23.05.2006

Gefordert: Die Vereinten Nationen

Schon 2004 hatte die GfbV UN-Friedenstruppen für den Westsudan gefordert. Das wurde damals noch belächelt, da die meisten Staaten auf den Einsatz von Waffenstillstandsbeobachtern der Afrikanischen Union (AU) setzten. Da es der AU-Mission nicht gelang, den Völkermord zu beenden, beschloss der Weltsicherheitsrat in der Resolution 1769 am 31. Juli 2007, die Entsendung einer gemeinsamen Friedensmission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union. Mit der Stationierung dieser UNAMID-Truppe sollte im Oktober 2007 begonnen werden. Doch aufgrund mangelnden Engagements vieler Truppensteller und stetiger Behinderungen durch die sudanesischen Behörden zog sich die Stationierung der Blauhelmtruppe über viele Monate hin. Im Mai 2010 waren 13 Prozent der in Aussicht gestellten 26.000 Soldaten und Polizisten noch immer nicht in Darfur einsatzbereit.

Mit immer neuen Schikanen versuchten die sudanesischen Behörden, einen schnellen Einsatz der Blauhelmsoldaten zu verhindern. So wurden Visa für die Einreise verweigert, Ausrüstungsgegenstände wurden vom Zoll einbehalten, Bauland für Soldaten-Unterkünfte wurde nicht zur Verfügung gestellt, Flugbenzin für Hubschrauber wurde verweigert und mit gezielten Übergriffen wurden die Blauhelmsoldaten so eingeschüchtert, dass sie aus Sicherheitsgründen ihre Militärlager oft tagelang nicht verlassen durften. Bis Mai 2010 starben 24 Blauhelmsoldaten bei ihrem Einsatz im Westen des Sudan.

So sehr die Menschen in Darfur eine schnelle Stationierung der UNAMID gefordert hatten, so waren sie von dem Ergebnis des Einsatzes enttäuscht. Denn die UNAMID ist oft mehr mit dem eigenen Schutz, als mit der Sicherung des Schutzes der Zivilbevölkerung beschäftigt. Immer wieder wurden Fälle gemeldet, in denen UNAMID-Einheiten tatenlos blieben, selbst wenn in ihrer unmittelbaren Umgebung Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten begangen wurden.

Chronisch fehlt es der UNAMID an einer ausreichenden Ausstattung und Ausrüstung. Insbesondere Hubschrauber, Schützenpanzer und andere Militärfahrzeuge werden benötigt. Mehr als zwei Jahre lang rief die UNAMID weltweit dazu auf, ihr Wüsten-taugliche Hubschrauber zur Verfügung zu stellen. Doch nur sehr wenige Staaten halfen. Diese mangelnde Unterstützung der UNAMID ist ein deutliches Zeichen für das geringe Interesse der internationalen Gemeinschaft an einer friedlichen Lösung der Darfur-Frage.

Die Lage der Zivilbevölkerung hat sich in den sieben Jahren des Genozids immer mehr verschlimmert. Mindestens 2,7 Millionen Menschen leben unter katastrophalen Bedingungen in Flüchtlingslagern in Darfur. Mehr als vier Millionen Menschen sind regelmäßig auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mit der Ausweisung von 13 internationalen Hilfsorganisationen nach der Ausstellung eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofes gegen Präsident Bashir im März 2009 verschärfte sich weiter die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung. Ohne Rücksicht auf die eigene Bevölkerung war das Bashir-Regime fest dazu entschlossen, die humanitäre Versorgung der Not Leidenden zu erschweren, um die internationale Gemeinschaft zu einer Aussetzung des Haftbefehls zu bewegen. So wurden die Not Leidenden im Westen des Sudan zu Geiseln eines Diktators, der zu allem bereit ist, um seine Macht auch zukünftig zu sichern. Es ist das große Verdienst der im Land verbliebenen Hilfsorganisationen, in einer beispiellosen Hilfsaktion die Lücken geschlossen zu haben, die der Abzug der ausgewiesenen Helfer verursacht hatte.

