Mehr als eine Million vertriebene muslimische Bosniaken und bosnische Katholiken konnten nicht in ihre Heimatorte zurückkehren. Das ist eine Schande für ganz Europa und nur wiedergutzumachen, indem diese Teilung rückgängig gemacht und das wiedervereinigte Bosnien und Herzegowina in der Europäischen Union aufgenommen wird!“

Vor Ort in Den Haag erreichen Sie die GfbV-Südosteuropareferentin Jasna Causevic unter der Tel. ++49 (0) 179 524 35 38.


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