Ungeachtet des Leidens der Zivilbevölkerung ist der Weltsicherheitsrat, das bedeutendste UN-Gremium, in der Darfur-Frage hoffnungslos zerstritten und blockiert. Während die USA und Großbritannien mehr Druck auf die Regierung des Sudan fordern, blockieren China, Russland, Pakistan sowie arabische Staaten jedes massivere Vorgehen des Weltsicherheitsrates. Insbesondere die Vetomächte China und Russland zeigen mit ihrer Blockadehaltung, dass Menschenrechte nicht Leitlinie ihrer Außenpolitik sind. Beide Staaten sind die bedeutendsten Rüstungslieferanten des Sudan. China ist inzwischen auch sein wichtigster Wirtschaftspartner. Im Jahr 2008 erwirtschaftete der Sudan 56 Prozent seiner Exporterlöse im China-Geschäft. China benötigt dringend Rohstoffe für seine aufstrebende Wirtschaft und ist inzwischen der bedeutendste Abnehmer sudanesischen Öls. Rund sechs Prozent des chinesischen Öl-Bedarfs wird heute vom Sudan gedeckt. Chinesische staatliche Öl-Konzerne kontrollieren heute weite Teile der sudanesischen Öl-Industrie. Mit 30.000 Entwicklungshelfern und Beratern ist die Volksrepublik im Sudan heute sehr stark vertreten und mit dem Bau zahlreicher Großprojekte (Öl-Pipelines, Staudamm, Straßen) betraut.

Hatte der damals amtierende UN-Generalsekretär Kofi Annan in den Jahren 2003/2004 die katastrophale Menschenrechtslage in Darfur oft verharmlost und dafür plädiert, der sudanesischen Regierung mehr Zeit bei der Bewältigung der Probleme einzuräumen, so zählt er seit dem Herbst 2005 zu den entschiedenen Kritikern der Darfur-Politik Khartums. Wenige Tage vor seinem Ausscheiden aus dem Amt des UN-Generalsekretärs räumte Kofi Annan im Dezember 2006 öffentlich ein, das die UN in der Darfur-Frage versagt habe. Es sei der größte Fehler während seiner Amtszeit gewesen, nicht schnell und entschieden genug die schweren Menschenrechtsverbrechen beendet zu haben, erklärt Kofi Annan. Der Sinneswandel ging sicherlich auch auf das engagierte Auftreten des für humanitäre Angelegenheiten zuständigen stellvertretenden UN-Generalsekretärs Jan Egeland zurück, der ohne diplomatische Rücksichtnahme auf Khartum die dramatische Lage der Zivilbevölkerung immer wieder öffentlich anprangerte. Khartum reagierte auf den unbequemen Egeland nicht nur mit harscher Kritik, sondern verweigerte ihm teilweise auch die Einreise nach Darfur. Damit erwies sich die sudanesische Führung allerdings einen Bärendienst, weil sie mit solch drastischen Reaktionen auch deutlich machte, wie wenig sie an einer umfassenden humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung interessiert ist.

Darfur braucht Frieden – jetzt!

Seit dem Jahr 2003 wurde unsägliches Leid über Darfur gebracht, Millionen Menschen wurden entwurzelt, Familien getrennt. Drei Millionen Vertriebene warten bis heute in Darfur und im Tschad auf eine Rückkehr in ihre Dörfer. Ihr Schicksal darf heute nicht vergessen werden, wenn über eine Friedenslösung für Darfur verhandelt wird.

Mit Geld aus arabischen Staaten soll das Resultat des Genozids, die Vertreibung von drei Millionen Schwarzafrikanern aus ihrer Heimat, nun dauerhaft gesichert werden. So sollen die Vertriebenen nicht in ihre Dörfer zurückkehren können, sondern in der Nähe ihrer Flüchtlingslager angesiedelt werden. Beschämend ist die Doppelmoral der arabischen Geldgeber: Während sie in Darfur die Rückkehr von drei Millionen Vertriebenen unterbinden, beharren sie in der Palästina-Frage auf einem Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge.

Auch in den Vereinten Nationen haben sich die arabischen Staaten stets gemeinsam mit China und Russland schützend vor den Sudan gestellt und Forderungen nach mehr Sanktionen und stärkerem internationalen Druck auf Khartum erfolgreich abgewehrt. Nach dem Willen dieser Staaten sollen die in Darfur begangenen Verbrechen auch juristisch ungesühnt bleiben. Gemeinsam mit vielen afrikanischen Staaten fordern diese Länder seit Monaten die Aussetzung des Haftbefehls gegen Präsident Bashir. Doch ohne Gerechtigkeit und eine Bestrafung der Verantwortlichen des Völkermords wird es auch keinen dauerhaften Frieden in Darfur geben.